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Julian Busch

Journalist, Kabul

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Taliban: "Damals wie heute setzen wir die Scharia um"

Erst der Kommunismus, dann die russische Invasion, der Bürgerkrieg, die erste Herrschaft der , die Republik und nun wieder die Taliban: Er habe sehr viel gesehen in seinem Leben, sagt der afghanische Bauer Haji Mohamed. "Aber es ist das erste Mal seit 40 Jahren, dass ich mich nicht mehr fürchten muss." Mohamed ist 45, trägt einen schwarzen Bart und ein beiges Gewand, er lebt im Dorf Ghaldara, eine gute Autostunde südlich von Kabul.

Seit der Krieg vorbei sei, könne seine Tochter wieder zur Schule gehen, sagt er. Im vergangenen Sommer habe eine ausländische NGO in seinem Dorf ein neues Schulzentrum eröffnet und seither gingen die Mädchen bis zur 7. Klasse zur Schule. Er sitzt auf einem Teppich vor seinem Haus, weiße Gipfel glänzen hinter den Mauern, in den Wänden sind Einschusslöcher zu sehen.

Jahrzehnte voller Kämpfe

Mohameds Äußerungen mögen überraschen, haben doch die Taliban, seit sie 2021 wieder an die Macht gekommen sind, vor allem die Rechte der Mädchen und Frauen immer weiter eingeschränkt - und ihnen Möglichkeiten zur Bildung genommen. Unter den immer neuen Verboten der Taliban leiden sehr viele Menschen in Afghanistan, vor allem in den Städten. Doch auf dem Land hat sich für manche die Situation verbessert. Denn das erste Mal seit Langem gibt es für die Menschen dort so etwas wie Sicherheit. Vor allem in den paschtunischen Gebieten haben die Bewohnerinnen und Bewohner unter den Kämpfen zwischen den Taliban und der afghanischen Armee oder den internationalen Truppen sehr gelitten. Diese Unsicherheit der vergangenen 20 Jahre hat dazu geführt, dass die Bevölkerung auf dem Lande die Talibanherrschaft nun manchmal einfach akzeptiert.

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Anders als in den Städten, in denen das Bildungssystem in den vergangenen Jahrzehnten ausgebaut wurde, war früher in ländlichen Gebieten vielen Kindern der Schulbesuch verwehrt gewesen. Oft war schon der Schulweg nicht sicher genug. Heute können Mädchen im ganzen Land keine Sekundarstufe mehr besuchen, der Schulbesuch ist ihnen in den meisten Provinzen nur bis zum Ende der 6. Klasse erlaubt. Aber die Zahl der Mädchen in Grundschulen ist seit der Machtübernahme der Taliban gestiegen, von acht auf 21 Prozent laut einer Studie der Weltbank von 2022.

Das Land braucht Ärztinnen und Lehrerinnen

Ein fünfjähriges Mädchen namens Hajiba sitzt etwas verschüchtert neben dem bärtigen Paschtunen. Mohamed tätschelt seiner Tochter liebevoll den Kopf. Sie lerne jetzt, wie man rechne und schreibe, sagt er, und was im Koran geschrieben stehe. Früher sei das undenkbar gewesen. Solange sich die Regierung an die halte, werde alles gut.

Auch ins Krankenhaus könnten die Menschen in seinem Dorf heute jederzeit fahren. Früher habe man erst den Dorfältesten Bescheid geben müssen, die wiederum die Distriktführer anriefen, um die Checkpoints der afghanischen Armee vorzuwarnen. Das Krankenhaus liege keine drei Kilometer entfernt, sagt Mohamed. "Früher waren es drei Stunden, heute sind es 20 Minuten", sagt er kopfschüttelnd.

In diesem Tal seien die Menschen stets zwischen den Taliban und der alten Regierung gefangen gewesen. "Wir waren genau auf der Frontlinie", sagt Mohamed und zeigt auf einen Hügel, wo die Umrisse eines ehemaligen Wachpostens der afghanischen Armee zu erkennen sind. Jahrelang hätten Soldaten von dort wahllos ins Tal hinabgeschossen. Es sei gefährlich gewesen, tagsüber die Moschee zu besuchen oder das Dorf zu verlassen.

Mohamed findet allerdings, dass Mädchen auch weiterführende Schulen und Universitäten besuchen sollten, das Land brauche Ärztinnen und Lehrerinnen: "Ich würde mir wünschen, dass sich all meine vier Töchter bilden können." Bis es für Hajiba so weit sei, hätten die Taliban hoffentlich eine Lösung gefunden, wie die weiterführenden Schulen für Mädchen wieder geöffnet werden könnten.

Die Taliban vollziehen Hadd-Strafen

Eine weitere Autostunde liegt südöstlich von Mohameds Dorf die Stadt Pul-i-Alam. Hier versammelten sich Mitte November 2022 Hunderte Menschen im Stadion, um einer öffentlichen Auspeitschung beizuwohnen. Neun Männer und drei Frauen bekamen zwischen 21 und 39 Peitschenhieben, ihnen wurde "Unzucht" vorgeworfen. Kurz zuvor hatte der oberste Talibanführer Hibatullah Achundsada dazu aufgerufen, die sogenannten Hadd-Strafen wieder einzuführen: Steinigung, Amputieren von Gliedmaßen und Auspeitschung. Beinahe wöchentlich gibt es seitdem Meldungen von neuen Auspeitschungen.

"Es ist wichtig, dass die Menschen zusehen", sagt Mawlawi Mohammadinschah Muchbi, der Polizeichef der Provinz, zu diesen grausamen Strafen. So stehe es im Koran und nur so könne die Allgemeinheit lernen und sich ihres Handelns bewusst werden. Der 53-Jährige hat bereits unter der ersten Talibanregierung als Geheimdienstchef der Provinz gedient. Er ist einer von jenen Kämpfern, die die vergangenen 20 Jahre vor allem im Schutze der afghanischen Berge verbracht haben. Vielen von ihnen ist die Moderne bis heute fremd geblieben.

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Erstellt am 05.02.2023
Bearbeitet am 05.02.2023

Quelle
https://www.zeit.de/politik/ausland...

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taliban sicherheit scharia politik menschenrechte frauen diskriminierung afghanistan
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