Katharina Schuster

Freie Journalistin und Nachrichtenredakteurin

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Klimakrise: Wird in Deutschland das Trinkwasser knapp?

Auch Deutschland verliert Trinkwasser. Quelle: picture alliance / SvenSimon

Noch gibt es hierzulande genug Wasser. Doch infolge des Klimawandels trocknet auch Deutschland langsam aus. Es ist schon zu spät oder gibt es noch einen Ausweg?


Hitze in Indien, Dürre in Somalia, Waldbrände in Kalifornien: Beim Gedanken an Wasserknappheit wird den wenigsten Deutschland in den Sinn kommen. Doch Fakt ist, Deutschland trocknet langsam aus. Um das Ausmaß zu erfassen, hilft ein Blick aus dem Weltraum:

Die Daten der Grace-Satelliten vom Global Institute for Water Security in Kanada (GIWS), der National Aeronautics and Space Administration (Nasa) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zeigen: Deutschland verliert jährlich 2,5 Kubikkilometer Süßwasser. Jay Famiglietti, Global Institute for Water Security in Kanada


Klimawandel: Deutschland mit hohen Wasserverlusten

Damit gehöre Deutschland "zu den Regionen mit den höchsten Wasserverlusten", so Famiglietti. Selbst für den erfahrenen Forscher sei das "eine schockierende Überraschung" gewesen. Weltweit haben ihn die "klar definierten Muster" überrascht:

Die Regionen der hohen und niedrigen Breitengrade, also die feuchten Gebiete, werden immer feuchter und die mittleren Breiten, also die bereits trockenen Gebiete, werden immer trockener.
Jay Famiglietti, Global Institute for Water Security in Kanada

Wie viel Trinkwasser verbrauchen wir in Deutschland?

Doch warum wird Süßwasser überhaupt knapp? Am privaten Verbrauch zu Hause liegt es nicht. Tatsächlich hat der Trinkwasserverbrauch in deutschen Haushalten in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betrug der tägliche Verbrauch pro Haushalt im Jahr 1990 noch 147 Liter, heute liegt er bei 127 Litern.


Gründe dafür: sparsamere Haushaltsgeräte und ein bewussterer Umgang mit der Ressource Wasser. Wer also trinkt, kocht oder seine Kleidung wäscht, benötigt Wasser - das bezeichnen Expert*innen als "direkten Wasserverbrauch". Und der trägt nur zu einem geringen Teil zur Wasserknappheit bei.


Das Problem ist die "indirekte oder virtuelle Wassernutzung". Dahinter steckt die Wassermenge, die für die Herstellung eines Lebensmittels oder Produkts verwendet, verdunstet oder verschmutzt wird. Wir exportieren mit unserem Konsum quasi die Umweltprobleme in die Herstellungsländer der wasserintensiven Produkte wie Kaffee, Fleisch oder Technik.


Wie viel an Wasser eine Person nun tatsächlich - also direkt und indirekt - benötigt wird, erfassen Fachleute mit dem Indikator "Wasserfußabdruck". Der erschreckende Befund für Deutschland: Laut einer Studie der Technischen Universität Berlin im Auftrag des Umweltbundesamts sind das pro Kopf 7.200 Liter täglich (Stand: 2022) - so viel wie 48 gefüllte Badewannen.


Wer sind die größten Verursacher von Wasserknappheit?

Im Gespräch mit ZDFheute ermahnt Forscher Famiglietti die Industrie. Sie sei der weltweit größte Wasserverbraucher. Über 80 Prozent aller Wasserentnahmen entfallen auf sie, insbesondere auf die Lebensmittelindustrie.


Um die Wassersicherheit in Deutschland und weltweit zu verbessern, sind ein starkes Engagement der Industrie und ein neues Maß an Wasserverantwortung der Unternehmen unerlässlich.
Jay Famiglietti, Global Institute for Water Security in Kanada


Zeitgleich verstärkt die Klimakrise mit ihren Folgen die Wasserknappheit:

  • Trockene Regionen werden noch trockener.
  • Steigende Temperaturen führen zu einem erhöhten Wasserbedarf in der Landwirtschaft.
  • Wetterextreme machen die Niederschläge unberechenbarer. 
  • Naturkatastrophen beschädigen die Wasserinfrastruktur. 
  • Überflutungen verseuchen Wasservorräte. 

Aber auch die wachsende Weltbevölkerung ist ein Grund. Mit ihr steigt selbstverständlich der Bedarf an sauberem Trinkwasser und Lebensmitteln, die bewässert werden müssen.


Wann könnte Trinkwasser in Deutschland knapp werden?

Das "Wann" festzulegen, sei schwierig, stellen Famiglietti und die deutsche Umweltwissenschaftlerin Claudia Pahl-Wostl übereinstimmend gegenüber ZDFheute fest.

Der Zeitpunkt sei von einer Reihe von Faktoren abhängig:

- genaue Ausprägungen des Klimawandels in den nächsten Jahren
- Maßnahmen zur Sicherung der Wasserversorgung (z.B. nationale Wasserstrategie)
- Umgang mit Nutzungskonflikten

Laut Claudia Pahl-Wostl "wird es sehr wahrscheinlich", dass es schon in den nächsten Jahren "Nutzungskonflikte zwischen der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung, Bewässerung in der Landwirtschaft sowie gewerblicher und industrieller Wassernutzung" geben wird. "Ich gehe einmal davon aus, dass dabei der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung Priorität eingeräumt wird."


Ebenso sei eine regional und zeitlich beschränkte Wasserknappheit "im Sommer in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich".

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