Katharina Nickel

Online-Journalistin & Medienmanagerin , Berlin

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Die App HiMate schafft Begegnungen mit Geflüchteten außerhalb von Heimen

Per Gutschein-App will das Team von HiMate Begegnungen mit Flüchtlingen schaffen

Ein gutes Produkt löst ein großes Problem, lautet eine Startup-Weisheit. WIRED stellt regelmäßig Unternehmen, Menschen und Ideen vor, die diesem Grundsatz folgen - Problem Solver eben. Diesmal: HiMate will über eine Gutschein-App Unternehmen unbürokratisch mit Geflüchteten zusammenbringen.


Das Problem? Zahlreiche Initiativen und Unternehmen engagieren sich dafür, die mehr als eine Million mittlerweile in Deutschland lebenden Flüchtlinge in die Gesellschaft ihrer neuen Heimat zu integrieren. Doch Spenden und Integrationsangebote gelangen meist nur über langwierige bürokratische Prozesse an die Geflüchteten selbst. Um etwa herauszufinden, welche Sachspenden wo benötigt werden, fehlt häufig der richtige Ansprechpartner und vor allem eine zentrale Organisations- und Verteilungsstruktur.

Zudem ist die Kommunikation zwischen den Geflüchteten und kulturellen Anbietern in Deutschland meist unzureichend. Es mangelt an Möglichkeiten zu einem Kontakt zwischen den Lebenswelten, der sich nicht auf Behördenfluren oder in Flüchtlingsunterkünften abspielt.


Die Lösung? HiMate will die bürokratischen Hürden beseitigen, indem es Menschen und Unternehmen per App zusammenbringt. Zu diesem Zweck bietet das Startup kostenlose Gutscheine und Tickets an, etwa für Kinobesuche, die Mitgliedschaft im Fußballverein, Sprachkurse und Ausbildungsangebote. Diese werden von Firmen gespendet. Vom kleinen Kiosk bis zum Großkonzern kann jedes Unternehmen teilnehmen und mit seinen gespendeten Erlebnissen an der Integration von Flüchtlingen mitwirken.


Noch arbeitet das Team von HiMate ausschließlich in Berlin. Anbieter wie die Yorck-Kinogruppe, das Theater Chamäleon, der Basketballverein Alba Berlin und die Werkstatt der Kulturen sind ebenso dabei wie eine Stadtführung von Geflüchteten durch Berlin-Neukölln und ein Gutschein für die Rollerdisco im Club SO36. Die Flüchtlinge reservieren sich die Spenden online, Website und App sind auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Farsi verfügbar. Dann erhalten sie einen Code auf ihr Smartphone oder den Computer, den sie vor Ort einlösen können. Dort wird die Identität des Abholers anhand seiner Papiere kontrolliert.


Als „kleine Momente der Freude und Teilhabe" bezeichnet HiMate das, was seine Plattform anbietet. Die Geflüchteten würden so von passiven Spendenempfängern zu aktiveren Mitgliedern der Gesellschaft. Und nicht nur zwischen Flüchtling und Anbieter entstehe eine neue Bindung, sondern auch zwischen den Geflüchteten selbst, die die Angebote nutzen. Nach eigenen Angaben kann HiMate schon mehr als 200 Freikarten pro Woche anbieten und mehr als 6000 Menschen in ganz Berlin erreichen.


Wer steckt dahinter? Einer der Initiatoren ist Andreas Müller, Absolvent der renommierten WHU School of Management. Neben seinem Engagement für HiMate arbeitet er beim Berliner Startup Käuferportal. Bisher besteht das Team von HiMate aus einem hauptamtlichen Geschäftsführer und mehr als 25 Ehrenamtlichen, darunter Unternehmer und Experten aus Bereichen wie Unternehmensgründung, Finance, Produktentwicklung und Sales. Einige der Mitarbeiter sind selbst Geflüchtete und als Botschafter in den Unterkünften unterwegs, um HiMate bekannter zu machen, als Dolmetscher Gespräche zu betreuen und Feedback einzuholen.


Mitte Oktober startete außerdem eine Crowdfunding-Kampagne, mit der schon mehr als 15.000 Euro eingenommen werden konnten. Das Ziel sind 25.000 Euro, mit denen, das Unternehmen finanziell und personell wachsen soll. Bis zum 6. Dezember hat HiMate dafür noch dafür Zeit.


Wer glaubt daran? Zwei Kooperationspartner haben das Team von HiMate wesentlich unterstützt: Das Venture-Capital-Unternehmen Project A und die IT-Dienstleistungsfirma Delodi. Sie sind hauptsächlich für die Entwicklung der App zuständig und haben dem Startup Mitarbeiter zur Verfügung gestellt. Einige der freiwilligen Helfer gehören zudem wie gesagt selbst zur Zielgruppe, kommen aus dem Irak, Syrien und Afghanistan. Außerdem belegte HiMate beim diesjährigen Gründerwettbewerb SocialPitch@Sens der WHU den ersten Platz.


Braucht man das wirklich? Die Idee von HiMate ist durchaus sinnvoll. Für Unternehmen und Geflüchtete bietet die Plattform zwei Dinge: nahezu unbegrenzte Reichweite und wenig Aufwand. Dadurch, dass Flüchtlinge selbst in das Projekt involviert sind, könnten mögliche Berührungsängste abgebaut werden und die Geflüchteten gleichzeitig aus der Isolation ihrer Unterkünfte herauskommen. Und nicht zuletzt fördern Kultur- und Freizeitaktivitäten das Gemeinwohl. So kann es auf dem Fußballplatz, im Kino oder bei der Musikstunde zu echten menschlichen Begegnungen kommen, die sonst nicht so einfach stattfinden würden - vorausgesetzt beide Seiten lassen sich darauf ein.


Wie geht es weiter? HiMate befindet sich derzeit noch in einer offenen Testphase. Wenn die Crowdfunding-Kampagne erfolgreich sein sollte, werden das Netzwerk im Unternehmensbereich sowie der Kontakt zu Flüchtlingsheimen künftig weiter ausgebaut. Der aktuelle Spendenstand liegt schon über der Schwelle, mit der immerhin zwei Vollzeitstellen finanziert werden können. Trotzdem werden noch weitere 10.000 Euro benötigt, um das Wachstum zu garantieren und mit einem Programmierer die App weiterzuentwickeln. Mitte 2017 soll HiMate auch deutschlandweit verfügbar sein. Und dann soll es sich auch von einer reinen Gutschein-App zu einer Plattform für Geflüchtete entwickeln, die etwa ein Jobportal bietet und sich über Werbeeinnahmen langfristig finanzieren lässt.

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