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Wie der Staat gegen Telegram vorgehen will

Im Messenger Telegram lauert eine Schattenwelt - Mordaufrufe werden scheinbar folgenlos verbreitet. Wie das Bundesjustizministerium versucht, deutsches Recht durchzusetzen.


"Bewaffne dich! Noch schlagen sie nur mit Knüppeln! Bald werden sie schießen!" Über Karl Lauterbach: "Ab in den Knast mit dem Spinner" - "Galgen...ist billiger" Über Olaf Scholz und die Testpflicht für Unternehmen: "Ohne Worte...Allesamt vor das Volksgericht!"

Morddrohungen, Aufrufe zu Gewalt, Handel mit gefälschten Impfpässen, Waffen und Drogen - in dem Messenger Telegram scheint fast alles möglich.In vielen Gruppen und Kanälen hat sich eine Schattenwelt gebildet. Obwohl vieles strafbar ist, bleiben Hass und illegale Angebote oft stehen, werden weiterverbreitet.

Verschwörungsideologen auf Telegram: "Wunsch, den politischen Feind hinzurichten"

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BKA: Rechtsextremistische Inhalte löscht Telegram "größtenteils nicht"

Für deutsche Behörden ist das Unternehmen nicht erreichbar. Doch das könnte sich bald ändern. Das Bundesamt für Justiz, das dem Justizministerium zugeordnet ist, führt zwei Bußgeldverfahren gegen Telegram. Das weltweit agierende Unternehmen soll sich an deutsches Recht halten. Genauer: das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG).

Im Justizministerium hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass Telegram im Sinne des NetzDGs wie ein "soziales Netzwerk" behandelt werden soll. Telegram müsste dann einen Ansprechpartner in Deutschland nennen, einen Meldeweg für strafbare Inhalte einrichten und die dann auch zügig löschen oder sperren. Auf anderen Plattformen wie Facebook und Twitter gibt es das schon. Ab Februar 2022 müsste Telegram auch Nutzerdaten an das BKA weitergeben.

Wird Telegram dem nachkommen? Das Unternehmen rühmt sich: "Bis zum heutigen Tag haben wir 0 Byte Nutzerdaten an Dritte weitergegeben, einschließlich aller Regierungen."Das BKA, das schon jetzt Löschanfragen an Telegram stellt, zieht eine gemischte Bilanz: Islamistisch-terroristische Inhalte lösche Telegram regelmäßig, rechtsextremistische aber "größtenteils nicht".Telegram entferne ohnehin freiwillig Inhalte.

Telegram-Gründer Durov: meditierend in Dubai

Die Geschichte von Telegram ist eng mit der ihres Gründers, Pavel Durov, verbunden. Durov gibt sich als Freiheitskämpfer und verkörpert das auch - denn er ist selbst vor staatlicher Repression geflohen.

Durov hat Telegram 2013 mit seinem Bruder an den Start gebracht. Davor hatte er VKontakte gegründet, eine Art russisches Facebook. Als der russische Geheimdienst die Profile von Protestlern blockiert sehen wollte, kooperierte Durov nicht - und wurde danach aus seinem eigenen Unternehmen gedrängt. Durov verließ Russland, sagte, er habe nicht vor, zurückzukommen.

Wo er sich jetzt aufhält, ist unklar. Im April zeigte er sich meditierend auf einem Instagram-Foto, aufgenommen in Dubai. Dort hat Telegram auch seinen offiziellen Sitz, doch die Empfangsdame im Kazim Tower hat in den drei Jahren, in denen sie dort arbeitet, noch niemanden in das Büro gehen sehen, sagte sie kürzlich dem Spiegel. Ob die Schreiben des Bundesamts für Justiz jemals bei Telegram angekommen sind?Unklar.

Pavel Durov auf Instagram:

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Telegram wichtig für Opposition in Hongkong und Belarus

Die Pandemie hat Telegram noch einmal enormen Zuwachs beschert: Im April 2020 hatte die App 400 Millionen Nutzer, im Januar 2021 waren es schon 500 Millionen. In Deutschland vernetzten sich dort auch Corona-Leugner, QAnon-Anhänger und Extremisten. Die Absprachen der "Querdenker" finden größtenteils dort statt - mitllerweile beobachtet der Verfassungsschutz Teile der Szene.

Doch Telegram hat auch seine hellen Seiten. Pro-demokratische Kräfte in Hongkong und Belarus nutzten die App zur Vernetzung.

Die Corona-Pandemie sehen radikale Rechte als Chance: Sie wollen die Wut auf der Straße und in digitalen Räumen nutzen, um in neue gesellschaftliche Schichten vorzudringen.

Technische Möglichkeiten gegen Telegram

Nicht nur über Telegram-Gründer Durov ist wenig bekannt - auch über seine Mitarbeiter. Doch sein Team muss aus versierten Programmierern bestehen, denn sie wehrten sich erfolgreich gegen Blockade-Versuche des russischen Staats.

Das deutsche Bundesamt für Justiz hat Telegram nun Zeit gegeben, um Stellung zu nehmen. Dem Unternehmen drohen bis zu 55 Millionen Euro Strafe. Doch was, wenn Telegram nicht reagiert? Laut IT-Experten vom Chaos Computer Club gäbe es zwei technische Möglichkeiten, um gegen Telegram vorzugehen:

Über Google und Apple könnte Telegram aus den Appstores fliegen. Über Provider könnte Telegram als Ganzes in Deutschland gesperrt werden - gegen einzelne Kanäle oder Gruppen kann ein Provider nicht vorgehen.

Einen Messenger als Staat blockieren zu lassen, das wäre eine drastische Maßnahme - das NetzDG würde das nicht erlauben.

Schuhwerbung neben Aufrufen zum Widerstand? Schwer denkbar!

Natürlich wäre es auch möglich, dass Telegram selbst tätig wird und mehr eingreift. Der Extremismus-Experte Miro Dittrich von CeMAS hält das für gar nicht so unwahrscheinlich - denn ab diesem Jahr will Telegram Werbung schalten. Und Werbekunden sehen ihre Anzeigen ungern neben Aufrufen zum bewaffneten Widerstand, glaubt Dittrich:

Die geplante Finanzierung über Werbung wird weiter Druck auf die Moderation der Inhalte ausüben.

Miro Dittrich, Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS)

Telegram-Gründer Durov könnte auch von europäischer Seite Druck bekommen: Mit dem Digital Services Act, einem europäischen Vorschlag für ein Gesetz über digitale Dienste, sind eine Reihe von Vorgaben geplant.

Ob die Mordaufrufe, Angebote für Crystal Meth und Waffen irgendwann verschwinden? Telegram hat auf eine ZDFheute-Anfrage nicht geantwortet.


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