10 Abos und 3 Abonnenten
Artikel

Macron empfängt Kanzlerin: Die Konstante Angela Merkel

Angela Merkel ist wohl die bekannteste Deutsche in Frankreich, ihr Image im Nachbarland ist positiv. Foto: ZDF

Frankreichs Präsident Macron empfängt die Bundeskanzlerin zum Arbeitsessen - wohl das letzte Mal in ihrer Amtszeit. Eindrücke aus einem Land, das auf 16 Jahre Merkel zurückblickt.

Fragt man die Franzosen nach Deutschland und der Bundestagswahl, dann kommen schon mal ungewöhnliche Vergleiche zurück: Bundeskanzlerin Angela Merkel sei der Queen im Buckingham Palace gar nicht so unähnlich.

Das finden zumindest Mélanie und Quentin. Beide sind Anfang 20 und Teil der französischen Generation Merkel. Eine andere Bundeskanzlerin als Merkel kennen sie nicht. Und die Queen, die sei doch auch schon ewig an der Macht. Mélanie sagt:

Ich finde es gut, dass Merkel Hand in Hand mit Frankreich zusammengearbeitet hat. Frankreich und Deutschland sind doch die treibenden Kräfte in Europa.

Krisenherde im Mittelpunkt der Gespräche

Genau das will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der Welt noch einmal zeigen, wenn er Angela Merkel heute Abend zu einem Arbeitsessen im Elysée-Palast empfängt - dem wohl letzten ihrer Kanzlerschaft. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen die Entwicklungen in Afghanistan, Iran, Libyen, der Ukraine und Belarus.

Ebenfalls Themen sind die Verteidigungspolitik sowie die europäische Zusammenarbeit in Sachen Migration. Die Botschaft: Es geht ums Weiterarbeiten. Und auch wenn es in der Lesart des Elysée-Palastes bewusst kein Abschiedsbesuch der deutschen Kanzlerin sein soll, ist klar: Eine Ära geht zu Ende. Auch für die Franzosen.

Vier Präsidenten und eine Bundeskanzlerin

Denn Angela Merkel blieb, während in Frankreich die Präsidenten wechselten: Jacques Chirac dominierte noch als das deutlich ältere Staatsoberhaupt, Merkel war die unbekannte Frau aus Ostdeutschland. Mit dem konservativen Nicolas Sarkozy raufte sie sich nach einem holprigen Start zusammen - auf Arbeitsebene.

Schwieriger wurde es dann mit dem Sozialisten François Hollande, mit dem sich die CDU-Kanzlerin vor allem in der Eurokrise schwertat. Wirklich zusammen kam man erst wieder mit dem europafreundlichen Macron.

Merkel für Franzosen die "Referenz in Europa"

Bertrand Gallicher, Journalist und früherer Deutschland-Korrespondent des Radionetzwerks France Inter, erklärt, dass den Franzosen besonders die Jahre 2011 und 2015 in Erinnerung geblieben sind: Als Merkel nach Fukushima einen deutlichen Wandel ihrer Atom- und Energiepolitik verkündete, stieß das im traditionell atomfreundlichen Land auf Verwunderung bis hin zu deutlicher Kritik.

Und als die Kanzlerin über eine Million Geflüchtete einreisen ließ, verfolgten die Franzosen auch das aufmerksam.

Angela Merkel ist für die Franzosen die Stabilität, die Referenz in Europa. Ohne sie läuft in Europa nichts.

Bertrand Gallicher, Journalist

Macrons Grundsatzrede zu Europa

Wohl auch deshalb blickt die Macron-Regierung langsam etwas nervös nach Berlin: Zu gut erinnert man sich im Elysée-Palast an den 26. September 2017, als Macron an der Sorbonne seine Grundsatzrede zu Europa hielt. Das war zwei Tage nach der Bundestagswahl.

Aus Macrons Reformvorschlägen wurde nicht viel, denn Berlin war bis März 2018 mit Koalitionsverhandlungen beschäftigt: "Merkel ist Macrons Ideen nicht wirklich gefolgt. Die sind dann ins Wasser gefallen", sagt Gallicher dem ZDF.

Frankreich hofft auf rasche Regierungsbildung

Und so will Frankreich vor allem eine rasche Regierungsbildung: "Wichtig ist ein Partner, mit dem schnell zusammengearbeitet werden kann", sagt Politikwissenschaftlerin Cornelia Woll von Sciences Po in Paris. Schon jetzt gehe die Macron-Regierung davon aus, dass die Koalitionsverhandlungen in Berlin lange dauern werden. Dazu kommt: Ab Januar 2022 übernimmt Frankreich die europäische Ratspräsidentschaft - und im April 2022 findet im Land die Präsidentschaftswahl statt.

In dieser Phase braucht Frankreich einen deutschen Partner, der sehr schnell handlungsfähig ist.

Cornelia Woll, Politologin

Bis dahin verbleiben die Franzosen mit ihrer Bewunderung für die Person Angela Merkel. "Nun ja, meine politische Meinung hat sie nicht geteilt. Denn ich bin links und sie ist eine Konservative. Aber ich bewundere sie sehr. Sie ist eine große Frau", sagt etwa die Seniorin Elisabeth, die mit ihrem Mann in Paris unterwegs ist.

Die drei Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, Armin Laschet und Annalena Baerbock kennen nur die wenigsten in Frankreich. Im Gegensatz zu Merkel. Sie war einfach immer da.

Zum Original