Medien, Messages und Mister X
Douglas Couplands Marshall-McLuhan-Biografie
Er erkannte als erster die Gefahren der Medien-Kultur. Marshall McLuhan gewann seine Erkenntnis nicht durch Feldforschung, sondern durch das Studium von Reformations-Pamphleten, der Zentralperspektive und James Joyces Roman "Finnegans Wake". Der Journalist und Dokumentarfilmer Douglas Coupland hat nun eine Biografie des Medientheoretikers veröffentlicht.
Mit seiner komplizierten Theorie wurde Marshall McLuhan schon in den 1980ern Teil der Populärkultur. Und auf genau dieses legendäre Filmzitat bezieht sich der Originaltitel einer ungewöhnlichen Biografie. Geschrieben hat sie der kanadische Kult-Autor Douglas Coupland, der mit seinem Roman "Generation X" zu Weltruhm gelangt ist. Auch als bildender Künstler hat Coupland einen Namen - und ist fasziniert von den prophetischen Gaben seines Landsmannes. Er zitiert McLuhan: "'Das neue Medium wird, in welcher Form auch immer, Fernsehen und Film miteinander integrieren. Es wird alle möglichen Informationen, die man in Bibliotheken oder Archiven findet, in kleine Einheiten aufteilen, die in die ganze Welt verschickt werden können: kostenlos oder gegen einen Preis.' Das ist das Internet, so funktioniert es. Und dieses Zitat stammt von 1962, geäußert von einem drögen kleinen Professor in Toronto: das ist wirklich erstaunlich", findet Coupland.
"Das 'Global Village' ist eine Welt, die nicht unbedingt von Harmonie geprägt ist", prophezeite McLuhan. "Denn jeder mischt sich in die Geschäfte und das Leben von jedem ein. Es ist eine Art Klatschkolumne in großem Stil. Das heißt, es bedeutet nicht unbedingt Harmonie, Ruhe und Frieden, sondern eine wirklich bedeutende Einmischung in die Angelegenheiten von allen anderen." Das heute beliebte Hobby, anonym über das Internet zu klatschen und zu attackieren, hätte McLuhan nicht überrascht. Das sogenannte Cyber-Mobbing führte in den USA erst kürzlich zu einer Selbstmordwelle unter Jugendlichen. "McLuhan hat sich sehr für die menschliche Seele interessiert", so Coupland, "und dafür, was mit dem Individuum passiert, wenn es mit all dieser Technologie und Information überschüttet wird. Das, was wir heute als Schwarm-Intelligenz kennen, oder das Internet, Twitter und Facebook, war für ihn die Aushöhlung des Individuums."
"Er war ein perfekter Imitator, konnte Stimmen nachahmen und sich an alles erinnern", berichtet Coupland. "Er war ein Gelehrter auf vielen Ebenen, hatte wahrscheinlich das Asperger-Syndrom. Und die Leichtigkeit, mit der er Informationen verarbeiten konnte, gab ihm einen deutlichen biologischen Vorteil bei dem, was er erforschte und wie er es tat. Er hat vermutlich die Kollegen an der Universität völlig verschreckt. Denn die mussten hart arbeiten, um nur die Grundlagen zu verstehen. Und er war wie Mozart, nahm ein Buch und konnte es in perfekter mittelalterlicher Stimme zitieren - erstaunlich." Dass die Uni von Toronto und damit Kanada zum Zentrum der Kommunikationswissenschaften wurden, ist für Coupland nur folgerichtig. Die weitläufige Geografie seines Heimatlandes zwinge die Menschen zu aktivem Kommunizieren, so McLuhan.