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Schwimmer Alex: „Wettkämpfe sind unfassbar wichtig für uns “


Ein Schwimmer ohne Schwimmbad? Hilflos. Schwimmtraining ohne Wettkämpfe? Ernüchternd. Der 19-jährige Alex ist einer von vielen jungen Athlet*innen, denen der aktuelle Corona-Lockdown sehr zusetzt. Bei FITBOOK erzählt der Marburger, wie sich der lange Sportverzicht auf seine mentale Gesundheit, seine Ziele und seine Motivation auswirkt.

„Ich schwimme seit 13 Jahren oder anders gesagt: Ich habe zwei Drittel meines bisherigen Lebens schwimmend verbracht. Vor dem Lockdown habe ich fünfmal die Woche trainiert. Mein Alltag war klar strukturiert: Schule, danach ging es ins Schwimmbad, in den letzten Jahren bin ich zusätzlich noch ins Fitnessstudio gegangen.

2018 bin ich bei den Süddeutschen und Deutschen Meisterschaften gestartet, 2019 habe ich bei den hessischen Meisterschaften zweimal Gold und zweimal Silber gewonnen und durfte in Berlin beim FINA Worldcup mitschwimmen. Das waren krasse Erfolge für mich. Und ich wusste: Jedes Training hat mich zu dem gemacht, was ich in diesen beiden Jahren erreicht habe.

Anfang 2020 dachten mein Trainer und ich, dass das jetzt nochmal mein Jahr werden könnte. Dass ich mit intensivem Training ähnliche Erfolge einfahren könnte. Dann kam Corona - und damit sind alle Pläne einfach untergegangen.

Der Lockdown trifft Schwimmer hart

Auch mental musste ich mit dem veränderten Alltag zurechtkommen. Ich habe mir vor der Pandemie nie vorgestellt, wie es wäre, von jetzt auf gleich mit dem Schwimmen aufzuhören. Hätte ich die Entscheidung getroffen, hätte ich das ja schrittweise minimiert. Von fünfmal die Woche zu viermal, dreimal, zweimal ...

Schwimmer Alex „Es ist alles weg, was ich mir über die vergangenen Jahre antrainiert habe"

Seit Mitte Januar darf ich wieder schwimmen, weil ich durch meine Leistungen zum hessischen Kader gehöre. Dreimal die Woche, 2:15 Stunden. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, endlich ins Wasser zurückzudürfen. Aber es ist extrem anstrengend, wieder reinzukommen. Was man über den Schwimmsport verstehen muss: Einfach da anknüpfen, wo man aufgehört hat, ist unmöglich. Alles baut auf einem regelmäßigen Training auf. Ich werde Monate brauchen, wahrscheinlich ein halbes Jahr, bis ich wieder auf dem Stand von früher bin. Es ist alles weg, was ich mir über die vergangenen Jahre antrainiert habe. Ich war so gut dabei... und wurde dann von ganz oben komplett auf 0 herunter katapultiert.

Die aktuelle Situation stellt mich vor die Entscheidung, wie ich weitermache. Ob ich auf den Stand zurückkomme, den ich vor der Pandemie hatte, ist fraglich. Außerdem bin ich jetzt in einem Alter, in dem ich „offen" gewertet werde: Beim Schwimmen geht es nämlich um Jahrgangswerte. Weil ich mittlerweile 19 bin, werde ich mit allen anderen Jahrgängen zusammen gewertet. Es wird nach der langen Pause verdammt schwierig werden, mit den jüngeren Schwimmern mitzuhalten.

„Jetzt trainieren wir - aber für was?" Lockdown-Training: Im Kader statt mit der eigenen Mannschaft

Ich nehme natürlich trotzdem jedes Training mit und will mich Schritt für Schritt wieder aufbauen. Aktuell trainiere ich nicht mit meinem eigenen Verein, mit denen ich sonst so viel Zeit verbracht habe. Ich trainiere mit den besten Schwimmern aus Hessen. Das ist anders, anstrengender, es wird mehr Disziplin gefordert. Klar kennt man die Namen und Gesichter der anderen von Wettkämpfen, aber privat habe ich mit denen nichts zu tun. Man trifft sich in der Schwimmhalle und geht direkt wieder. Die soziale Komponente, die ich jahrelang im Verein gespürt habe, ist nicht mehr vorhanden. Ich darf gerade auch nicht mit meinem eigenen Trainer arbeiten, ich werde von einem anderen trainiert. Den kenne ich zwar, aber nicht so gut, dass es keine Umstellung wäre.

Unabhängig von meinen eigenen Leistungen wünsche ich mir, dass wieder mehr Leute die Möglichkeit hätten, zu schwimmen. Ich finde es unfair, dass gerade nur die Besten trainieren dürfen. Es gibt so viele aus meiner Mannschaft, die auch auf Wettkampf-Niveau schwimmen und hart trainieren, aber einfach nicht ganz so schnell sind wie ich. Dass denen gerade jegliche Möglichkeit genommen ist, tut mir echt leid. Denn bis die wieder ins Wasser dürfen, wird es, glaube ich, noch lange dauern."

Wie Sie sehen, ist es keine einfache Situation für einen Schwimmer im Lockdown - nicht nur für seine Fitness, sondern speziell in Bezug auf die mentale Gesundheit, seine Ziele und Hoffnungen. Vielleicht gibt Ihnen dieser persönliche Einblick ein bisschen Mut und Inspiration für Ihren eigenen Kampf mit den Lockdown-Restriktionen. Stay strong!  Zum Original