Promovieren ist hart: Man muss diszipliniert sein und mit wenig Geld auskommen, während die anderen arbeiten und verdienen. Das anonyme Gehaltsprotokoll eines Doktoranden
Name: Anonym Alter: 28 Tätigkeit: Doktorand in Politikwissenschaft Einkommen: 1.020 Euro brutto
Als ich meine im Bereich Sicherheitspolitik begann, habe ich meine Arbeitszeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf zehn Stunden die Woche reduziert und bin mit 28 zum ersten Mal seit dem Abi wieder zu meinen Eltern gezogen. Ich wollte mich auf meine Promotion konzentrieren, um sie zügig abzuschließen und danach einen interessanten Job zu finden. Jetzt, ein halbes Jahr später, wohne ich immer noch bei meinen Eltern und hoffe auf ein Promotionsstipendium.
Dass ich zu meinen Eltern ziehe, war erst mal eine Zwischenlösung. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, ich hatte immerhin seit dem Abi nicht mehr zu Hause gelebt. Zu dem Zeitpunkt war meine Unsicherheit sehr groß: Ich wohnte zur Zwischenmiete in einer WG, hatte keine Anschlusswohnung und wusste nicht, ob ich mein monatliches Gehalt durch ein Stipendium aufbessern konnte.
Mitbewohner, nicht SohnGerade am Anfang musste ich mich gegenüber meinen Eltern abgrenzen und klarstellen, dass ich als Mitbewohner und nicht als Kind hier bin. Da hat es mich schon manchmal etwas gejuckt, wieder auszuziehen. Wir mussten uns auf ein paar Regeln einigen: Ich wasche meine eigene Wäsche, ich sage Bescheid, wenn ich mit ihnen esse, es wird geklopft, bevor man reinkommt und niemand geht in mein Zimmer, wenn ich nicht da bin. Mittlerweile habe ich mich damit arrangiert und bin auch froh, dass ich wieder etwas Zeit mit meinen Eltern verbringen kann. Gerade jetzt im Sommer sind sie auch viel unterwegs, sodass ich öfters alleine bin.
Serie "Das anonyme Gehaltsprotokoll"
Wir sollten mehr über Geld sprechen! Deshalb protokollieren wir das erste Gehalt aus unterschiedlichen Perspektiven. Über eure Branche sollte man berichten? Schreibt uns an leser-campus@zeit.de. Alle Beiträge gibt's auf unserer Serienseite zum anonymen Gehaltsprotokoll.
Ich hatte nicht vor, direkt nach meinem Master zu promovieren. Ich wollte mir Zeit nehmen, um eine Entscheidung zu fällen, und erstmal etwas anderes machen. Nach dem Abschluss war ich fünf Monate auf Jobsuche, mit Fokus auf Jobs im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik. Ich bekam mehrere Angebote, die aber alle nicht zu meinen relativ hohen Erwartungen passten: Ich hatte den Master in der Tasche, mich ehrenamtlich engagiert und mehr als ein Jahr Arbeitserfahrung durch Praktika gesammelt. Ich hatte mir vorgenommen, nicht noch ein Praktikum zu machen oder eine Assistentenstelle anzufangen. Stattdessen wollte ich direkt auf einer höheren Position einsteigen.
Aber gerade bei Einstiegspositionen in den Sozialwissenschaften ist das schwierig. Wenn ich es bis ins Interview schaffte, wurde oft erwähnt, dass ich noch nicht viel Arbeitserfahrung hätte. Wenn du keine Arbeitserfahrung hast, gibt dir keiner einen Job, aber ohne Job kannst du keine Arbeitserfahrung sammeln. Weil ich meinen Master im Ausland gemacht hatte, fehlten mir außerdem die Kontakte in Deutschland.
Es bleibt sogar Geld zum ReisenDann habe ich in meiner Heimatstadt eine Stelle an der Uni gesehen, wo es um Sicherheitspolitik ging und inhaltlich zu meiner Masterarbeit passte. Die Möglichkeit, eine Promotion zu machen, hatte ich schon im Hinterkopf, als ich dort eine Teilzeitstelle annahm. Am Institut hat es mir von Anfang an gut gefallen, ich konnte an verschiedenen Projekten arbeiten und policy-relevante Berichte und Artikel schreiben. Langsam reifte dann die Entscheidung, dass ich auch dort promovieren wollte.
Als ich mich Ende letzten Jahres wieder eingeschrieben habe, entschied ich mich, wieder zu meinen Eltern zu ziehen. Ich hatte eine 50-Prozent-Stelle und bekam 1.830 Euro brutto nach dem Tarif im öffentlichen Dienst. Mit Beginn der Promotion habe ich die Stelle auf 25 Prozent reduziert, damit ich mehr Zeit für die Doktorarbeit hatte. Etwa zur gleichen Zeit wurde meine Tarifstufe von I auf II hochgestuft, sodass ich jetzt 1.020 Euro brutto bekomme.
1.000 Euro sind nicht viel Geld, aber weil ich zu Hause wohne, ist es in Ordnung. Meine Ausgaben liegen zwischen 500 und 600 Euro pro Monat und ich kann sogar Geld zur Seite legen. Anfang jedes Semesters muss ich noch 300 Euro Semesterbeitrag zahlen. Wenn ich mir etwas gönne, reise ich, aber ansonsten lebe ich relativ bescheiden: Zum Teil werde ich von meinen Eltern mitverpflegt, das Ticket ist von den Semestergebühren gedeckt, ich esse mittags in der Mensa, habe kein Auto und gehe nicht mehr so oft feiern. Es bleibt sogar Geld zum Reisen über. Und dank meines Jobs kann ich im Zweifel auch im Urlaub arbeiten.