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Schließung Metzgerei Knapp: Arbeiten mit Fleisch hat kein gutes Image mehr

Erhielt zuletzt keine einzige Bewerbung mehr: der Wolfschlugener Metzger Jochen Knapp. Foto: Ines Rudel

Nun ist es also die Metzgerei Knapp. Eine weitere Schließung; diesmal in Neuhausen (Kreis Esslingen). Nach gerade einmal zweieinhalb Jahren hat Jochen Knapp die Filiale geschlossen. Obwohl es dort gut lief und der Pachtvertrag noch bis Juni 2023 läuft. Er muss also noch fast ein Jahr Miete bezahlen, verdient dort aber keinen einzigen Cent mehr. Auch die Investitionen, die er in Neuhausen getätigt hat, sind noch nicht wieder verdient. Doch dem 50-Jährigen blieb keine andere Wahl. Und damit reiht er sich ein in eine Riege von Metzgern, die aufgeben; entweder, indem sie einzelne Filialen schließen oder ihren Betrieb vollständig dichtmachen.

Worin liegt dieses Aussterben der Metzgereien begründet? Eine Spurensuche.

Nicht mal halb so viele Betriebe wie 1980

Im Juni dieses Jahres war es die Metzgerei Wagner in Stuttgart; nach 60 Jahren schloss der Familienbetrieb. Ein Jahr zuvor hatte die Stuttgarter Metzgerei Kübler dichtgemacht; nach 130 Jahren. 2017 hatte die Metzgereikette Dietz aus Bietigheim-Bissingen alle ihre rund 20 Filialen in der Region geschlossen. Und so könnte man ewig weitermachen. Seit 1980 hat sich die Zahl der Metzgereien im Südwesten mehr als halbiert. Damals gab es laut dem baden-württembergischen Handwerkstag noch 5268 Fleischerbetriebe im Land, nun sind es noch 2343.

Kaum mehr jemand will Metzger werden

Bei Handwerksberufen herrscht sowieso ein Fachkräftemangel, aber die Verarbeitung und der Verkauf von Fleisch ist offenbar besonders unbeliebt. Jochen Knapp wurde genau dies zum Verhängnis. „Wir haben immer versucht, unser Personal zu halten“, sagt er. „Doch sobald jemand geht, stehen wir vor einem massiven Problem.“

Als dann innerhalb kurzer Zeit zwei Mitarbeiterinnen aus der Filiale in Neuhausen kündigten, schaltete Jochen Knapp Jobannoncen, hängte Suchanzeigen ins Schaufenster – und erhielt nicht eine einzige Bewerbung. „Ich habe resigniert.“ Die Öffnungszeiten zu reduzieren, hätte auch nicht mehr ausgereicht: „Wir als Inhaber können nicht mehr arbeiten und das übrige Personal kann ich auch nicht weiter auslasten.“ Er entschied sich für die Schließung der Filiale in Neuhausen. Übrig bleibt der Hauptsitz in Wolfschlugen, wo noch selbst geschlachtet wird, sowie eine Filiale in Filderstadt-Sielmingen.

Studium attraktiver als Handwerksberuf

Was Jochen Knapp erlebt, kennen Metzger landauf, landab. Ihre Geschäfte laufen gut, doch sie müssen schließen, weil sie kein Personal finden. Das liege vor allem am Generationenwechsel, sagt Christiane Unger vom Landesinnungsverband für das Fleischerhandwerk: Eltern legten heute mehr Wert darauf, dass ihr Kind Abitur mache, danach solle der Sohn oder die Tochter meist kein Handwerk lernen, sondern studieren.

Zudem positionierten sich junge Menschen heute anders auf dem Arbeitsmarkt als etwa die Babyboomer, die nun nach und nach in Rente gingen. „Junge Leute haben andere Prioritäten, sie leben nicht mehr, um zu arbeiten“, sagt Unger. Und die Wünsche an einen modernen Job ließen sich schlecht mit den Öffnungszeiten einer Metzgerei vereinbaren: Homeoffice ist keine Option, Teilzeit schwierig, die Flexibilität begrenzt.

Jochen Knapp kennt diese Diskussion gut. Seine Mitarbeiter haben eine 45-Stunden-Woche, montags und dienstags beginnt der Arbeitstag um 4.30 Uhr, sonst um 5.30 Uhr. „Zwar hat man geregelte Zeiten, aber man kann nie etwas aufschieben, weil man mit Lebensmitteln arbeitet.“ Brückentage gibt es in Metzgereien nicht, Feiertage erzeugen eher mehr Stress, weil es am Tag zuvor besonders viel zu tun gebe, danach müsse man die verpasste Arbeit wieder „reinholen“.

Das Problem mit dem schlechten Image

Zusätzlich habe das Fleischerhandwerk ein Imageproblem, davon ist Christiane Unger überzeugt. „Das ist ähnlich wie beim Bau, da fürchten alle das Arbeiten im Sommer bei 40 Grad.“ Bäckereien hätten das Problem mit dem frühen Aufstehen. Und bei Metzgereien hätten eben viele das Bild eines Mannes mit blutverspritzter Schürze und Messer in der Hand im Kopf, „das ist ein No-Go heute“.

Mehr Vegetarier, weniger Fleischhunger

Sei es aus Tierliebe, aus Gesundheitsgründen oder für den Klimaschutz: Es wird weniger Fleisch gegessen. Zahlen des Allenbach-Instituts besagen, dass sich in diesem Jahr 7,9 Millionen Menschen als Vegetarier einordnen. Zum Vergleich: 2014 waren es noch 5,3 Millionen. Und die Fleischliebhaber kompensieren das nicht komplett, indem sie mehr essen. 2021 summierte sich der Verzehr von Fleisch auf rund 55 Kilogramm pro Kopf. Vor 30 Jahren, also 1991, lag dieser Wert noch bei rund 64 Kilogramm pro Kopf.

Papierkram nimmt immer weiter zu

Manchmal verzweifelt Jochen Knapp an der Bürokratie. So muss ein Metzger inzwischen zwei Mal täglich die Temperatur im Kühlraum protokollieren sowie die Kerntemperatur in Fleischstücken. Außerdem muss er regelmäßig Reinigungsprotokolle verfassen, „das ist alles Arbeit“, sagt Knapp. Was ihn daran so stört: Er habe doch ein ureigenes Interesse daran, dass der Kühlraum kühl bleibe, die Räume sauber und die Waren die richtige Temperatur hätten. Schließlich wolle er gute Ware verkaufen, damit die Kunden ihm treu blieben. Für kleine Betriebe würden solche „immer wilderen Vorschriften“ höhere Kosten erzeugen als für Großkonzerne.

Neue Zeiten, neue Herausforderungen

Ganz aktuell fürchtet man in der Branche, dass Stammkunden bald wegbleiben, weil sie angesichts der Inflation auf ihren Geldbeutel achten müssen: „Da gehen manche eher zum Discounter, um sich Fleisch und Wurst noch leisten zu können“, mutmaßt Christiane Unger. Jochen Knapp kämpft zudem – wie alle Betriebe – mit steigenden Energiepreisen und der Sorge vor dem Winter: „Ich glaube, dass viele zum Jahresende aufgeben werden.“ Auch er habe kein gutes Gefühl: „Fröhlich in die Zukunft schauen – das ist vorbei.“

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