Juliane Reuther

Journalistin und Autorin, Berlin

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Der ehrlichste Text, den du diese Woche über Perioden lesen wirst

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Zur Feier des Endes der Tampon-Steuer und einfach, um meine männlichen Cis-Freunde zu verstören.

Perioden sind irgendwie komisch, das habe ich schon als Teenager verstanden. Als ich das erste Mal meine Tage bekommen habe, habe ich es nur meiner Mutter erzählt. Als ich mich danach im Garten auf eine Bank neben meinen Vater gesetzt habe, habe ich mich unwohl gefühlt, obwohl er nicht einmal wusste, was mit einem Körper gerade passiert war. Als ich mal mit meiner Oma am Esstisch saß und über Gott und die Welt redete, meinte sie, sie glaubt fest daran, dass die Benachteiligung von Frauen auf ihrer Periode basiert. Das hätte Frauen immer zurückgehalten, da sie jeden Monat einige Tage mit ihrem Körper beschäftigt waren, gerade in Zeiten als es noch nicht einmal Binden, geschweige denn Tampons, gab. In der Zeit hätten Männer ganz normal zu Arbeit gehen können und schon hätte sich das Machtgefälle geklärt. Sie hat nicht ganz Unrecht.

In vielen Ländern der Welt werden Mädchen noch immer wegen ihrer Periode ausgegrenzt, verstoßen und aus alltäglichen Aktivitäten ausgeschlossen. Das liegt viel an Unwissenheit, an religiösen oder gesellschaftlichen Ansichten und vor allem auch am Mangel von Periodenprodukten, die diesen Mädchen und Frauen einen Alltag, während ihrer Menstruation erlauben würde. Das ist schrecklich und zerstört das Leben von vielen und viel Aufklärungsarbeit ist nötig, um dieses systematische Problem in diesen Gegenden der Welt zu bekämpfen.

In Deutschland und der westlichen Welt im Allgemeinen, denken wir, wir wären viel aufgeklärter

Das sind wir auch zu einem gewissen Grad, doch selbst in unserer Gesellschaft gibt es noch wahnsinnig viel Scham und Diskriminierung gegen Frauen, basierend auf der Menstruation. Das führt uns ja schon die "Tampon-Steuer" vor Augen, die erst im Jahr 2019 endlich ein Ende findet. In den vergangenen Jahren wurden Hygieneprodukte wie Tampons und Binden mit der sogenannten Luxussteuer von 19 Prozent besteuert und damit mussten wir genauso viel Steuern an den Staat abdrücken, wenn wir eine Binde gekauft haben, wie wenn wir uns ein Döschen Kaviar gönnten. Es ist ja schließlich ein echter Luxus, wenn man auf dem Weg zur Arbeit nicht mit einer blutdurchnässten Hose in der S-Bahn stehen will.


Wir haben kollektiv noch immer ein Problem mit Perioden, was vor allem daran liegt, dass wir viel zu selten offen und ehrlich darüber sprechen. Deswegen will ich das jetzt endlich mal tun. Denn selbst ich habe mich nie so recht getraut, das Thema anzugehen.

Etliche witzige Anekdoten und Memes sind mir dazu jeden Monat eingefallen und wurden nie auf Twitter oder Instagram gepostet, so viele artsy Fotos habe ich von blutigen Händen oder einem blutigen Vibrator gemacht und sofort wieder gelöscht und so sehr fasziniert bin ich jedes Mal davon, wie schön und eklig zugleich so ein blutiger Tampon sein kann. Ist dir das auch so peinlich wie mir, dass ich das jetzt alles zugegeben habe? Auf der Welt leben rund 3,8 Milliarden Frauen und trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich eigentlich mit niemandem darüber reden kann, wie befriedigend es ist, einen richtig vollgesogenen Tampon aus meiner Vagina zu ziehen. Dabei geht das wahrscheinlich allen Frauen so. Doch irgendwie verhalten wir uns einfach so, als hätte nicht jeder zweite Mensch über Jahrzehnte seine Tage.


Unser verkorkstes Verhältnis zur Blutung wird auch beim Thema Perioden-Sex klar. Als Teenager habe ich mitbekommen wie die angesagten Boys, mit denen ich abhing, sich darüber lustig gemacht haben, wenn einer von ihnen mit einem Mädchen Geschlechtsverkehr hatte, dass gerade menstruiert hat. Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass nur so lautstark darüber gelästert und gelacht wurde, um von der eigenen Unsicherheit und Scham dem Thema gegenüber abzulenken.


Doch nicht nur das, diesen Typen wurde auf eine Weise auch gehuldigt, als hätten sie einen Berg bestiegen, bei dem es sich nur erfahrene Bergsteiger trauen, überhaupt einen Fuß darauf zu setzen. Was für eine Scheiß-Metapher, aber irgendwie hat es sich für mich immer so angefühlt. Den Ekel von Periodenblut für Sex zu überwinden, das kriegt nur ein "echter Mann" hin – das war die unterschwellige Message. Dabei haben sehr viele Menschen während der Menstruation Sex. Weil es auch einfach geil ist.

Ich frage mich ja schon, wo genau der Unterschied ist, zwischen normalem Ausfluss und blutigem Ausfluss?

Ja gut, man muss zugeben, dass über Ausfluss auch niemand ehrlich redet und auch da noch viel Scham auf allen Seiten herrscht. Aber irgendwie ist es ja doch um einiges akzeptierter, an einem "normalen" Tag mit Partner*innen zu schlafen, als wenn dir ein bisschen Blut aus der Vagina läuft. Dabei ist Periodenblut ein perfektes Gleitmittel und ein Orgasmus ist meiner Erfahrung nach ein Wundermittel gegen PMS.

Perioden sind in vielen Fällen wahnsinnig ätzend: PMS kann so schmerzhaft sein, wie ein Herzinfarkt, dass haben Ärzte bereits bestätigt. Stimmungsschwankungen können dir die Interaktionen mit anderen Menschen oder den Alltag auf der Arbeit vermiesen. Fressflashs können dein Konto leerräumen, Perioden-Durchfall deinen Darm. Das ist schon genug Ärger, der da jeden Monat auf einen zukommen kann. Da brauche ich nicht noch den sozialen Druck, der mir vorgibt, dass ich mich für meine Tage schämen soll oder nicht lautstark im Großraumbüro nach einem Tampon fragen darf.


Deswegen versuche ich einfach nur, ab jetzt schamlos meine Memes zu teilen, mir nicht den Spaß daran nehmen zu lassen, fasziniert mit einem Stück Gebärmutterschleimhaut rumzuspielen und mir zu überlegen, welche feministische Kunstinstallation ich aus den ganzen Tampons bauen werde, die ich jetzt endlich zu einem Steuersatz von sieben Prozent kaufen kann. Vielleicht landet auf Instagram dann auch endlich ein ästhetisch geiles Bild von meiner blutigen Hand, die doch nichts weiter zeigt als das mein Körper funktioniert und fasziniert und gesund ist.

Erschienen bei NOIZZ.de am 11.11.2019
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