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Stereotype in Inszenierungen: Rollentausch

Die Bühne ist in Dunkelheit gehüllt, nur ein Lichtkegel fällt auf die weibliche Gestalt in dem langen weißen Kleid mit dem üppigen Federkopfschmuck. So reduziert bleibt das Bühnenbild während der gesamten „Salome"-Inszenierung an der Frankfurter Oper unter der Regie von Barrie Kosky. „Es geht um Beobachtung, Nähe und Distanz", erklärt Katrin Lea Tag, verantwortlich für Kostüme und Bühne. Im Zentrum stehe Salome, die ihre Umwelt beherrsche. Das tut sie mal mondän, etwa in einem mit unzähligen, das Licht reflektierenden Glassteinen bestickten Kleid, mal mädchenhaft, meist barfuß, oft tanzend. Nur beim „Tanz der sieben Schleier" sitzt diese Salome auf dem Boden. Ganz ohne Schleier.


Traditionell inszeniert gilt diese Szene aus Richard Strauss' Einakter vielen als prägnantes Beispiel für Orientalismus in der Oper. Die gefühlsgetriebene Salome passt in das Bild, das sich Europa seit dem 18. Jahrhundert dank Werken wie Antoine Gallands Übersetzung „Les Mille et Une Nuits", Victor Hugos Gedichtzyklus „Les Orientales" und Eugène Delacroix' Gemälde „Femmes d'Alger dans leur appartement" vom „Orient" machte. 1978 prägte Edward Said mit dem Begriff des „Orientalismus" die These, dass dieser Fantasie-Ort und seine Protagonisten vor allem der Selbstvergewisserung des Westens und seiner Erhebung über „die Anderen" dienten. Auch Guiseppe Verdis „Aida" und Giacomo Puccinis „Madame Butterfly" wird immer wieder Orientalismus attestiert.


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