Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Artikel

Tag des Schwertes 2018

Musketiere, Lanzelot, Herr der Ringe – wer hierzulande „Schwertkampf“ hört, denkt unweigerlich an Mantel-und-Degen-Filme, Fantasy und Mittelaltermarkt. Völlig zu Unrecht, wie immer mehr Menschen in ganz Europa erkennen. In der sogenannten HEMA-Szene versammeln sie sich – und gehen den historischen Überlieferungen alter europäischer Kampfkunst auf den Grund. Manchmal theoretisch, meistens aber ziemlich praktisch. Wie das aussehen kann, zeigt am kommenden Samstag zum bereits fünften Mal der „Tag des Schwertes“.

Zwei Kämpfer umkreisen sich, taxieren einander, warten, wägen ab. Versuchen, den Gegner zu erforschen, den nächsten Schlag vorauszuahnen. Sie tragen Schutzmasken und -Kleidung. In den Händen halten sie lange Schwerter. Handelte es sich hierbei um Vertreter der japanischen Kampfsportart Kendo, würde sich vermutlich niemand wundern. „Es ist schade“, findet Sebastian Linstädt, „dass Europäer den Zugang zu ihrer eigenen Kampfkunst verloren haben.“ Deswegen versuchen Menschen wie der 41-jährige Redakteur seit einigen Jahren, genau diesen Zugang wieder herzustellen, „die Kampfkunst Europas zu entdecken, mittels Büchern zu erforschen und wieder mit Leben zu erfüllen.“ Während das Schwertfechten im Mittelalter zum Adelsprivileg der Ritter – eher keine Haudraufs, sondern hochqualifizierte Kämpfer – gehörte, fanden gerade mit dem Nürnberger Bürgertum die Patrizier immer größeren Gefallen an diesem Privileg. Die Fechtausbildung ließ man sich was kosten, in der Gegend entwickelte sich ein „Hotspot für Rüstungsproduktion“, auf der Insel Schütt entstand Mitte des 17. Jhdts mit dem Fechthaus eine Multifunktionsarena, in der sogenannte Fechtschulen abgehalten wurden: Unterhaltungsveranstaltungen, deren Popularität im ausgehenden Mittelalter vergleichbar ist mit unserer heutigen Bundesliga, weiß Sebastian Linstädt, der 2010 gemeinsam mit knapp 20 anderen begann, den Umgang mit dem „Langen Schwert deutscher Schule“ bei „Schwert & Bogen“ zu erlernen; einer Kampfkunstschule, deren Mitgliederzahl sich heute vervierfacht hat – ein Trend, der dem der deutschlandweit gemeldeten Vertreter des HEMA („Historic European Martial Artis“) entspricht. Hier geht es nicht ums Draufdreschen mit stumpfem Blick und (ebensolchen!) Schwertern, sondern um das, was die meisten Kampfsportarten verbindet: den richtigen Einsatz von Kraft und Energie, Reflektion und Taktik, Schützen statt Schmettern. Eigenschaften, die für einen Ritter überlebenswichtig waren, wir Linstädt erklärt. Kam es beispielsweise zu einer Duellsituation im Rahmen eines Gerichtskampfes, wurden die mit scharfen Schwertern und unter Umständen für beide Gegner tödlichem Ende ausgetragen. Den soll und darf es in der heutigen Form des Schwertkampfes oder Freifechtens natürlich keinesfalls geben. Dafür sorgen die gewissenhafte Ausbildung und Besonnenheit der Kämpen, eine robuste Schutzausrüstung – und Schwerter, die „Federn“ heißen und sowohl gebogen als auch biegsam sind. Wie das aussieht, zeigen Paarungen aus gut 50 Schwertkämpfern aus Nürnberg und ganz Deutschland, die sich zum Tag des Schwerts in Nürnberg einfinden. Kein choreografierter Schaukampf, sondern Duelle, die je nach Gegner völlig anders verlaufen und anders ausgehen können – und darob furchtbar spannend sind. Damit Zuschauer besser verstehen und einordnen können, was passiert, gibt es Moderation zu Beginn. Dann aber vor allem viel zu sehen: Auf zwei Flächen wird gefochten, die Hamburgerin Sabine Weiß, Autorin des Romans „Die Tochter des Fechtmeisters“, liest, Kunsthistorikerin Ina Schönwald hilft in einem Vortrag, die Fechtkunst in Nürnberg zu verorten, die Laufer Bujinkan-Schule stellt sich vor – ein ziemlich rundes Paket, mit dem Sebastian Linstädt den Austausch fördern möchte und Wissen vermitteln über unsere Herkunft, unsere Tradition: „Die hehren ritterlichen Werte hat es gegeben. Es ist erstrebenswert, sich damit zu beschäftigen.“ Und zu erahnen, wie lustig es da wohl zugegangen sein könnte, im alten Nürnberger Fechthaus.  „Tag des Schwertes V“, 23.6., 14-22 Uhr, Kulturwerkstatt auf AEG (Vorplatz), Fürther Straße 244d, Nbg; Eintritt frei; Infos unter kuf-kultur.nuernberg.de 


(Foto: Vanessa Linstädt)