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Hunde müssen draußen bleiben

Etwa zwei Drittel aller wohnungslosen Menschen in Baden-Württemberg leben in Stuttgart. Keiner darf im Winter draußen erfrieren. Doch Wohnungslose mit Hund dürfen nicht in Notunterkünfte.


In den kalten Monaten zwischen November und Ostern stellt die Stadt Stuttgart etwa 100 Plätze in Notunterkünften zur Verfügung. Kein Mensch dürfe auf der Straße erfrieren, betont der Leiter des Stuttgarter Sozialamts, Stefan Spatz. Rund 20 bis 30 Personen verweigern seinen Angaben zufolge dieses Angebot und schlafen auch im Winter lieber auf der Straße.

Einer davon nennt sich Twoface. Er lebt seit neun Jahren auf der Straße und besitzt einen Hund. Die Tiere sind in Notunterkünften nicht erlaubt. Das liege besonders an der hohen Fluktuation dort, erklärt Spatz. Außerdem hätten die Menschen oft Angst vor Hunden. "Wir haben in unseren Sozialunterkünften auch fast 300 Kinder. Und es kann nicht sein, dass Menschen draußen schlafen müssen, damit die Hunde drinnen schlafen können."


Hundezwinger werden nicht angenommen
Die Stadt Stuttgart hat versucht, mit Hundezwingern vor einer der Unterkünfte einen Kompromiss zu schaffen - doch ohne Erfolg. Die Zwinger wurden laut Spatz eine ganze Wintersaison lang nicht genutzt. Twoface versteht das: "Wenn ich in eine Unterkunft gehe, dann nur mit meinem Hund." Ein Zwinger komme für ihn "erst recht nicht" in Frage. Hündin Molly bezeichnet er als sein "Kind". Nicht einmal für eine Wohnung würde er sie abgeben:

"Auf der Straße ist es mitunter das größte Verbrechen, wenn du deinen Hund nur wegen einer Wohnung weggibst. Das ist bei Straßenleuten sozusagen ein Todesurteil - im übertragenen Sinne. Danach kann man sich nirgendwo mehr blicken lassen."

Twoface, seit neun Jahren obdachlos


20 Plätze für Hundebesitzer in langfristigen Unterkünften

Anders ist die Lage in Unterkünften, wo Menschen langfristig untergebracht sind. Hier gibt es in Stuttgart nach Angaben des Sozialamts bis zu 20 Plätze für Hundebesitzer. Drei davon befinden sich in der Frauenpension II der Caritas in Bad Cannstatt. Dass hier eine Ausnahme gemacht wird, sei "eine Herzensangelegenheit", erklärt Teamleiterin Bettina Müller-Glatz.

Das bringt auch Herausforderungen mit sich: Manche der Bewohnerinnen hätten Angst, eine sogar eine Allergie, weswegen man ein gutes Gleichgewicht halten müsse. Doch insgesamt zieht Müller-Glatz eine positive Bilanz: "Bei uns hat das noch nie ein Problem gegeben."

Petra ist eine der 24 Frauen, die in der Frauenpension II leben. Mit Parson Russell Terrier Frieda und Mischling Lilly hat sie gleich zwei vierbeinige Mitbewohner. Sie landete auf der Straße, als sie vor sieben Jahren ihre erste Hündin von einem Freund übernahm - obwohl in ihrer Dresdener Unterkunft Hunde verboten waren. Auf der Straße ist das Leben mit Hund aus ihrer Sicht leichter: "Wenn einer nachts kommen will, während du schläfst - der kann dir ja alles wegklauen. Mit Hund überlegt der sich das dann schon."


Warteliste ist immer gut gefüllt

Als Petra nach Stuttgart kam, kam sie erst bei Freunden unter. Vor vier Jahren erhielt sie dann einen Platz in der Frauenpension der Caritas. Das geht nicht immer reibungslos. "Die Warteliste mit Hund ist immer gut gefüllt, weil der Bedarf schon steigt", so Müller-Glatz. Die Einrichtung habe Verständnis für die Hundebesitzer. Oft seien die Tiere die einzige Stütze im Leben, die Wohnungslose noch haben.

Petra wünscht sich irgendwann eine eigene Bleibe. Ihr ist bewusst, dass die Wohnungssuche mit Hunden in Stuttgart schwer wird. Doch ohne Frieda und Lilly geht es für sie nicht: "Meine Hunde sind wie meine Beine. Die brauche ich. Man kann ja auch nicht sagen: Nimm mir mal die Beine weg. Ich bin Zehnbeiner. Das ist einfach so."


Wohnungslosigkeit in Stuttgart

Nach Angaben des Sozialamts leben mit rund 4.100 wohnungslosen Menschen etwa zwei Drittel aller Wohnungslosen aus ganz Baden-Württemberg in Stuttgart. 2.100 Menschen seien in Unterkünften untergebracht, die rein zur Beseitigung der Obdachlosigkeit dienten. Außerdem gebe es 2.000 Plätze in langfristigen Unterkünften, von denen viele betreut sind, etwa für Menschen mit Suchtproblemen oder psychischen Problem.
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