Sie gilt als Rosa Parks der LGBTQ-Community: die US-amerikanische Dragqueen Marsha P. Johnson. Die Schwarze trans* Frau setzte sich ihr Leben lang fürLGBTQ-Rechte ein und war maßgeblich am Stonewall-Aufstand von 1969 beteiligt.
Marsha P. Johnson wurde 1945 als Malcolm Michaels in New Jersey geboren, 1963 zog sie von New Jersey ins New Yorker Schwulen- und Lesbenviertel Greenwich Village - mit nichts als einem Beutel Klamotten und 15 US-Dollar in der Tasche.
Dort machte sie, als erste Dragqueen überhaupt, wie sie später selbst sagte, auf sich aufmerksam. Denn Marsha war eine Erscheinung: Sie trug glitzernde Kleider, exzentrische Hüte aus Blumen, Federn und künstlichen Früchten, viel Schmuck, extravagante Mäntel und oft knallrote High Heels. Nur hin und wieder nahm sie noch ihre männliche Identität Malcolm Michaels an. Das P. in Marsha P. Johnson erklärte sie, darauf angesprochen, immer mir "Pay it no mind" - auch, um die häufige Thematisierung ihrer geschlechtlichen Identität ins Lächerliche zu ziehen.
Schnell wurde die Dragqueen und Sexarbeiterin zu einer beliebten Figur der New Yorker Schwulen- und Kunstszene - vor allem, weil sie sich mit Feuer und Flamme aktivistisch für die Rechte der LGBTQ-Community und für obdachlose Jugendliche einsetzte. Sie war eine der "Street Queens", die im Juni 1969 wesentlich zum Ausbruch der Stonewall-Unruhen beigetragen haben: Viele Mitglieder der LGBTQ-Community sehen in Marsha sogar diejenige, die damals den ersten Ziegelstein oder das erste Schnapsglas geworfen hat, was die Unruhen auslöste. Marsha selbst erklärte zwar immer wieder, sie sei erst an der Bar angekommen, als die Unruhen bereits in vollen Gang waren - trotzdem wird ihre Rolle als eine der auslösenden Akteurinnen bis heute gefeiert, vor allem, weil sie im Anschluss an die Razzia immer wieder Protestmärsche mit organisierte, die 1970 zur ersten Gay-Pride führten.
Zusammen mit ihrer besten Freundin, der Latina und trans* Aktivistin Sylvia Rivera, gründete sie im selben Jahr die Organisation S.T.A.R. (Street Transvestite Action Revolutionaries), sie war außerdem Gründungsmitglied der politische Lesben- und Schwulengruppe Gay Liberation Front und Mitglied von Act Up, einem Verband, der Lobby-Arbeit für die Bekämpfung von Aids machte.
In einem Interview von 1972 sagte Johnson, ihr Ziel sei es, queere Menschen befreit und frei zu sehen - und dass diese die gleichen Rechte haben müssten, die andere Menschen in Amerika hätten. Mit diesem Aktivismus war Marsha in den Siebzigern eine der lautesten Stimmen der LGBTQ-Bewegung - womit sie sich Bewunderer wie Feinde machte.
Zu ihren Bewunderern zählte zum Beispiel auch Andy Warhol: Fasziniert von Johnsons extravagantem Stil und ihrer Bekanntheit als Aktivist*in, bat er sie 1975, Teil seines Polaroids-Portfolios "Ladies and Gentlemen" zu werden. Warhol schoss für die Serie Siebdrucke von Dragqueens und der trans* Community im New Yorker Nachtclub "Gilded Grape". "Ich war niemand, niemand aus Niemandsstadt, bis ich Dragqueen wurde", sagte Marsha 1992 in einem Interview.
Doch Marshas Kampf für LGBTQ-Rechte fand im Sommer 1992 ein jähes Ende: Am 6. Juli wurde sie mit gerade mal 46 Jahren tot im Hudson River aufgefunden. Ihr Tod wurde damals von der Polizei als Suizid eingestuft - ein Umstand, den ihre Freunde und Bekannte allerdings nicht glauben konnten. Sie beschrieben die Aktivist*in als lebensfrohen, strahlenden, starken Menschen und waren sich sicher, dass es sich bei ihrem Tod um Mord handelte. In den Tagen nach ihrem Tod zogen deshalb viele ihrer Wegbegleiter*innen durch die Straßen, um gegen die vorschnelle Einstufung als Selbstmord zu protestieren. 2002, erst zehn Jahre nach ihrem Tod, wurde die Einstufung rückgängig gemacht und der Fall als "ungeklärt" deklariert - aber bis heute weiß niemand, was in der Juli-Nacht des Jahres 1992 tatsächlich passiert ist.
Für trans* Aktivist*innen weltweit ist Marshas Fall deshalb bis heute von großer, exemplarischer Bedeutung: Schließlich galt sie als Ikone, sie ist maßgeblich daran beteiligt, das wir heute, fast 30 Jahre nach ihrem Tod, jährlich in vielen Ländern weltweit Pride feiern (können). Sie war nicht nur im Greenwich Village sondern weit über die Grenzen New Yorks bekannt. Und trotzdem bemaß weder die Polizei noch die Justiz ihrem Tod besondere Aufmerksamkeit - eine Ignoranz, der sich bis heute trans* Menschen weltweit ausgesetzt sehen: Die wenigsten Morde werden aufgeklärt, unter welchen Umständen die Menschen starben und wer die Täter*innen sind, bleibt meist für immer ungeklärt.
Wer mehr über Marsha P. Johnson und ihren Aktivismus lernen möchte, kann sich zum Beispiel die 2017 auf Netflix erscheinende Dokumentation "The Death And Life Of Marsha P. Johnson" ansehen, auf YouTube gibt es eine Doku namens "Pay It No Mind - The Life and Times of Marsha P. Johnson" und auch CNN beschäftigt sich in " Marsha P. Johnson: The defender of transgender rights" mit der Geschichte der mutigen Aktivist*in.