Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Pullis aus dem Weltraum

Die meisten von uns kennen sie, die meisten von uns haben oder hatten mal selber eins: Kleidungsstücke mit Geschichte. Der Pulli, mit dem man damals immer … Die Hose, mit der man im Jahr soundso so großartig … Das Shirt, das man im Alter von XY ständig … Heute ist das oft anders. Klamotten sind, ganz gemäß der gesellschaftlichen Entwicklung, Wegwerfgegenstände geworden, die man sich am besten möglichst günstig zulegt, ein bisschen trägt und dann ersetzt. Da möchte ein junges Nürnberg Label ansetzen und beide Enden des abgerissenen Fadens wieder zusammenführen. Zum einen, indem Kleidungsstücke nachhaltig und fair produziert werden, zum anderen, indem ebenjene Teile wieder eine Geschichte zu erzählen haben. Nur: „Never lose your wings“ zäumt das Pferd von hinten auf.

„War das jetzt echt die beste die Idee, ausgerechnet mit sowas zu starten?“ – diese Frage haben sich Michael Schiffmann, Bettina Schuller und Andreas Braun zwischendurch bestimmt nicht nur einmal gestellt. So mitten in Begrifflichkeiten wie Luftamt und Luftsicherung, Flugzeugkollision und Wetterberechnung, da waren die Zweifel groß, „aber wir haben das durchgezogen!“ Abenteuer, Reisen und Ideen sind die drei Säulen, auf denen ihr Label „Never lose your wings“ steht, mit dem Gedanken, Mode wieder wegzubringen von der Wegwerfkultur und Gedanken, Klamotten immer mit einer eigenen Geschichte zu verbinden. Da könnte man jetzt meinen, es würde reichen, so einen Hoodie mal die Pegnitz hinab segeln zu lassen oder durch die Achterbahn zu jagen. Aber die drei, die eigentlich Flugbegleiter und Kreative sind, wollten für den Start was Besonderes, und dann war da 2012 dieser Felix Baumgartner mit seinem irrsinnigen Weltraum-Sprung. Ob es wohl möglich sei, als Laie etwas zu konzipieren, was es bis hinauf schafft auf über 30 000 Meter und dann auch wieder runter, und dann ein Pulli draus wird, der eine Weltraumgeschichte erzählen kann? „Wir haben ungefähr ein Jahr getüftelt, recherchiert und probiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass das zu machen ist“, erzählt Michael Schiffmann. „Zu machen“ ist dann aber erstmal reichlich anderes. Eine Sonde wird gebaut, eine Kapsel, in die hinein die „Stratotags“ kommen, kleine genähte Quadrate, die später die Pullover zieren. Die Kapsel, 60x20 cm groß plus „Flügel“, wird versehen mit technischem Gerät wie einer Spezialkamera („Damit wir hinterher auch den Beweise haben!“), Spezialakkus („Da oben wird’s ja ziemlich kalt!“), einem GPS-Ortungssystem und Wärmeaggregaten – alles unter 2,5kg, denn es gilt, die nächste Frage zu beantworten: „Wie kommt das Ding nach oben?“ Mit einem Wetterballon, lautet das Ergebnis, „aber den kauft man nicht einfach beim Feiermeier, die Dinger sind für Privatpersonen schwer zugänglich“, zu finden aber bei einer belgischen Firma für Militärzubehör. In drei Meter extrem dehnbares Latex kommen circa 3000 Liter Helium, daran werden Sonde und Fallschirm befestigt. Fertig? Von wegen. Weil es ist ja nicht so, dass man sich da jetzt einfach auf eine Wiesen stellen und ein 15 Meter langes Monstrum in den Orbit schweben lassen könnte. Mit Luftamt und Luftsicherung gilt es, die Aktion abzusprechen, Winddaten zu erfassen, Route und Wetter zu berechnen, „alles irrsinnig komplex“, aber das muss schon allein deswegen, um mögliche Kollisionen mit Flugzeugen tunlichst zu vermeiden. Ein „Startfenster von wenigen Minuten“ erhielt die Truppe schließlich im August 2014 am Schwabacher Flugplatz, „und da war die Stimmung dann schon etwas angespannt“. Windig war’s an dem Tag, und der Latexballon so empfindlich, dass beim kleinsten Kratzer schon vor dem Start alle Mühe vergebens werden kann. Mit einer Geschwindigkeit von sechs Metern pro Sekunde, „richtig Zug und Kraft“ sollte der Ballon seine Reise antreten – und tat das auch. „Eine kurze Zeit hatten wir noch ein GPS-Signal, das uns sagte, dass die Berechnungen zu stimmen scheinen. Dann war alles weg.“ Warten. Ablenken. Drei Stunden sollte der Flug dauern, und dann piept plötzlich das Handy: Die Kapsel kommt zurück. Mit dem Auto geht’s eilig zum Landeplatz, der sich „zum Glück auf einem freien Feld und nicht auf einem Baum oder so“ befand – 100 Kilometer entfernt vom Startpunkt. Die Erleichterung ist groß, größer noch die Bilder, die die Kamera zeigt, beweist, dass „Never lose your wings“ wirklich in der Stratosphäre war, „faszinierend und dynamisch“. 1000 Stratotags sind jetzt also zurück aus dem Weltall und schmücken die „Hoodies“ – mit der Geschichte einer außergewöhnlichen Reise.

 

http://neverloseyourwings.com/