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Mission in Lapisblau

Mission in Lapisblau

Die Moderatorin und DJane Wana Limar weiß, wie man Menschen unterhält. Mit ihrer Schwester hat sie jetzt ein Schmucklabel gegründet, das Frauen zu Goldschmiedinnen ausbilden will – in Afghanistan.

Soraya Tarzi war eine ungewöhnliche Frau ihrer Zeit. Die Tochter eines afghanischen Intellektuellen heiratete 1913 Prinz Amanullah Khan, der sechs Jahre später König Afghanistans wurde. An seiner Seite wurde Soraya zur damals wichtigsten weiblichen Persön- lichkeit der Region, gründete die erste Mädchenschule in Afghanistan, schickte Frauen zu Fortbildungen ins Ausland, schuf die erste afghanische Frauenzeit- schrift. Ihren Mann begleitete Soraya bei offiziellen Anlässen, manchmal auch zu Kabinettssitzungen. So manchen über- forderte das progressive Paar: 1929 wurde der reformfreudige König zur Abdankung gezwungen, das Paar ging ins Exil. 1968 starb Soraya in Rom.

Nach eben dieser Soraya ist ein Ent- wurf der zweiten Kollektion von Sevar Studios benannt: kleine Kreolen mit strukturierter Oberf läche aus vergoldetem Silber mit dunkelblauen Lapislazuli- Steinen. Dazu gibt es einen passenden Armreif, das Modell „Rabia“, benannt nach Rabia Balkhi, die im 9. Jahrhundert als erste auf Farsi dichtende Frau auch in Afghanistan berühmt wurde. Über die Namen von Schmuckstücken unaufdringlich über ein Land zu erzählen, das viele mit Krieg und Frauenunterdrückung assoziieren, ist eines der Vorhaben der Schwestern Wana und Hila Limar.

Ende 2020 gründeten die beiden Sevar Studios, ein Label, das für mehr stehen soll als schönen Schmuck. Ent- worfen werden die Stücke in Berlin und Hamburg. Hergestellt werden sie schon heute in einer Werkstatt in Kabul, aus Gold, Silber und Lapislazuli. Das Ziel: Junge Frauen sollen dort die Ausbil- dung zur Goldschmiedin absolvieren. Erhältlich sind die Stücke über den deutschen Onlineshop Folkdays. Der Erlös des Schmucks f ließt in das Ausbildungsprogramm.

Im Shop und auf Instagram inszenie- ren die Schwestern ihre zeitgemäß- schlichten und zugleich auf traditionel- lem Handwerk basierenden Entwürfe in klarer, reduzierter Bildsprache jenseits von Folklore. Als Models sind sie selbst zu sehen. „Afghanistan ist mehr als nur Terror und Krieg“, sagt Hila Limar über ihr Geburtsland. 1990 f lohen die Eltern der heute 36-Jährigen mit ihr und der fünf Jahre jüngeren Schwester Wana nach Deutschland; die ersten Jahre verbrachte die Familie in einer Hamburger Flüchtlingsunterkunft.

Eigentlich ist es ein widersprüchliches Unterfangen: die eigene Fluchterfahrung und jene anderer Menschen in Kombina- tion mit Schönheits-, Mode- und Pop- kultur und einem Hauch Selbstironie zu thematisieren. Wana Limar gelingt das aber seit zehn Jahren – zumindest auf den ersten Blick betrachtet – spielend. Als MTV-Moderatorin und DJane wurde sie, die heute in Berlin lebt, bekannt. Immer wieder tritt sie bei Aktionen gegen Rassismus in Erscheinung, ist Mitglied der Hilfsorganisation Visions for Children. Die Vorsitzende des Vereins, der sich der Förderung von Schulbildung in Kriegs- und Krisenregionen widmet, ist seit 2018 ihre in Hamburg lebende Schwester Hila. Für den Posten gab sie ihre Arbeit als Architektin auf.

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