Julia Segantini

Volontärin bei Lensing Media, Essen

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SCHUMMEL-Doktorarbeit: Axel-Springer-Boss Döpfner kupfert aus Nazi-Disseration ab!

Plagiatsjäger sind sich inzwischen sicher: In der Dissertation von Axel-Springer-CEO Mathias Döpfner lassen sich 28 Plagiate nachweisen. Brisant: Döpfner kopierte in einer Arbeit über Musikkritik nach 1945 ausgerechnet aus einer anderen Dissertation aus der Nazi-Zeit, die nationalsozialistisches Gedankengut enthält. BILD und WELT bewahren bislang stillschweigen über das Thema. Warum?

Andere Zeitungen und Newsportale schrieben sehr wohl über die Vorwürfe. Als erstes berichtete exklusiv BuzzFeedNews Deutschland. Plagiatsjäger:innen werfen Axel-Springer-CEO Döpfner Plagiate, also Diebstahl geistigen Eigentums, in seiner Doktorarbeit vor, heißt es dort. Maßgeblich beteiligt an der Recherche war Stefan Weber. Der österreichische Kommunikationswissenschaftler ist Plagiatsgutachter und will übereinstimmende Passagen in Döpfners Dissertation und einer Arbeit von Helmut Andres aus dem Jahr 1938 gefunden haben. „Plagiieren ist das eine moralische Problem. Aber es gibt ein zweites, viel schärferes: Die Dissertation von Helmut Andres ist nationalsozialistisch gefärbte Wissenschaft", verdeutlicht Weber auf seinem Newsblog.

Weber ist erfahrener Plagiatsjäger, wies auch Plagiate in der Arbeit von Ex-Bundestags-Präsidenten Norbert Lammert (CDU) und auch im Buch von jetzt Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mit nach (). Er selbst erfuhr von dem Verdacht gegen Döpfner vom Nürnberger Plagiatsprüfer Martin Heidingsfelder, der Döpfner als erstes auf die Spur kam. Heidingsfelder reichte auch eine Plagiatsanzeige bei der Goethe-Universität Frankfurt ein.

Döpfner bedient sich an Passagen aus Nazi-Dissertation

Der Axel-Springer-Chef beschäftigte sich für die Erlangung seines Doktorgrades mit der Entwicklung der „Musikkritik in Deutschland nach 1945" (1991) und analysierte dafür Musikrezensionen in lokalen und überregionalen Medien. In seinem zweiten Kapitel wurde Weber fündig:

Begreift man Musikkritik als Entwicklung und Spiegelbild eines Musiklebens und der öffentlichen Meinung, dann setzt dies auch soziologische Betrachtungsaspekte voraus."

Auffällig ähnlich schrieb Andres auf Seite sechs seiner Dissertation „Beiträge zur Geschichte der Musikkritik":

Wir befinden uns auf dem Boden soziologischer Betrachtungsweise, wenn wir die musikalische Kritik als Entwicklung und Spiegelung des Musiklebens und der öffentlichen Meinung über Musik betrachten wollen." 

 Auf der gleichen Seite befindet sich hochgradig nationalsozialistisches Gedankengut. Andres schreibt: „Man braucht nur an die Bedeutung des Begriffs der Ganzheit von Volk, Nation und Kultur zu denken, man braucht nur den für die Wissenschaft erst noch bis in die letzte Konsequenz auszuwertenden Rassebegriff in seiner Bedeutung zu erkennen, wenn man den weiten Aufgabenkreis einer Soziologie begreifen will, die über formale Kategorien hinauswächst." (). Am Ende seiner Dissertation geht er auf eine „völlige Neuordnung des Verhältnisses der Presse zur Kunst im nationalsozialistischen Staat" ein.

Döpfner nimmt direkten Bezug auf Andres Arbeit und charakterisiert sie als „Sprachrohr unverhohlen faschistischer Kultur-Ideologie. [...] In der oberflächlich gearbeiteten Untersuchung wird ein geschichtlicher Abriß der bisherigen Musikkritik gegeben, der Autor versucht ferner inhaltliche Wandlungen des Musikjournalismus darzustellen, bevor er zu seinem eigentlichen Anliegen vordringt, die (natürlich als desolat und verwerflich geschilderte) Lage der Musikkritik vor Hitlers Umstrukturierung darzustellen." [sic] Ganz deutlich kritisiert er Andres und distanziert sich von seiner Schrift. Umso verwirrender ist daher, dass er offenbar dieselbe Arbeit plagiiert.

Bei dem oben genannten Plagiat bleibt es nicht

Plagiatssoftwareanalysen und vor allem manuelle Recherche deckten wohl weitere Übereinstimmungen, insgesamt 28, auf. Darunter ein Strukturplagiat sowie mehrere Text- und Ideenplagiate. Strukturplagiate sind solche, bei denen die Struktur oder Teile davon aus anderen Texten übernommen werden, ohne darauf hinzuweisen. Auch im Quellenverzeichnis gab es deutliche Beweise: Döpfner machte dort teilweise die gleichen Fehler wie Andres. Mehrere Wissenschaftler:innen und Hochschulrechtler:innen wurden zu Rate gezogen. Hinter der nun vorliegenden Dokumentation steckt eine wochenlange intensive Recherche.

„Es geht um Plagiate in der Doktorarbeit eines der einflussreichsten Medienunternehmers weltweit. Ihm hätte nach der Sicht mehrerer Plagiatsgutachter nie der Doktortitel verliehen werden dürfen," ist sich BuzzFeedNews sicher.

Springer verhindert kritische Berichterstattung

Wie zu erwarten, bleiben Stimmen aus den Springer-Medien zu dem Vorfall aus. Nicht zum ersten Mal schweigen sie wenn es um brisante Vorgänge innerhalb des eigenen Kosmos geht. Im Herbst letzten Jahres versuchte man von ganz oben die Veröffentlichungen über Julian Reichelt unter den Teppich zu kehren. Der kritische Investigativ-Bericht brachte Details über Reichelts Machtmissbrauch, Drogenkonsum am Arbeitsplatz und geheimen Zahlungen ans Licht (). Reichelts Arbeit für die BILD, die sich vor allem durch Hetze und Desinformation definierte, wurde von Döpfner ausdrücklich unterstützt und öffentlich gelobt ().

Auch Reichelts zunehmende Radikalisierung, die ihn zum Lieblings-„Journalisten" von extremistischen Querdenker:innen machte, änderte daran nichts. In diesem Artikel haben wir weitere Lügen und rechte Erzählungen von Reichelt und Döpfner zusammengefasst. Eine der bekanntesten: Döpfners Lüge darüber, ein Schwimmbad habe die Bockwurst aus der Karte gestrichen - laut ihm ganz klar die Schuld von Muslimen (). Schaut man sich vergangene Aussagen des Springer-CEOs an, verwundert es vielleicht weniger, wie er dazu kam, gerade aus einer Nazi-Dissertation zu plagiieren.

„Blitzt hier [bei der Veröffentlichung seiner Doktorarbeit 1991] schon früh eine Geisteshaltung durch?", fragt sich auch Plagiatsjäger Weber auf seinem Blog.

BILD und Co.: Katalysatoren für Fake-News und rechte Narrative

Dennoch ist Reichelt eine Randfigur, wichtiger sind die Kernstrukturen, die diese Art von „Journalismus" fördern - was uns direkt zu Döpfner führt. Erlogene Schlagzeilen lässt er nicht nur zu, sondern platziert sie bewusst (). Er bedient „Lügenpresse"-Narrative, die man sonst vor allem von Rechtsextremen und Verschwörungsideolog:innen kennt: „Er [Reichelt] ist halt wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat aufbegehrt. Fast alle anderen sind zu Propaganda Assistenten geworden", so Döpfner über Reichelt (). Das ist keine private Meinung von Döpfner oder ein Einzelfall, sondern eine Denke, die die gesamte Ausrichtung der Springer-Medien, vor allem der BILD, lenkt.


Mehr als bedenklich, da Axel-Springer einen der Spitzenplätze belegt, was Auflagenstärke auf dem Tageszeitungsmarkt angeht (). Damit ist Axel-Springer überaus mächtig, formt maßgeblich die deutsche Medienlandschaft mit - und beeinflusst letztlich Teile der Demokratie. Die restliche deutsche Medienlandschaft lässt Springer größtenteils frei gewähren. Es findet kaum eine gegenseitige Kontrolle zwischen den Verlagen und ihren Akteur:innen statt (). Sonst hätten die Plagiatsvorwürfe gegen Döpfner vielleicht höhere Wellen geschlagen. Zwar berichteten inzwischen auch andere Medien (u.a und ) über die Affäre. Vergleichbar mit dem Skandal um Politiker:innen wie Baerbock ist dieser aber nicht. Wenig überraschend, halten sich besonders Springer-Medien doch bedeckt, wenn es um Kritik am eigenen Konzern geht.

Springer hält sich in aktueller Affäre bedeckt

Trotz ihrer üblicherweise lauten Schlagzeilen bei Plagiatsvorwürfen ist die BILD in Falle der Döpfner-Plagiate aus einer Nazi-Dissertation auffallend leise. Bei bestimmten Politiker:innen stürzten sich sowohl BILD als auch WELT bisher auf die Vorwürfe, verfassten einen Artikel nach dem anderen, holten das Thema immer wieder hervor. Die Plagiatsaffäre um ex-Familienministerin Franziska Giffey war der WELT mehrere Artikel wert (z.B und ). In diesem Artikel machte man sich sogar die Mühe, die Zustände an der Freien Universität Berlin und das Geflecht um Giffey und ihre Doktormutter zu ergründen, um die Plagiatsaffäre bis ins letzte Detail auszuschöpfen. WELT verfasste zahlreiche Artikel über Baerbocks Fehltritte (z.B und ), verliert bisher aber kein Wort über die Vorwürfe gegen Döpfner.

Auch die BILD berichtete gern über Plagiatsvorwürfe gegenüber Giffey, unter anderem , im Zuge ihrer Masterarbeit. Mit reißerischen Schlagzeilen schrieb sie mehrmals über die Plagiatsvorwürfe gegen Baerbock (z.B und ), machte Stimmung gegen die Grünen-Politikerin und wärmte die Affäre monatelang immer wieder auf. Nur um kritische Artikel über Döpfner machen Springer-Medien einen großen Bogen - und das muss man anprangern.

Fazit

Es geht nicht darum, dass man nicht über Plagiatsvorwürfe berichten soll. Man darf auch gerne tiefer recherchieren und die Strukturen dahinter hinterfragen, das kann sogar produktiv sein. Aber offensichtlich gelten hier nicht für alle die gleichen Regeln. Massive Fehltritte Döpfners, die ihn in Verbindung mit nationalsozialistischem Gedankengut bringen, werden unter den Teppich gekehrt. Dieser Fall zeigt, dass es Axel-Springer nicht um das Aufdecken von Plagiatsaffären geht. Sondern darum, ganz bestimmte Menschen in Misskredit zu bringen. Selbstkritische Berichterstattung ist bei Springer unerwünscht, peinliches und heuchlerisches Verhalten dagegen wohl nicht.

Erst vor wenigen Tagen schrieb die über Plagiatsvorwürfe gegen den CSU-Generalsekretär Martin Huber, die seine Doktorarbeit betreffen sollen. Am Ende des Textes versteckt befindet sich dann plötzlich der Hinweis: „In eigener Sache: Die Goethe-Universität Frankfurt am Main überprüft derzeit die Doktorarbeit des Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer SE (u. a. BILD, BamS, Welt), Dr. Mathias Döpfner (59), wegen eines Plagiatsverdachts." Mehr hat die BILD, die sonst an vorderster Front steht, wenn es um Vorwürfe gegen Politiker:innen und andere Personen der Öffentlichkeit geht, zu dem brisanten Fall nicht zu sagen. Gut, dass andere das übernehmen.

Die vollständige Dokumentation von Weber könnt ihr hier nachlesen. Zum Original