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Die AfD hat auf Facebook Werbung für eine Webseite gemacht, die Merkel als Terrorhelferin für Deutschland und Europa zeigt

Die Junge Alternative Bayern bewirbt mit einem „Sponsored Post" auf Facebook die Webseite Merkelstote.de. Die Webseite gibt Bundeskanzlerin Merkel die Schuld an Gewalt und Terroranschlägen in Deutschland und Europa. Um auf die Webseite aufmerksam zu machen, startete die JA eine Aktion vor der CSU-Zentrale, die nun Auswirkungen hat. Bei JA-Mitgliedern hat es zwei Tage vor der Bayern-Wahl Hausdurchsuchungen wegen Sachbeschädigung gegeben.

Ende September, Samstagabend, 14 Tage vor der Wahl: Mitten in der Nacht versammelten sich Mitglieder der Jungen Alternative in Bayern vor der CSU-Zentrale in München. Sie verspritzten eine rote Flüssigkeit und hinterließen Schriftzüge auf dem Steinboden vor dem Eingang. Darauf zu lesen: die Namen von Menschen, für deren Tod Angela Merkel nach Ansicht der AfD verantwortlich sein soll. Die Fotos von der Aktion präsentierte die Nachwuchsorganisation der AfD nachts um kurz nach 4 Uhr auf Facebook.

Der Vorgang lässt sich aus Antworten des bayerischen AfD-Landtagskandidaten Rafael Hauptmann auf eine Anfrage von BuzzFeed News Deutschland sowie den Beiträgen der Jungen Alternative Bayern auf Facebook rekonstruieren. Hauptmann bestätigt, dass Mitglieder der Jungen Alternative die Aktion in der Nacht vom 29. auf den 30. September durchgeführt haben.

Heute Vormittag, zwei Tage vor der Bayern-Wahl, sind im Zusammenhang mit dieser Aktion die Wohnungen mehrerer Beschuldigter durchsucht worden. Unter anderem die Wohnungen von AfD-Landtagskandidaten Rafael Hauptmann und die von Felix Thiessen von der Jungen Alternative Bayern. Laut Anne Leiding, Sprecherin der Staatsanwaltschaft München, handelt es sich dabei um den Tatvorwurf der Sachbeschädigung. Die Hausdurchsuchungen fanden verteilt in ganz Bayern statt.

Mit der Aktion will die Junge Alternative auf eine neue Website aufmerksam machen: In den Posts auf Facebook und auf dem Boden vor der CSU-Zentrale steht die Adresse merkelstote.de.

Auf der Website heißt es, Merkel sei nicht nur Schuld an Gewalt und Terroranschlägen in Deutschland, sondern insgesamt in Europa. Wie schon in zahlreichen Interviews und Wortmeldungen zuvor bezieht sich die AfD hier auf die Flüchtlingsbewegungen seit 2015. Weil Angela Merkel damals die Grenzen nicht geschlossen habe, sei sie für Gewalt und Terror in Deutschland verantwortlich zu machen.

Als Beleg - und damit Grundlage der Aktion - führt Hauptmann gegenüber BuzzFeed News ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags an. Immer wieder haben AfD-Politiker in der Vergangenheit dieses Gutachten als Beleg für einen vermeintlichen Rechtsbruch der Kanzlerin genutzt, darunter auch der Parteivorsitzende Jörg Meuthen am Abend der Bundestagswahl Ende September 2017. Doch die Aussagen der AfD lassen sich in diesem Gutachten so gar nicht finden. Der Wissenschaftliche Dienst stellte in dem zitierten Gutachten lediglich zwei mögliche Rechtsauffassungen gegenüber - und kam zu keiner Erkenntnis.

Tatsächlich ist es so, dass die rechtliche Grundlage, auf der die Geflüchteten in Deutschland seit 2015 aufgenommen wurden, nicht abschließend geklärt ist. Das ist auch das Ergebnis des Gutachtens. Die Bundesregierung hat die Frage nach der Rechtsgrundlage bislang nicht eindeutig beantwortet. Das kritisieren Vertreter mehrerer Parteien.

Wieviel Geld Kandidat Hauptmann für seinen Werbepost ausgegeben hat, will er gegenüber BuzzFeed News nicht verraten. Nach eigenen Angaben hat seine Anzeige einige tausend Menschen erreicht. Auch andere bayerische Landtagskandidaten der AfD verbreiteten den Link zur Website auf Facebook. Die beworbenen Beiträge wurden zusammen mehr als 1500 mal geteilt. Die Junge Alternative Bayern hat sich auf Anfrage von BuzzFeed News nicht zum Hintergrund der Aktion, den Vorwürfen gegenüber Angela Merkel und den Ausgaben für die Facebook-Werbung geäußert.

Die Bewerbung der Anzeige wurde wegen eines Verstoßes gegen die Werberichtlinien von Facebook eingestellt. Das bestätigen sowohl AfD-Kandidat Hauptmann als auch Facebook gegenüber BuzzFeed News. Den Facebook-Richtlinien zufolge sind Anzeigen nicht zugelassen, die "beängstigend, schockierend oder reißerisch sind".

Die Aktion erinnert an US-Wahlkampf-Kampagnen wie den Slogan „Lock her up", der sich gegen die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton richtete. Aus dem republikanischen Lager wurden damals Forderungen laut, Hillary Clinton festnehmen zu lassen, weil sie in ihrer Zeit als Außenministerin eine private E-Mail-Adresse genutzt hatte.

Eine ganz ähnliche Kampagne startete die AfD auch im Bundestagswahlkampf 2017. Mit Unterstützung des US-Wahlkampfstrategen Vincent Harris veröffentlichte und bewarb die Partei eine Website, auf der die Bundeskanzlerin als „Eidbrecherin" dargestellt wurde, die gegen deutsches Gesetz verstoßen habe.

Für den Wahlkampfexperten und Politikberater Martin Fuchs ist die neueste Aktion der Jungen Alternativen eine Strategie, „die vor allem die bisherigen CSU-Wähler im Blick hat, die sich von der Partei wegen Merkel abgewandt haben." Außerdem erinnert Fuchs der Auftritt an die vom Verfassungsschutz beobachtete Identitäre Bewegung, die gern in ähnlicher Weise auf sich aufmerksam macht.

Die CSU hat sich auf eine Anfrage von BuzzFeed News bislang nicht zu den Vorfällen geäußert.

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