Katharina Finke

Journalistin & Sachbuch-Autorin

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Mix ihn mit Melisse

Gin Tonic ist der beliebteste Longdrink weltweit - nun hat er in Berlin eine eigene Bar bekommen. Dort bekommt man den Wacholderbrand sogar mit Teebeutel-Aroma.


Die Bar liegt ein wenig versteckt im hinteren Gebäudeteil des Rocco & Sanny in der Friedrichstraße. Man erreicht sie entweder durch das Restaurant selbst oder durch einen separaten Eingang im Innenhof. Zur Eröffnungsfeier am vergangenen Samstag geht es über den Hof, so fällt der Blick auf die Glasvitrine am Eingang, in der verschiedene Gins, Tonic Water und Gin-Tonic-Gelees drapiert sind. Eines davon sowie einen Gin-Tonic-Teebeutel gab es mit der Einladung, die an Journalisten verschickt wurde.

Nach freundlicher Begrüßung wird man in den sogenannten „Private Room" geführt, ein schlicht dekorierter Ort mit langem schwarzen Holztisch in der Mitte, Kerzen und einem Spiegel, der den Raum größer wirken lässt. Er kann auch für private Veranstaltungen genutzt werden, erklärt eine junge Frau. Dann geht es in die Bar, nur ein wenig größer und für etwa 50 Personen ausgerichtet, sie wirkt dennoch intim. Das Ambiente ist klassisch und stilvoll: Holztresen, Ledersessel, dezentes Licht. Lounge-Musik mischt sich mit den Geräuschen der Barkeeper, die mit Zylinder, Weste und Schlips fast overdressed wirken.

Es erinnert an den amerikanischen Prohibition-Chic der New Yorker Speakeasies, Kneipen, in welchen trotz Verbot in den zwanziger Jahren Alkohol ausgeschenkt wurde.

Trinken, aber bitte mit Stil!

Wer sich hier ein bisschen aufhält, merkt, dass die Bar eher auf Brit-Chic, auf guten englischen Stil, setzt: Die Wände sind in dunkelgrünem Racing-Green gestrichen, der Barlampensockel ist eine grüne Tanqueray-No.-Ten-Flasche, in einer Ecke hängen ausgestopfte Enten, in der anderen Bilder mit englischen Gin-Tonic-Motiven.

Ein Foto zeigt die verstorbene Queen Mum mit ihrem Lieblingsdrink. Der stammt ursprünglich von den Engländern, die ihn während der Kolonialzeit in Indien tranken. Das Chinin aus dem Tonic sollte vor Malaria schützen, und Gin wurde beigemischt, um den bitteren Geschmack zu verbessern.

Inzwischen steht Gin Tonic für stilvolles Trinken. Das weiß auch Mario Grünfelder, er wirkt ein wenig verlebt mit grauem Bart, Locken, die unter seinem roten Baseballcape hervorblitzen, und tätowierten Armen. Der umtriebige Restaurant- und Barbetreiber (Rocco & Sanny, Amano Bar) hat gemeinsam mit Barszenenberater (Barkworkz) Bastian Heuser, der englischen Traditions-Gin-Marke Tanqueray und dem Berliner Bitterlimonaden-Hersteller Thomas Henry das Konzept entwickelt: Die erste Gin-Tonic-Bar Deutschlands. „Wir wollen dem Gin Tonic ein Denkmal setzen", sagt Grünfelder, „und ihn zeitgemäß präsentieren." Dazu gehöre nicht nur Gin Tonic auszuschenken, sondern auch einen Teebeutel ins Glas zu hängen.

„Es gibt nicht einfach DEN Gin Tonic", sagt Grünfelder. Die Zutaten - die Wachholderspirituose Gin und das chininhaltige Softgetränk Tonic Water, die über Eiswürfel in ein Glas gegeben und vorsichtig umgerührt werden - sind immer die gleichen, doch sie existieren in verschiedenen Arten. Gin gebe es beispielsweise mit mehr oder weniger Kräutern und Tonic Water mit mehr oder weniger Chinin-Anteil.

Die G&T Bar verfügt über eine Auswahl, die saisonal wechselt. „So kann sich jeder seinen persönlich bevorzugten Gin Tonic zusammenstellen", erklärt Grünfelder.

Das kommt bei den Gästen an, die sich nach dem Presseempfang an der Bar drängen. „Gin Tonic ist ein Klassiker", sagt einer zu seinem Freund. „Den vertrag ich gut", eine andere zu ihrer Bekannten. Sie will die Kopfschmerzen vertreiben, die sie vom Rosé-Rausch der vergangenen Tage hat. Sie gehören zu dem heterogenen Publikum ab Mitte 20, nur auf Zehn-Tage-Bart bei Männern und schwarzen Mascara bei Frauen konnte man sich wohl einigen. Gin Tonic lässt sich gemäßigt über den Abend trinken, wer nicht geladen ist, zahlt ab neun Euro pro Glas.

Inzwischen sind immer mehr Menschen bereit, das auszugeben. Laut den Machern liegt das an einer neuen Entwicklung auf dem Getränkemarkt, von dem auch sie profitieren. Wie beim Essen oder der Einrichtung besinnen sich Menschen wieder auf den Genuss. Das Wodka-Redbull-Flatrate-Saufen der neunziger Jahre in Großraumdiskos wird durch Gin-Tonic-Trinken in gepflegten Bars abgelöst. „Gin Tonic ist kein Partygetränk, sondern ein guter Begleiter für einen gediegenen Abend", erklärt Heuser. Doch auch Gin-Tonic-Traditionalisten sind offen für Innovation - mit dem Drink ihres Vertrauens. Teebeutel! Wenn man Gin mit Teeinfusionen versetzt, nimmt dieser den Geschmack an. „Alkohol hat nämlich die gleiche Wirkung wie heißes Wasser und entfaltet die Aromen des Tees", so Heuser.

100 Mischungen im Tea Lab

Anschließend wird das Glas mit Eis und Tonic aufgefüllt. Den Teebeutel könne man so lange im Glas lassen, wie man mag, je nach dem wie intensiv der Geschmack sein soll.

Sechs verschiedene Teesorten mit Aromen wie Eisenkraut, isländischem Moos, Hibiskus oder Melisse bietet die Bar - nur einige der mehr als 100 Teemischungen, die im Januar in einem „Tea Lab" von Bartendern aus ganz Deutschland entwickelt wurden. Mario Grünwälder hat diesen Trend in Spanien aufgespürt, dort besitzt er selbst weitere Gastronomiebetriebe. „Ich finde es toll, dass das Experimentieren mit Tee Gin Tonic zu einem individuellen Geschmackserlebnis verhilft, unsere Gäste können sich auf interessante Kreationen freuen", erklärt er werbewirksam.

An diesem Abend wird das verschieden empfunden: Manchen gehe dabei die Schlichtheit verloren, die meisten aber sind begeistert, dass man durch die Teebeutel den Geschmack selbst bestimmen kann und nicht auf die Dosierung des Barkeepers angewiesen ist - es gibt etwa mit Kräutern gefüllte Eiswürfel im Gin Tonic, in Deutschland sind diese wegen der Gesundheitsbestimmungen aber verboten. Gin Tonic und individuell sein - das geht in der G&T Bar, allerdings nur auf Zeit. Die Räume werden zwischengenutzt. Im Frühjahr nächsten Jahres soll aus dem Gebäude ein Hotel werden.

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