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Radio-Beitrag

Hofberichterstattung für eine angeschlagene Monarchie

Internationale Medien haben den Rückzug von Spaniens König Juan Carlos II. als Rettungsversuch einer angeschlagenen Monarchie interpretiert. Die spanischen Medien hingegen gehen auf Kuschelkurs mit ihrem Königshaus. Das sorgt in der Branche für Unmut.

Das Referendum der Demokratie: 85,4 Prozent des Parlaments für Felipe VI". "Der Weg-Ebner der Demokratie reicht die Krone für eine weitere Modernisierung weiter":

Schlagzeilen aus den letzten Tagen – von der rechtskonservativen "La Razón" und der linksliberalen "El País": Selten waren sich die sonst so zerstrittenen spanischen Medien so einig wie in ihrem Urteil über den abgedankten Monarchen und seinen Nachfolger.

Dass Zehntausende in Großstädten wiederholt lautstark für ein Ende der Monarchie demonstrierten, war den meisten Zeitungen nur eine Randnotiz wert. Die spanischen Medien, so die Journalistin Ana Romero, zeigten sich bei Analyse und Interpretation der Ereignisse überraschend handzahm.

"Fast alles was in den letzten Wochen publiziert wurde, ist sehr offiziös. Keiner hinterfragt die offizielle Fassung des Königshauses. Wenn das Königshaus sagt: Juan Carlos hat selbst entschieden, der Proklamation des Königs nicht beizuwohnen, dann wird das geschluckt. Niemand recherchiert nach, oder kontrastiert, sucht nach anderen Blickwinkeln. Man will auf keinen Fall der Institution Monarchie schaden und versteht das als eine Art Dienst am Staat und Land."

Romero hat selbst vier Jahre für "El Mundo", eine der größten spanischen Zeitungen, über das Königshaus berichtet. Der Text über Juan Carlos' Abdankung war ihr letzter. Wegen Diskrepanzen mit dem neuen Herausgeber schreibt sie nicht mehr für die Zeitung.

Romero, die auch Mitgründerin von El Mundo ist, ist nicht die Einzige, die in den letzten Tagen aus Protest ihre Arbeit niedergelegt hat. Bei der Satirezeitschrift "El Jueves" kündigten letzte Woche acht Autoren und Zeichner fristlos: Der herausgebende Verlag hatte ein Cover verboten, auf dem Juan Carlos seinem Sohn eine mit Exkrementen verschmierte Krone überreicht. Der Verlag hat der Redaktion auch für dieZukunft untersagt, Karikaturen des Königs auf den Titel zu setzen, erzählt der ehemalige Stammautor Albert Monteys.

"Das war der radikalste Einschnitt in meine Arbeit und meine Arbeitsbedingungen, den ich je erlebt habe – und für die Zeitschrift ein ideologischer und wirtschaftlicher Selbstmord. Ich vermute, es war der Herausgeber selbst, der das entschieden hat, weil er päpstlicher als der Papst sein sollte."

Solch vorauseilender Gehorsam war lange Zeit nichts Ungewöhnliches in Spanien. Der spanische König genoss eine Vorzugsbehandlung. Erst seine kostspielige Elefantenjagd vor zwei Jahrem, mitten in der schweren Wirtschaftskrise, setzte dem ein Ende. Auf einmal schrieben Journalisten über Juan Carlos' zerrüttete Ehe, mutmaßliche Affären, mögliche finanzielle Unregelmäßigkeiten. Nun zeigt sich, so Albert Monteys, dass das Ende des Schweigepaktes nur vorläufig war:

"Was wir jetzt bei der Berichterstattung über den neuen König sehen, ist der Versuch, die Reihen zu schließen und zu diesem Schweigepakt zurückzukehren: Nichts Schlechtes über den König. Letztlich war es der Bruch dieses Pakts, die mediale Öffnung, die zum Rücktritt geführt hat."

Das weiß auch das spanische Königshaus. Die Bedingungen für Berichterstatter werden strenger, die Eingriffe massiver, erzählen am spanischen Hof akkreditierte Journalisten: Wer den König zuletzt beim Nickerchen fotografierte oder zu deutlich von dessen schlechtem Allgemeinzustand sprach, fand im Pressesaal keinen Platz mehr oder hatte plötzlich technische Probleme. Eine Politik der Nadelstiche – mit fatalen Folgen für die gesamte Medienlandschaft, sagt Ana Romero.

"Je grösser der politische und wirtschaftliche Druck, desto zahmer werden unsere Medien. Und so wird die Kluft zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung immer größer, was wiederum Leserschwund und Druck erhöht."

Profiteure dieser selbstgemachten Krise sind die digitalen Medien: Sie gewinnen an Glaubwürdigkeit und werden für immer mehr Spanier zur Alternative. So waren es auch genossenschaftlich organisierte Online-Zeitungen wie Eldiario, die als einzige über Selbstzensur und verlegerische Einflussnahme bei "El Mundo" und "El Jueves" berichteten.