Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Kolumne

Runter vom Sofa - Mein August

Taufeuchte Schritte, das Gesicht glücksverschmiert. Endlose Flächen der Möglichkeiten. Tausend bunte Abenteuerstifte malen Erinnerungen aus emsigen Morgen und bräsigen Tagen, aus glitzerndem Staunen und kichernden Nächten. Wenn die Luft nach Freiheit riecht und nach Moorseen, nach Unendlichkeit und Schmierdichbitteein, nach Pommesfingern und Waldhöhlen, dann ist wahrscheinlich August. Dann bist du Kind und in den längsten Ferien, die du jemals haben wirst, sechs Wochen Ewigkeit der größte denkbare Zeitraum, nach dem du im besten Fall auf Ameisenstraßen gesurft bist und Hitzewellen geritten hast. Und Erinnerungen gestrickt, die dich begleiten durch die Tage, in denen August nur mehr heißer Asphalt sind und Überstunden, die Kita geschlossen und der Kopf vielleicht auch. Mein August lebt für immer in einem parkgroßen Garten in Niederbayern, umgeben von Kornblumenfeldern ein klarer Blick auf die Berge. Eine Grenze, die zu passieren es ominöse, aber wichtige kleine Heftchen brauchte, nicht weit. Dahinter seepralle Tage mit einer lautbunten Großfamilie, die für immer meine Vorstellung perfekter Badeausflüge in Form gelacht und ohne Lichtschutzfaktor in mein Herz gebrannt haben (Ausführung folgt). Davor das Paradies. Mit einem Birkenwald, zwischen dessen drei Bäumen eine zeltgroße Hängematte zum ewigen Baumeln einlud. Mit Streifzügen durchs Schlaraffenland, das an jedem Zaun und jeder Häuserwand, hinter den Hecken und unter den Bänken dicke Brombeeren bereithielt und pausbäckige Johannisbeeren, die ich vor Omas Marmeladentopf direkt in den Mund hineinrettete. Mit der schönsten Pergolaschaukel, die mich hineinhob ins dichte Grün des Weines, unter dessen Laubdach die Erwachsenen saßen und Erwachsenendinge taten. Mit flackerndem Kaminfeuer und einem riesigen Kochtisch, um den man sitzen und unerhörte Mengen Spaghetti zubereiten konnte. Mit einem farbtriefenden Meer aus Blüten und Blumen, die der Großvater mit der gleichen Sorgfalt pflegte wie meinen blondgewaschenen Kinderkopf, den er mitnahm in die erstaunliche Welt der Salatfelder und Urwälder, zu denen sich Gurken und Bohnen, Tomaten und Zucchini rankend verdichteten. Mit Karl-Valentin-Gedichten zu jedem Anlass und ganz persönlichen nur für mich, die mir das Schlafengehen im geheimnisverstaubten Dachbodenzimmer versüßten, während unten die Erwachsenen die Nacht erhellten und melonengroßgrüne Weinflaschen leerten. Mit winzigen streichelweichen Hasenkindern und einem Stall voll Cousins und Cousinen und einer Luft, die morgens taufeuchte Füße bringt und abends staubige Sohlen, die vor dem Haus sitzend die letzte Wärme aus dem Asphalt saugen und die Sonne über aufgeschlagene Knie hineinschickt in die Seele, die in Erinnerung lächelt und sich feste in die Umarmung des Glücks schmiegt. So lebt mein August. Für immer.