Julian Dorn

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Trump vs. Comey: High Noon in Washington

In weniger als einer Stunde wird der von Präsident Donald Trump gefeuerte FBI-Direktor James Comey vor dem Geheimdienstausschuss des Senats aussagen. Der Auftritt wird mit Spannung erwartet, viele Fernsehsender unterbrechen ihr geplantes Programm zugunsten einer Live-Übertragung. Auch FAZ.NET zeigt die Anhörung ab 16 Uhr live. Die meisten Beobachter sind sich einig: Das wird der bislang gefährlichste Moment von Donald Trumps Präsidentschaft. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was wird Comey noch enthüllen?

Autor: Stefan Tomik, Redakteur in der Politik.

Die bereits am Mittwoch veröffentlichte schriftliche Aussage enthält schon viel politischen Sprengstoff: Comey beschreibt darin, wie Trump ihm ein Loyalitätsversprechen abringen wollte, und wie unverfroren er ihn dazu drängte, die Untersuchung gegen Michael Flynn einzustellen. In der ihm eigenen nüchternen Art schreibt Comey, er habe in seiner gesamten Amtszeit gerade zwei Mal Präsident Obama getroffen - einmal davon ganz kurz, um ihn aus dem Amt zu verabschieden - und nie mit ihm telefoniert. Hingegen hat Trump Comey schon in den ersten vier Monaten seiner Präsidentschaft neun Eins-zu-eins-Gespräche aufgezwungen, davon drei persönlich und sechs am Telefon. Comey berichtet in seiner schriftlichen Aussage jedoch nur von fünf dieser Gespräche. Sicherlich werden sich die Senatoren dafür interessieren, worum sich die vier anderen drehten. Dass allerdings neue gravierende Anschuldigungen ans Licht kommen, dürfte unwahrscheinlich sein. Comey hätte sich selbst unglaubwürdig gemacht, hätte er solch wichtige Begebenheiten in seiner schriftlichen Aussage verschwiegen.

Wie wird sich Trump verteidigen?

In Washington fragt man sich: Wie lange kann Trump seinem Impuls zum Twittern widerstehen? Wird er Comey noch während der Anhörung über sein Lieblingsmedium angreifen? Laut Presseberichten fürchten seine Berater genau das; sie könnten ihn allerdings kaum davon abbringen. Mit seiner Live-Twitterei würde Trump die Anhörung zu einem Duell zwischen ihm und Comey machen. Auf jeden Fall dürften der Präsident und seine Verbündeten nach der Anhörung versuchen, Comeys Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen, dessen Äußerungen gar als einen Rachefeldzug gegen jenen Mann darzustellen, der ihn entlassen hat.

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Hat der Präsident die Justiz behindert?

Das ist die Frage aller Fragen. Und die juristischen Meinungen darüber gehen auseinander. Der amerikanische Rechtsanwalt Jens Ohlin sagte der „Washington Post": „Dass Trump von Comey Loyalität eingefordert hat, dass Trump Comey angewiesen hat, die Ermittlungen gegen Flynn einzustellen, dass Trump Comey feuerte, nachdem er sich geweigert hatte - das alles bedeutet für mich eines: Beeinflussung der Justiz." Außerdem mache Trumps Verhalten deutlich, dass Trump besorgt gewesen sei, dass Flynn ihm gefährlich werden könnte. Doch Trump behauptete stets, dass seine Worte zum FBI-Chef fehlgedeutet worden seien. Keineswegs habe er gewollt, dass Comey die Ermittlungen gegen Flynn einstelle. Wie man Trumps Verhalten bewertet, wird am Ende eine politische Entscheidung sein.

Könnte Comeys Aussage Trump zu Fall bringen?

Fest steht: Was Comey auch immer auspacken mag - um ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einzuleiten, braucht es eine einfache Mehrheit im Repräsentantenhaus. Und das wird von den Republikanern dominiert. Somit müssten Dutzende von Trumps Parteifreunden gegen ihn stimmen. Das ist nur dann zu erwarten, wenn die von Comey aufgetischten Vorwürfe so gravierend wären, dass selbst die Republikaner nicht an ihnen vorbei könnten. Allerdings: Die republikanische Mehrheit im Abgeordnetenhaus könnte nach der Zwischenwahl 2018 kippen. Dann könnten die Demokraten ein Impeachment einleiten, das aber Jahre dauern könnte. Selbst wenn es nicht zu einem Amtsenthebungsverfahren kommt: Comey könnte durchaus Dinge wissen - und publik machen - die für Trumps engstes Umfeld brenzlig werden könnten. Seine Aussage könnte die ohnehin große Zahl offener Fragen in der Affäre erhöhen - und das Thema damit noch länger und prominenter in den Schlagzeilen halten.

Könnte die Anhörung auch für Comey heikel werden?

Selbst wenn der Fokus klar auf Trumps Verhalten liegt, muss sich womöglich auch der geschasste FBI-Direktor ein paar unangenehme Fragen stellen lassen. Die „Washington Post" zitiert den Senator Lindsey O. Graham, Mitglied des Geheimdienstausschusses, mit den Worten: „Comey wird einige harte Fragen dazu beantworten müssen, warum er nicht mehr getan hat. Wenn man wirklich glaubt, dass Trump versucht, die Justiz zu beeinflussen, und man noch dazu Chef des FBI ist, hätte man möglicherweise mehr tun können, als Gesprächsnotizen für sich selbst anzufertigen." Offen bleibt aber, was Comey, der immerhin Justizminister Jeff Sessions anflehte, ihm Trump vom Hals zu halten, noch hätte tun sollen. Eigentlich hat Comey nichts zu verlieren. Auch in der Senatsanhörung, seinem wohl letzten öffentlichen Auftritt in der Trump-Russland-Causa, dürfte er die Strategie beibehalten, seine Interaktion mit Trump nüchtern und sachlich zu beschreiben. So hat er es schon in seiner schriftlichen Einlassung gehalten. Comey enthält sich jeglicher juristischer Wertung. Er vermeidet damit den Anschein, er verfolge eine politische Agenda. Das macht ihn weniger angreifbar.

© AP Hier findet die Anhörung des Senats statt.

Worum geht es bei den Russland-Ermittlungen?

Das FBI untersucht mögliche Verbindungen zwischen Mitgliedern aus Trumps Wahlkampfteam und Vertretern der russischen Regierung vor dem Amtsantritt. Amerikanern, die kein Amt bekleiden, ist der Kontakt mit ausländischen Offiziellen nicht ohne Weiteres erlaubt. Amerikanische Geheimdienste beschuldigen den Kreml, sich mit Cyberangriffen in den Wahlkampf eingemischt zu haben, um Hillary Clinton zu schaden und Trump zu helfen. Hacker hatten E-Mails der Demokraten gestohlen, die die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte. Die entscheidende Frage ist, ob die Kontakte von Trump-Mitarbeitern nach Russland so weit reichten, dass sie vorab von den Angriffen auf die Demokraten wussten oder sie sogar orchestrierten. Beweise gibt es dafür bislang nicht. Das Justizministerium hat einen Sonderermittler eingesetzt, den ehemaligen FBI-Chef Robert Mueller.

Mehrere Männer, die während des Wahlkampfes in unterschiedlichem Maße für Trump wirkten, stehen im Zentrum der Affäre: Michael Flynn, Carter Page und Roger Stone. Immer wieder genannt wird auch Trumps einstiger Wahlkampfchef Paul Manafort. Auch für die Treffen von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak und einem russischen Banker interessieren sich die Ermittler nach Medienberichten. Flynn wurde wegen seiner Kontakte zu Kisljak vom FBI befragt. Er stürzte über ein Telefonat mit dem Botschafter, weil er über den Inhalt log. Im Fall von Page hegte die Behörde nach Angaben der „Washington Post" im vergangenen Sommer die Befürchtung, er sei ein russischer Agent. Die Ermittler beantragten deshalb seine Überwachung. Stone prahlte im Wahlkampf mit seinen Kontakten zu Wikileaks. Vor kurzem erklärte er, er habe im August mit dem Hacker „Guccifer 2.0" Nachrichten ausgetauscht - hinter ihm vermuten amerikanische Sicherheitsbehörden russische Geheimdienste.

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