Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Holow Clothing - Alles Banane?

Seit genau 25 Jahren steht die „Verordnung (EG) Nr. 2257/94“ vielen Menschen symbolisch für den Überregulierungswahn der EU, regelt sie doch detailliert, wie eine Banane auszusehen hat, die in die EU gelangen soll. Farbe, Länge, Dicke – einzig der Krümmungsgrad wird der sogenannten „EU-Banane“ sich selbst überlassen. Das ist einerseits ein bisschen witzig. Doch zunehmend interessant wird ein ganz anderer Aspekt: Was passiert eigentlich mit den Früchten, die nur 13,5 cm Länge haben statt der erforderlichen 14? Rund 40 Prozent der weltweiten Bananenproduktion, recherchierte der australische Fernsehkomiker Craig Reucassel 2017 für die vierteilige ABC-Serie „War on Waste“, landeten auf dem Müll – wegen weniger Schönheitsfehler. Anlass genug für zwei Nürnberger, eben jene Banane als Symbol für ihr Projekt zu wählen, denn auch hier steht die Vermeidung von Ressourcenverschwendung im Vordergrund. 
Zugegeben: Es ist nur ein kleines Rad in der großen Industriemühle. Um genau zu sein eins mit ziemlich individueller Stückzahl, aber das macht ja nichts. „Holow“ heißt nämlich ein frisch aus der Gostenhofer Taufe geholtes Label, mit dem Sina Gerke und Julian Vogel alternative Wege aufzeigen und beschreiten wollen, den „Unterschied machen und Sportbekleidung herstellen, die performed, fair und nachhaltig ist.“ Eine logische Konsequenz, wirft man einen Blick auf den Backgrund der Hollower: Julian Vogel, als Künstler seit Urzeiten nicht nur in Sachen Wandverschönerung weltweit unterwegs, sondern auch als Apostel der guten Sache, und Sina Gerke, ehemals Designerin beim gewissen Streifenlabel, eint nicht nur die Liebe überhaupt, sondern vor allem auch die zum Yoga. Seit drei Jahren führen beide ein Studio in Nürnberg – dessen Name „Holy Wow“ als Ideenspender für das Label herhielt: „Holow“ ist nicht nur einfach ein Hybrid, sondern steht praktischerweise als „hollow“ auch für die „hohle Leere“ des Meditationsszustandes, nach dem der Yogi strebt. Schon lange habe Yogalehrerin Sina Gerke sich gegrämt ob der unzureichenden Ausstattung des Yogakleidungsmarktes: Nähte, die reiben, Leggings, die durchscheinen – das muss doch anders gehen! Und wenn’s dann noch bitte alltagsstraßentauglich wär statt schon aus der Ferne weithin sichtbar „YOGI!“ zu brüllen, das wär perfekt. Vor allem aber nachhaltig und fair und Müllvermeidung und klimaneutral und stylish und … „Ja“, gesteht Vogel, „die Suche nach diesem perfekten Rundumpaket war schwierig“, man habe dann aber doch alles gefunden, um mit gutem Gewissen eine erste Basics-Kollektion zu entwerfen, mit Sport-BH und Leggings, Sweater und Shirt. Was ist daran jetzt nachhaltig? „Leggings und BH“, erklärt Julian Vogel seine Lieblingskleidungsstücke, „werden dank eines speziellen Herstellungsverfahrens so gestrickt, dass quasi kein Verschnitt entsteht.“ Man könne sich das vorstellen wie: Nylon, Polyester, Elasthan, direkt auf den Leib gestrickt, nur mit einer hunderte Nadeln starken Maschine. Eine Riesenstrickliesel, nahtlos oder „seamless“, wie man sagt. Für Sweater und Shirt werden – jetzt kommt die Banane ins Spiel – Textilien gerettet, die aufgrund minimaler Fehler auf dem Müll zu landen drohen, „hundert Meter weißer Stoff, in dem hier und da schwarzer Faden aufblitzt“, sagt Vogel. Baumwolle, deren Ursprung zwar nicht bekannt ist, aber „wir arbeiten hier nachhaltig dadurch, dass für unsere Produkte dem Planeten keine neuen Rohstoffe entnommen wurden. Wir verwenden, was schon da ist, Reste, Fehlerware und machen somit Upcycling von Materialien, die sonst auf dem Müll landen würden.“ Solche Fehlproduktionen haben er und Sina Gerke jetzt gerettet, die Schnittmuster so gewählt, dass sie wie beim Plätzchenausstechen möglichst ohne Verluste auskommen. „Damit sind die verfügbaren Rohmaterialien limitiert und du bekommst von uns ein individuelles Produkt, welches nur in geringen Mengen verfügbar ist“, sagen die Holows. „Gleichzeitig kannst du dir sicher sein, das für dein Kleidungsstück kein neuer Müll entsteht und kein Mensch unter schlechten Bedingungen schuften musste“, wovon man mit Produktionsstandort in Chemnitz zumindest ausgehen darf. Das alles kostet. Realisiert werden soll die erste Stückzahl darum mittels Crowdfunding: 10 000 Euro sind vorerst aufgerufen im üblichen Prozedere, sich mit der „Spende“ gleich auch die Klamotte zu sichern. Wenn alles gut läuft, sichert der Ertrag der zweiten Kampagne die zweite Kollektion. Allemal aber wieder einen winzigen Tropfen auf dem weltweiten Abfallstein.