Julia Segantini

Volontärin bei Lensing Media, Essen

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Forderung nach Vergütung des Praxissemesters

Das Praxissemester gilt bei Lehramtsstudierenden als starke Belastungsprobe, denn es ist mit einem erheblichen zeitlichen Aufwand verbunden. Eine Vergütung erhalten die Studierenden trotzdem nicht. akduell hat mit Evelyne Mikulicz vom StALL (Ständiger Ausschuss aller Lehramtsfachschaften des Landes NRW) darüber gesprochen, warum sich das ändern muss. Außerdem haben wir beim Ministerium für Schule und Bildung und bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) nachgefragt, warum man den Forderungen der Studierenden bisher nicht nachkam.

„Das ist eine Zumutung." So fasst Evelyne Mikulicz die Situation der Lehramtsstudierenden in Bezug auf das Praxissemester zusammen. Sie studiert Englisch und Technik für Haupt- und Gesamtschule und ist die Essener Vertreterin im StALL. Auch wenn sie das Praxissemester sinnvoll findet, sieht sie viele Kritikpunkte. Im Praxissemester verbringen die Lehramtsstudierenden ein halbes Jahr an einer Schule, an der sie Erfahrungen im Unterrichten sammeln können. Dass diese Zeit den Studierenden einiges abverlangt, ist kein Geheimnis. Zu den 390 Zeitstunden an der Schule kommen 350 Stunden zur Vorbereitung und Durchführung von Studienprojekten dazu. Außerdem werden weitere 150 Stunden für weitere Teilprüfungen anberaumt. Die Zeitintensität des Praxissemesters geriet schon häufiger in die Kritik ( akduell berichtete).

Enormer zeitlicher Aufwand

„Du musst theoretisch vier Tage die Woche da sein, um dein Stundenpensum zu erfüllen. Du musst aber nicht nur Unterricht vor- und nachbereiten, sondern auch Berichte schreiben und Seminare an der Uni besuchen, um deinen Abschluss weiter voranzutreiben. Viele haben außerdem einen Job. Darauf wird so gut wie gar nicht geachtet", kritisiert Mikulicz. Besonders ungerecht findet sie, dass die Studierenden während dieser Zeit nicht bezahlt werden. Das forderte 2016 bereit eine Petition ( akduell berichtete). 12.000 Unterschriften wurden gesammelt, trotzdem stimmte der Landtag dagegen. Der StALL will das nicht hinnehmen. „Eine Umfrage an der Ruhr-Universität Bochum ergab, dass 20 Prozent der Studis ihren Job aufgrund des Praxissemesters kündigen mussten. 50 Prozent kürzten die Arbeitsstunden und mussten dadurch Kredite aufnehmen", moniert Mikulicz.

Der enorme zeitliche Aufwand werde durch einen zusätzlichen Faktor noch gesteigert. „Momentan ist es so, dass dein Fahrtweg von der Uni zur Schule maximal zwei Stunden betragen darf", erklärt Mikulicz. An welche Schule man kommt, entscheidet eine zentrale Online-Plattform. Ausgegangen wird dabei nicht vom Wohnort des betreffenden Studierenden, sondern vom Standort der Universität, an der die Person eingeschrieben ist. Wer Pech hat, muss also womöglich lange Anfahrtswege in Kauf nehmen. „Von Essen aus sind es zwei Stunden nach Köln. Ich wohne aber in Dorsten, das wären dann vier Stunden", beschwert sich die Studentin. Auch darüber beklagen sich Studierende schon seit Langem (akduell berichtete). Warum sich an dem Auswahlverfahren nichts geändert hat, versteht Mikulicz nicht. Sie wünscht sich eine NRW-weite Tauschbörse für Schulen. „Wenn du an einer Schule bist, die dir nicht gefällt, könnte man mit jemand anderem tauschen. Das darf man momentan nicht." So könne der zeitliche Aufwand für die Studierenden aber schon etwas entlastet werden, meint die StALL-Vertreterin.

Wenig Unterstützung aus der Politik

Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ist der enorme zeitliche Aufwand bewusst. Dieser sei jedoch nötig, um die Studierenden optimal auf den Lehrer:innenberuf vorzubereiten. Dass es keine Vergütung gibt, erklärt er damit, dass es sich bei dem Praxissemester um einen verpflichtenden berufspraktischen Abschnitt des Studiums handelt, wodurch Ansprüche zum Beispiel auf Mindestlohn entfielen. „Die Durchführung sowie die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts unter Anleitung sind auch keine eigenständigen Tätigkeiten, aus der sich ein Vergütungsanspruch ableiten ließe", sagt er. Die Entscheidung, die der Landtag 2016 fällte, kann er nachvollziehen. Die jetzigen Regelungen würden den Erfordernissen der Lehrerbildung, den Interessen der Studierenden, den Universitäten und den Schulen gerecht.

Auch das Ministerium für Schule und Bildung spricht sich gegen eine Vergütung aus. Die meisten Studierenden würden das Praxissemester als äußert positiv wahrnehmen, heißt es von dort. Dabei beruft sich das Ministerium auf eine im Frühjahr 2016 an allen lehrerbildenden Hochschulen mit Praxissemesterabsolvent:innen durchgeführte Studierendenbefragung. „Als Ergebnis der Evaluation wurde die Anzahl der Studienprojekte während des Praxissemesters von vorher bis zu fünf auf jetzt bis zu drei Projekte eingeschränkt", erklärt das Ministerium. Auch sei die Anzahl an Unterrichtsstunden reduziert worden. Die Befragung zeigt aber auch mehrfach, dass die Studierenden den zeitlichen Aufwand als zu hoch empfinden.

Forderungen an den Landtag

Eine Vergütung hält das Ministerium aus mehreren Gründen für unangebracht. Ähnlich wie die HRK argumentiert es, dass das Praxissemester Teil des Studiums sei. Die Studierenden stünden in keinem Beschäftigungsverhältnis und würden nicht wie in einem Praktikum Arbeitsleistungen für einen Arbeitgeber erbringen. Einen weiteren Grund formuliert das Ministerium so: „Praxissemesterstudierende verfügen zu diesem Zeitpunkt nicht über einen für ein Lehramt ,berufsqualifizierenden' Abschluss." Außerdem „werden die Studierenden durch Lehrkräfte an Schulen und durch Fachleitungen in den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung im begleiteten Unterricht ausgebildet - unter Einsatz erheblicher personeller Ressourcen für diese Unterstützung."

Mit der Argumentation der HRK und des Ministeriums für Schule und Bildung erklärt sich der StALL nicht einverstanden: „Die Begründung, dass es keine Vergütung geben kann, weil kein Studienabschluss vorliegt, erkennen wir nicht als ausschlaggebenden Grund an, da das Praxissemester im Master stattfindet und die Studierenden über einen Bachelorabschluss verfügen." Auch das Argument des personellen Aufwands für die Schulen will der StALL nicht geltend machen, weil diese Annahme auf viele Schulen nicht zutreffe. Um die Situation für betroffene Studierende zu verbessern, will der Ausschuss deshalb Öffentlichkeit schaffen. „Unser Ziel ist, den Landtag zu kontaktieren. Dazu haben wir ein Schreiben aufgesetzt. Wir wollen auch eine Petition machen", beschreibt Mikulicz die Pläne.

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