Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Altersstarre Windmühlen

NÜRNBERG - Nürnberg und die Subkultur - was in den Glory Days der Ära Glaser als Leuchtturm über die Republik strahlte, gereicht heute zu stadt- und landesweit frustriertem Achselzucken, Ermüdungserscheinungen und Wegzug. So ungefähr lautet der Tenor, wenn man mit Hannes Weichelt über die Stadt spricht.


Kriminalisierung", „brav", „zu wenig": Nürnberg. „Kaff of Subkultur" nannte sich vor zehn Jahren schon wenig subtil ein Konglomerat Kulturschaffender, die da nicht mehr mitmachen wollten, weiß Weichelt zu berichten. Seitdem wird stadtweit still gelitten. Die Themen? Immer gleich, wohin man hört: Zu wenig Raum. Zu wenig Anerkennung. Zu wenig Förderung. Zu viele Verbote, Auflagen, Einschränkungen. Nun wird aber gerade tief Luft geholt, befunden, dass genug einsam gelitten, kopf- und hilflos gegen altersstarre Windmühlen gekämpft worden ist und dass „wir uns zusammentun müssen, damit wir zeigen, wie verdammt viele wir sind und nur mit einer Stimme laut sprechen können." Das sagt Hannes Weichelt. Nach Dresden hat er gehen müssen, um zu sehen, wie vielfältig frei entfaltbare Subkultur aussehen kann, erzählt der 27-Jährige, der mit der Band We brought a Penguin Musik macht, sich im „Laissez-faire e. V." engagiert und mit dem „Tellerrand" erst ein Festival in Dormitz und dann eine Gastronomie auf AEG mitinstalliert hat. Man kann also finden, er weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: „Es gibt hier zu wenig Raum und wo wenig Raum ist, kann sich keine Kreativität entfalten. Stattdessen wird immer gleich ‚Nein' gesagt statt ‚Versuchen wir's!'" So wie ihm, sagt Hannes Weichelt, gehe es vielen. Vielen „Kollektiven", wie das heute heißt, wenn Menschen gemeinsam und meist ehrenamtlich irgendwas gestalten wollen. Und um ihren Sorgen, Wünschen, Zielen Ausdruck zu verleihen, tun die sich gerade zusammen: Das „KollektivKollektiv", sagt Hannes Weichelt, hat sich ursprünglich aus Veranstaltern der Nachtkulturszene gebildet, denn „das ist die Sparte mit dem schlechtesten Ruf, den meisten Problemen" und, wie es vor Monaten von Stadtseite hieß, aufgrund der Nachtaktivität eh gar nicht echte Kultur. Dabei, so Weichelt, „darf Kultur doch nicht an Tageszeit geknüpft werden." 25 Kollektive mit bis zu 100 Akteuren haben sich dem KoKo schon angeschlossen, das noch ganz am Anfang steht mit der Fünf-Punkte-Mission: Abschaffung der Sperrstunde, mehr selbstverwalteter Raum für Kunst und Kultur, Angleichung des Förderbudgets zwischen Hoch- und Subkultur, gezielte Förderungsprogramm für lokale Künstler, Einführung einer Kommunikationsplattform zwischen Stadt, Ämtern und Kulturschaffenden. Alles Firlefanz, subjektive Heulerei, Befindlichkeiten? Mitnichten. Im knapp hundertseitigen „Abschlussbericht zur Kulturstrategie der Stadt Nürnberg" vom Januar 2018 hat die externe Expertise sehr differenziert die Stärken und Herausforderungen der Kulturstadt Nürnberg herausgearbeitet. Da geht es um Generationenbruch und bespielbare Lücken, starre Personalpolitik, wenig Spielraum und Mut, Zahlen vor Qualität und einen traditionellen Kulturbegriff, der die Vielfalt der Kulturtreibenden nicht widerspiegelt. „Die Stadt", sagt Hannes Weichelt, „weiß doch längst alles. Warum ändert sich denn dann nichts?" Subkultur sei doch auch Jugendkultur, also zukunftsorientiert zu fördern. Außerdem „entsteht aus Subkultur Mainstream, mit dem viel Geld gemacht wird." Auch wer wirtschaftlich denke, müsse die Bedeutung erkennen. „Wir wollen kein wütender Mob sein, sondern Partner, die Lösungen anbieten und helfen", sie wollen einen Runden Tisch installieren für alle Akteure; wünschen sich Fördergelder statt Steine im Weg und „immer nur ein absolutes Minimum an Zugeständnissen." Dass die Nürnberger Kulturpolitik „geprägt von Mutlosigkeit" (Helge Wütscher) ist, ist kein neuer Vorwurf. Erst letztes Jahr hatte die „Initiative Kunst braucht Raum" so laut auf sich aufmerksam gemacht wie es zuletzt still um sie wurde. „Mir ist bewusst, dass wir einen langen Atem brauchen", sagt Hannes Weichelt, denn der Status Quo ist so alt wie diejenigen, die ihn herbeigeführt haben. Immerhin finden manche Ideen schon Resonanz bei den Stadtpolitikern: Die SPD will jetzt das „Heizhaus" an der Ex-Quelle unterstützten, am Freitag wird im Kulturausschuss über Kreativ-Räume in der Kongresshalle diskutiert. Es ist Wahlkampf, da könnte sich was tun. Die Jungen haben erkannt: „Wir müssen aufhören mit der Ellbogen-Mentalität und Konkurrenz-Angst, uns vernetzen und voneinander profitieren!" Kollektiv eben. Die KoKo-Begrüßung auf Facebook beruhigt: „Keine Sorge, wir sind ja jetzt hier."

VON KATHARINA WASMEIER

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