Wenn ich schreiben würde, Akif Pirinçci äußert sich sexistisch über Frauen, weil er einen verdammt kleinen Schwanz hat und sich deshalb niemand von ihm vögeln lassen will, wäre der Aufschrei groß. Weil sich der Rechtspopulist wahrscheinlich in seiner Maskulinität angegriffen fühlen würde - und weil wir Frauen gelernt haben, dass es unfair und gemein ist, Männer auf ihre Penisgröße zu reduzieren. Denn über die scherzen Kerle nicht so gerne - dafür umso lieber über das Aussehen von Frauen*, über das sie denken, frei urteilen zu dürfen. Auch über Vergewaltigungen und Sexfantasien äußern sich Typen wie Akif Pirinçci mit Genuss - herabwürdigend und eklig und auf Kosten der Betroffenen.
Rechtspopulistische männliche Bubble diskutiert auf Facebook über "Fickbarkeit" Luisa Neubauers - sie klagt und gewinntEine dieser Betroffenen ist Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer: Wir ersparen euch an dieser Stelle den widerlichen Kommentar des Bloggers Akif Pirinçci, von dem er glaubte, er müsse ihn unter einem Foto auf Facebook posten, das die 24-Jährige zeigt. Ein rechter Politiker hatte es gepostet, um mit anderen Männern über das Aussehen der Klimaaktivistin zu "diskutieren". Nur so viel: Der Kommentar Pirinçci, wie so viele andere, war herablassend, herabwürdigend und widerlich. Der " Volksverpetzer" hat ausführlich berichtet.
Luisa Neubauer klagte deshalb gegen den 60-Jährigen - mit Erfolg. Sie hat eine einstweilige Verfügung gegen Pirinçci erwirkt, der jetzt außerdem vorläufig die Anwalts- und Gerichtskosten zahlen muss, wie die "Taz" berichtet. In einem zweiten Verfahren hat die Aktivistin zudem gegen Facebook gewonnen: Das Unternehmen wurde vom Landgericht Göttingen verpflichtet, die Daten des sexistisch beleidigenden Posts herauszugeben, der auf ihre Kosten veröffentlicht worden war.
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Warum wir über diese kleinen, umso wichtigeren Erfolge berichten müssenEin Erfolg, wenn auch nur ein kleiner - schließlich sieht sich Luisa Neubauer täglich mit frauenverachtendem, sexistischem Müll im Netz konfrontiert. Im Interview mit dem "Spiegel" sagt sie, seit sie sich öffentlich politisch äußere, wären sexistische Kommentare ein Dauerphänomen: "Sobald ich irgendwas auf Twitter oder Instagram poste, kommen nach wenigen Minuten die Hasskommentare." Ein Phänomen, dem sich so ziemlich jede Frau* konfrontiert sieht, die in irgendeiner Weise im öffentlichen Interesse steht. Weitere prominente Beispiele: Sawsan Chebli oder Aminata Touré.
Warum ist es wichtig, über gerichtliche Erfolge wie den von Luisa Neubauer zu schreiben - auch wenn es nur einer von Tausenden sexistischen Kommentaren war, mit denen sie sich konfrontiert sieht? Weil Sexismus 2020 kein Platz mehr in unserer Gesellschaft haben darf. Weil wir es nicht weiter stillschweigend als freie Meinungsäußerung tolerieren dürfen, wenn Frauen* auf ihre "Fickbarkeit" reduziert werden. Wenn sich Männer, ganz egal ob rechtspopulistisch, konservativ oder linksextrem, einen auf ihre "Späßchen" im Netz runterholen - weil sie sich in ihrer toxischen Maskulinität unantastbar fühlen.
Im Interview mit dem "Spiegel" sagt die Aktivistin selbst, dass sie sich auch juristisch gegen Hass-Postings wehre, um zu zeigen, dass unzulässige Posts rechtliche Konsequenzen haben können - und um die Politik zu kritisieren: "Online-Hass hat Folgen weit über das Internet hinaus", sagt Neubauer. "Wir reden hier nicht über einen Konflikt zwischen mir und dem Hater, sondern über strukturellen Frauenhass, Sexismus und Misogynie, die überall und immer radikaler zum Ausdruck gebracht werden." Dem kann und wollen wir nur zustimmen - und stehen in voller Solidarität mit der Aktivistin.