Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

1 Abo und 4 Abonnenten
Artikel

Wohnmobil oder Wohnwagen aufmöbeln: So habe ich meinen Camper gepimpt

Da sitzt die stolze Autorin in ihrem frisch renovierten Wohnwagen - gemütlich ist´s geworden. (c) privat

Nürnberg - Nicht jeder mag oder kann sich angesichts irrer Preise einen schicken Wohnwagen oder ein Wohnmobil leisten. Doch warum nicht günstig einen alten Gebrauchten kaufen und dann schick ausbauen und aufmöbeln? Wir haben selbst ausprobiert, wie leicht oder schwer es ist, aus alt fast neu zu machen. Hier unsere Erfahrungen und ganz persönlichen Tipps.

Auf den dunkelsten Moment kann ich ziemlich genau den Finger legen: Nämlich der, als die Test- und Jungfernfahrt vom Willibald ins Fichtelgebirge nicht nur ein vorläufiges, sondern kurzzeitig endgültiges Ende genommen zu haben schien, ich und drei Elektriker im strömenden Regen auf dem Parkplatz eines Elektrofachladens in Oberfranken standen und urplötzlich nicht nur kein Licht im Wohnwagen war, sondern auch das Geschäft schwarz wurde. Kurzschluss. Alles lahmgelegt. Allen voran meine Laune. Was für eine, pardon, Scheißidee, diesen alten Wohnwagen zu kaufen und komplett zu renovieren!

Oder zu „Pimpen“, wie der Experte sagt – und entsprechend viele Foren, Blogs und Gruppen im Internet zu diesem Thema findet: „Pimp my Caravan“ & Co. bringen tolle Tipps, vor allem aber wecken sie Begehrlichkeiten. So auch bei mir. Spulen wir drei Monate zurück. Schon lang hatte ich den Wunsch gezüchtet, Besitzerin einer eigenen Wohnkiste zu sein. Nix da Corona-Hype, ganz im Gegenteil bin ich in solchen Gefährten quasi aufgewachsen, habe sie entsprechend als Jugendliche zu hassen und später wieder lieben gelernt. Nur: Immer ausleihen ist oll. Immer aufpassen auf fremder Leute Dinge bäh. Deswegen: Was eigenes muss her, und es kam in Form eines uralten, wunderschönen TEC Wohnwagens mit dem Zaubernamen „Weltenbummler“. Außen schön beige, innen schön braun, vier Schlafplätze und acht zum Sitzen, Küche, Sanitär – alles drin.

2300 Euro bar auf die Kralle, und das Teil kullerte hinter mir in die elterliche Hofeinfahrt. „Ich würde“, hatte ich geflötet, „nur ein bisschen saubermachen und hier und da was erneuern, kann ich den so lange bei euch stehen lassen?“ Die Eltern nickten artig. Und gaben unversehens Einverständnis in ein vergnügtes Großfamilienprojekt, das uns alle über viele Wochen begleiten und darob auch zusammenbringen sollte. Denn bei der ersten Katzenwäsche googelte die Freundin und rief verzückt „OOOOH schau mal, hier auf Pimp my Caravan! Was man da alles machen kann! Oooooh wie schön!“ Tja. Niemand konnte ahnen, was passieren würde. Die Kurzfassung: Wir, mein Willibald und ich, haben jetzt weiße Wände und Möbel und eine taubenblaue Decke, neue Vorhänge, Polster und Bezüge sowie eine zauberhafte Küchenzeile. Wir haben eine komplett neue Nasszelle, Sanitäranlage und Elektrik. Und ich habe jede, verdammt nochmal jede einzelne der circa 893540 Schrauben in der Hand gehabt. Ich habe geweint, geflucht, geschimpft, meditative Zustände erreicht und Erleuchtung erfahren. Ich habe drei Monate am Stück renoviert, gelesen und gelernt. Es war grauenhaft – und wundervoll.

Seit einigen Jahren, vermutlich aber, seitdem der Mensch entdeckt hat, dass es sich vorzüglich kontaktlos urlauben lässt, verreist man einfach in seiner eigenen Wohnung statt eine fremde mit vielen Fremden zu teilen, erfährt das Camping eine Renaissance. Wir merken das a) daran, dass es kaum mehr Gefährte zu erwerben gibt oder b) nur sehr teure sowie c) dass die Blumenwiese der DIY-Literatur- und Blogger-Welt wächst und gedeiht. Der Grund ist einfach: Weil sich kaum jemand die neuen Camper leisten kann, greift man zu den alten und macht sie sich dann hübsch. Abgesehen vom Komplettausbau von Bussen oder Kastenwägen, der wundervolle Dinge zum Vorschein bringt, aber auch irre viel Arbeit bereitet, wählen viele derer, die keine Lust haben auf Rustikalfurnier & Co. die Variante „Facelift“.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Während die Komplettausbauer ein auf die individuellen Wünsche zugeschneidertes Rad selbst erfinden müssen, nutzen letztere einfach die bereits optimierten Gegebenheiten. Wohnwagen und -mobile sind Raumwunder, für deren Design ausgefuchste Architekten lang gerechnet haben. Als Laie kriegt man’s meist nicht besser hin. Außerdem sind sie Gewichtswunder – ein Umstand der oft naiv unterschätzt wird: Weil jedes KfZ ein zulässiges Gesamtgewicht hat, ist es unklug, dieses bereits mit Mobiliar zu erreichen. Schickes Messing, Holz und Edelstahl rauben Masse, die hinterher beim Gepäck fehlt. Verkehrspolizisten wissen das clever zu nutzen und kontrollieren, was das Zeug hält. Dann heißt es: ausräumen, zahlen – oder umkehren.

Zudem eint die Wohnkisten, dass sie irre praktisch sind. Wer jemals richtig campen war, der weiß, dass viele Sachen zwar nicht sexy, wohl aber zwingend erforderlich sind. Denn hier geht’s dreckig zu und eng, manchmal stickig, oft turbulent. Wie wenig das alles mit der geinstagramten Beautiness zu tun hat, erzählen wir mal an anderer Stelle.

Es lohnt sich also, sich an Bestehendem mindestens zu orientieren. Und mindestens Geduld und ein Händchen fürs Handwerk zu haben – und im besten Fall Kreativität. Zwar gibt es wirklich für so ziemlich jede Lösung ein Problem, aber selbst das muss man erkennen. Die alten Polster sind eklig, bitte neu? Gerne: Für 1000 Euro kriegst du Schaumstoff maßgeschneidert, für nochmal so viel die Bezüge dazu. Oder aber du schnitzt mit dem Brotmesser holländischen Schaumstoff in Form, bekleidest ihn mit Bündchenstoff und nähst den oben zu. Kosten: 500 Euro. Braune Wände sind doof, ich male einfach alles weiß? Bitte, aber weine nicht, wenn nachher alles fleckig ist und reißt. Oder du machst es richtig, dokumentierst alles minutiös, baust jedes noch so kleine Brettchen aus und schleifst, grundierst und weißelst. Die Technik lass ich einfach vom KfZ-Kumpel prüfen? Kannst du, aber es ist fraglich, ob der alle drei Kreisläufe (Auto, Batterie & Steckdose) zuordnen kann. Scharniere, Türschlösser & Co. gefallen mir nicht, aber es gibt den Baumarkt um die Ecke? Stimmt, aber der hat weder Schnappschlösser noch die vielen kleinen leichten Teile, die original verbaut waren – und im Fachmarkt ein Vermögen kosten. Vorhänge & Jalousien müssen unbedingt raus? Klaro, warum nicht – aber bedenke, dass du später nicht nur Dunkelheit brauchst, sondern auch Mückenschutz …

So geht’s dahin, locker 2000 Euro lang. Man verlegt Sanitär neu und Elektrik auch, produziert Kurzschlüsse und Krisen, holt Zubehör – und Ratschläge. Ich habe mit Raumaustattern gesprochen und Malermeistern, ich habe mit tollen Baumarktmitarbeitern Lösungen ersonnen und Hilfsangebote von Repaircafés erhalten. Ich habe SOS auf Facebook ausgesendet und Unterstützung aus unerwarteten Ecken bekommen. Ich habe nicht nur meine Neven strapaziert, sondern auch die meiner ganzen Familie, die nicht „mal kurz“, sondern sechs Monate am Gemeinschaftsprojekt mitgearbeitet haben, gestrichen, genäht, gebastelt, Schweiß und Tränen vergossen, aber auch getrocknet haben. Im Herbst waren der Willibald und ich drei Wochen unterwegs. Es hat alles funktioniert. „Meine Auster“, sag ich, weil niemand sehen kann, was sich unter der alten Schale versteckt: Außen schön beige – innen schön.

Zum Original