10 Abos und 11 Abonnenten
Artikel

Kooperationshype in der Mode: Kreuzungsschema

"Es ist vorbei." So beendete 1983 Ira Neimark, damals Geschäftsführer von Bergdorf Goodman, die langjährige Zusammenarbeit zwischen dem Luxuskaufhaus und Halston, seit den Sechzigerjahren einer der erfolgreichsten Designer der USA . Halstons Vergehen: Er war ein Visionär. 1983 hatte er eine Linie für den Discounter JC Penney entworfen. Luxus für die breite Masse war so gar nicht nach dem Sinn von Bergdorf Goodman, wo Halstons Mode bis dato teuer verkauft wurde. In der "New York Times" erklärte Neimark damals: "Wir haben beschlossen, dass Designer und Händler entscheiden müssen, wer ihre Kunden sind (...). Halston hat seine Entscheidung getroffen - und wir die unsere."

35 Jahre später verbannt kein Nobelkaufhaus mehr die Mode eines Designers aus dem Sortiment, weil er oder sie auch für günstige Ketten oder Streetwear-Marken entwirft. Heute suchen die teuersten Marken geradezu die Nähe von Anbietern sportiver Alltagskleidung: Louis Vuitton kooperierte mit Supreme, Fendi mit Fila, Ralph Lauren mit Palace: Je weniger zwei Unternehmen in Sachen Stil und Preis verbindet, desto besser, scheint es.

H&M hat das Prinzip seiner seit 18 Jahren jeden Herbst in die Filialen kommenden Designerkollektionen derart institutionalisiert, dass im "Telegraph" schon von der "designer collaboration season" die Rede war. Wie bei den H&M-Editionen geht es darum, Luxusmarken nahbar zu machen, allerdings anders als beim schwedischen Modekonzern, der einmal im Jahr Designermode zu vergleichsweise günstigen Preisen anbietet. Bei der Zusammenarbeit von Luxusmarken mit Sportartiklern geht es darum, alte Marken jungen Menschen näherzubringen.

Der Flirt zwischen der alten und der neuen Welt funktioniert, weil gehypte Designer wie der aktuelle Kollaborations-König Virgil Abloh - von Rollkoffer bis Ikea-Möbel hat er alles mit seinem Namen versehen - offenbar besser verstehen, was junge wie reiche Zielgruppen wollen. Logos sind wichtiger als edle Materialien oder gute Verarbeitung. Wiedererkennbarkeit geht vor Handarbeit.

Das Gespür dafür ist wichtig für weiteres Umsatzwachstum. Laut der Beratungsfirma Bain & Company werden die sogenannten Millenials und die Generation Z bis 2025 rund 45 Prozent des Umsatzes des weltweiten Luxusmarktes generieren. Vor diesem Hintergrund wirkt die Entscheidung, den Autodidakten Abloh 2018 zum Designer der Herrenlinie von Louis Vuitton zu ernennen, dann auch nicht mehr merk-, sondern denkwürdig.

Pro Kunde nur ein Teil

Das Geschäft läuft außerdem, weil für viele junge Menschen Luxus nicht mehr nur etwas mit dem Preis zu tun hat. In einer Zeit, in der alles rund um die Uhr online verfügbar ist, gilt als luxuriös, was schwer zu kriegen ist. Und genau das sind die in limitierter Auflage und nur für begrenzte Zeiträume in ausgewählten Filialen oder extra eingerichteten Pop-up-Stores erhältlichen Sondereditionen.

Die gemeinsame Kollektion von Louis Vuitton und Supreme etwa wurde 2017 weltweit in nur acht Läden verkauft. Von Paris bis Peking standen Tausende Schlange. Die Verkaufsstarts der Kollektiv-Kollektionen werden zu regelrechten Events, bei denen meist dieselben Regeln gelten: Jeder Kunde bekommt nur eine gewisse Zeit im Laden zugestanden und darf von jedem Teil nur jeweils ein Exemplar erstehen.

Erfolgreiche Shoppingtouren werden anschließend gefeiert: Fotos davon samt der meist extra designten Tüten werden wie Trophäen auf Instagram gepostet. In ist, wer drin war. Das ist gute PR für alle Beteiligten. Wenn es funktioniert.

Große Namen, große Überraschungen

2017 entwarf der eher unbekannte Erdem Moraliolu die H&M-Designerkollektion. Der ganz große Hype blieb aus. Um erfolgreich zu sein, muss eine Kollaboration entweder mit richtig großen Namen aufwarten oder so überraschend sein, dass man gar nicht anders kann, als hinzuschauen.

So wie Mitte Oktober, als das für Leder- und Pelzmode bekannte Traditionsunternehmen Fendi und der Sportartikelhersteller Fila eine Kollektion präsentierten. Das Logo, in dem die Namen beider Labels miteinander verschmelzen, stammte vom britischen Instagram-Künstler Hey Reilly. Er hatte sich einen Namen gemacht, indem er auf der Fotoplattform berühmte Markenlogos neu zusammenfügte. Seine optische Fusion aus Fila und Fendi gefiel Silvia Venturini Fendi so gut, dass sie die Initiative zu der unerwarteten Dreier-Kollaboration ergriff.

Ein kluger Schachzug, um auch die sportaffine, auf Themen wie Nachhaltigkeit bedachte Millenial-Generation, die mit Pelz oder Leder nicht allzu viel anfangen kann, als Fendi-Kundengruppe zu gewinnen. Womöglich hörten die ganz jungen Kunden durch die Zusammenarbeit mit ihrer Lieblings-Schuhmarke überhaupt zum ersten Mal von Fendi.

Dass Traditionshäuser mit Sport- und Skatermarken gemeinsam erfolgreich Sache machen, zeigt auch den Verfall klassischer Dresscodes. Früher hätte ein Ausflug in den Skaterpark mit Louis-Vuitton-Tasche mindestens mit Gelächter, womöglich auch mit dem unfreiwilligen Verlust des Statussymbols geendet, das eher für Snobismus stand als für Street Credibility. Seit neben dem LV-Logo auch der Supreme-Schriftzug prangt, ist das vorbei - und die Zielgruppe größer und jünger als je zuvor.

Zum Original