Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Glosse

Runter vom Sofa - Heiße Nächte in Balkonien

„Man muss die Feste feiern wie sie fallen“, hab ich mir gedacht, und außerdem beschlossen, dass es an der Zeit ist, eine andere Balkonspinnenstrategie anzuwenden und die unliebsame Mitbewohnerin einfach störend und markierend aus ihrem, nein: meinem Revier zu vertreiben. Nach einem unfassbar anstrengenden Tag, den ich erst einmal im Gedenken an die tapferen Radler von Frankreich und direkt in deren Tradition begonnen habe (am heißesten Tag der Welt durch endlos glühende Lava mit dem Drahtesel, am Ende der unglaublich kräftezehrenden fünf Kilometer noch eine Berg-Schikane) und der im weiteren Verlauf nicht minder sportlich vonstatten ging (hinlegen. Sandwich essen. Lesen. Huch, kurz eingenazgat. Zehn olympische Runden Brustschwimmen, erstmal wieder hinlegen. Drei Kilo Wassermelone verspeisen, lesen) und einer deswegen nicht mehr ganz so sportlichen Heimreise („Wenn wir noch langsamer fahren, fall ich um.“ – „Mir doch egal, dann schlaf ich einfach hier im Straßenbegleitgrün.“) sowie einem ausgewogenen, erfrischenden Abendmahl (man nehme am Vormittag kalt gestellten Kaffee, gieße diesen behutsam in ein zuvor randvoll mit zartschmelzendem Bourbon-Vanille-Eis befülltes Glas und garniere dies lückenfüllend mit dem köstlich-chemischen Zart frischster Sprühsahne) befiel mich bei der Einnahme desselben eine grandiose Idee: „Hopp, heut wird auf dem Balkon geschlafen!“ Der nonplusultra Romantik-Tipp, verwuscheltes Haar in verschwitzten Laken, umgeben vom sanften Leuchten unzähliger kleiner Lampions, über dir nichts als der Sternenhimmel und der zarte Wind bringt Duft von Minze und Basilikum auf dem heißen Zirpen der Grillen – perfekt! Nach einer kurzen Einrichtung auf der neulich erwähnten nach dem Lego-Prinzip gestalteten Balkonbank, die dynamisch zum Balkonbett umgebaut werden kann („Und die Matratze?“ – „Ach was, die Yoga-Matten reichen völlig!“) und kurzer Abstimmung („Nimmst du mal bitte gefälligst dein Kissen aus meinem Basilikum?!“ – „Upsi ja. Und kannst du mal die ganzen Lampions ausmachen die sind sauhell!“) konnte auch schon die Nachtruhe beginnen. Eingekeilt zwischen meinem Mitschläfer, der glühend heiß abstrahlenden Hauswand und überbordender Romantik lag ich da und lauschte dem Schweigen der Sommernacht, das nur gelegentlich vom gemächlichen Rumpeln einer Straßenbahn unterbrochen wurde. Sowie siebzehn Feuerwehr- und Krankwagen, einem heftigen Beziehungskrach und mehreren ausgeführten Endstufen, die mich beim Zählen der Sterne empfindlich gestört hätten, hätte ich Probleme im Zahlenraum bis zehn. Gegen Mitternacht bin ich dann ins Bett gegangen – die beste Idee des Abends, empfing mich das Schlafzimmer doch mit angenehmer Kühle, absoluter Stille und Einsamkeit. Der Mann? Hat draußen das Revier markiert. Zumindest akustisch. Mal sehen, was die Spinne dazu sagt.