Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Kohl & The Gang

Er ist grün und dennoch höchst verschlossen, sitzt erst grimmig auf dem Boden und dann gelangweilt in der Auslage. Er macht Wickel, Kraut und manchmal, dass die Luft riecht. Er ist überall und nirgends, Mister Nobody, Max Mustermann und besitzt trotz feudalen Stammbaums rein gar nichts floral-majestätisches. Kurz gesagt: Der Weißkohl, kugeldicker Spross der Kreuzblütler-Familie, ist „so ziemlich das banalste Gemüse, das es gibt. Und das will ich feiern.“ Mit dem #kohlprojekt.

Das sagt Ben Heinrich, und weil der Heinrich bunt ist im Gemüt, werden nicht nur Sprüche geklopft, sondern den Nägeln Köpfe gleich mitobendrauf. Kohlköpfe: ein Kohlprojekt. Spinnt ihr? „Ja. Nein, eigentlich nicht“, sagt Ben Heinrich im Gespräch am Stadtrand und gewährt Einlass in seine Gedankenwelt. „Ein Hybrid“, so sagt der 45-Jährige, sei er. Schreiner, Landschaftsgärtner, Architekt, Ästhet, Vater Opa Onkel Künstler und Gärtner und seit Generationen im Besitz eines riesigen Grundstücks in Oberfranken. „Ein geheimer Ort“, sagt Ben Heinrich. Das Feldlaboratorium, wo am „Geschmack des Ortes zu der jeweiligen Zeit geforscht“ wird. Was das bedeuten soll? Zuhören! „Muskatellersalbei zum Beispiel riecht wie guter Schweiß, aber im besten Sinne“, sind Sätze, die Heinrich sagt. Der eine irre Freude hat an Erde und was sie so hervorbringt, und für Freunde „ruppig kocht“, und das Resultat zur Kunst erhebt, Beetumgraben als Festival mit Musik veranstaltet und Ideen spinnt und verteilt und anstupst, sich zurücklehnt und dann freut. Die Idee ging dann so: „Egal wo man hinschaut – alle Staaten mindestens der nördlichen Hemisphäre machen irgendwie mit Kohl rum, haben den als bedeutsamen Bestandteil ihrer Esskultur, und gleichzeitig ist das das banalste Gemüse, das es gibt.“ Das muss man doch mal würdigen! Ein Ansaatfestival hätte es geben sollen, das hat dem Corona nicht gepasst. Angesät wurde dennoch, „so Land-Art-mäßig“ ein Feld angelegt im Feldlabor, 60 Kohle im Dreieck, weil „man kann alles aufschieben, aber die Ansaat ist superwichtig.“ Zarte Demeter-Pflänzchen, daheim vorgezogen, zum Luxus-Kohl bestimmt auf Horn und Kalk und Erde gebettet. Und dann? Dann das wichtigste, sagt Ben Heinrich und setzt zur Kunsterklärung an: „Die Idee ist, dass der Kohl aus verschiedenen Perspektiven künstlerisch betrachtet, verarbeitet, aufbereitet werden soll – und daraus wieder Kunst entsteht.“ Interdisziplinär, interkulturell im ursprünglichsten Sinne. Eine Hommage. Die Nürnberger Knut Pflaumer, Simona Leyzerovich und Theobald Fuchs machen Fotografie, Sound und Literatur. Kohlmonologe. Anna Bittersohl malt von Leipzig aus. Performancekünstlerin Simone Karl, derzeit in Berlin und eher auf Erotik abonniert, arbeitet die „toxische Beziehung von Liebe und Zerstörung zwischen dem Kohl und seinem Todfeind Kohlweißling auf.“ Zuletzt hat Felix Schneider zugesagt, Luxuskoch. Es wird Papier geben aus Kohlfasern und Kohllimonade, „digitalen Kohlcontent“, soziologische Auseinandersetzung und einen „total experimentellen Prozess, bei dem alle Variablen zu Konstanten gemacht werden.“ Mit den Ergebnissen: „eine Ausstellung an einem gebrochenen Ort.“ Und vor allem: Überraschungen, Geschenke für Kohlpatenschaften. Teil eines wahnwitzigen Projektes sinnlichster Art zu sein, einen eigenen Kohl, eigene Videos, eigene Kunst-Stücke? Reizvoll. Wer noch einsteigen will, braucht nicht viel. 50 Euro – „aber du musst vertrauen, denn du weißt nicht, was du kriegst.“ Passt doch hervorragend. In die Zeit. Und den Winter. He’s crazy like a fool – wild ’bout Daddy Kohl!

 

„Erforschung von Weißkohl von Künstler*innen“

feldlaboratorium.de/kohlprojekt
Ausstellung tba