10 Abos und 11 Abonnenten
Artikel

Darf's ein bisschen mehr Orient sein?

Darf's ein bisschen mehr Orient sein?

Als "großes Ding" und "neuer Statement-Schuh" wird er gefeiert. Der Sommer 2016 ist für die Mode jener des Babouche. Der flache Schuh erinnert an klassische Slipper. Die extrem spitz zulaufende Form und die offene Ferse aber lassen sofort erkennen, dass marokkanisches Handwerk Vorlage für die Entwürfe von Labels wie Céline und Acne Studios war. Wer jemals im Urlaub einen Markt in Marrakesch oder Agadir besucht hat, kennt die hohen Wandregale voll bunter Lederpantoffeln, die auch noch ein hervorragendes Fotomotiv abgeben.

Nun also gilt dieser traditionelle marokkanische Schuh als Trend des Sommers. Darüber, wie kleidsam er tatsächlich ist, lässt sich streiten. Darüber aber, dass der Babouche exemplarisch für ein Phänomen steht, das jedes Jahr mit den ersten Sonnenstrahlen wiederkehrt, kann es keinen Dissens geben: Im bunt gemusterten Gewand des sogenannten Ethno-Looks, einem konfusen Mix aus asiatischen und afrikanischen Elementen, also aus dem, was man gemeinhin als orientalisch bezeichnet, kommen auch arabische Einflüsse heute als ganz selbstverständlicher Teil unserer Alltags-Ästhetik daher.

"Der Orient in der Mode ist keine geographisch definierte Einheit, sondern eher eine Projektionsfläche für Phantasien und Sehnsüchte des Westens", sagt Antonella Giannone, Professorin für Modetheorie, - geschichte und Bekleidungssoziologie an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Diese Sehnsüchte sind nahezu grenzenlos: China, Japan, Indien, die arabischen Länder, aber auch das subsaharische Afrika fallen unter den vagen Orient-Begriff.

(...) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31. Juli 2016, Nr. 30, Seite 14 / Leben