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Sind sieben Hunde in einer Wohnung zu viel?

Tanja (links) und Jenny Morgenthaler haben sich in einer Hundeschule kennengelernt.

Zwei miteinander verheiratete Frauen halten sieben Hunde in einer Wohnung in Aichtal. Das provoziert so manchen Nachbarn, das Paar spricht von „Mobbing". Nun hat das Landratsamt Esslingen eine Entscheidung gefällt.

Aichtal - Wenn sie könnte, dann hätte Tanja Morgenthaler die Wohnung in Aichtal (Kreis Esslingen) längst wieder verkauft und wäre mit ihrer Frau Jenny weggezogen. Irgendwohin, wo sich die Menschen nicht über ein lesbisches Ehepaar mit sieben Hunden ärgern. Sie haben sich sogar schon in Norddeutschland umgeschaut. Doch weil Tanja Morgenthaler (33) die 115-Quadratmeter-Wohnung mit Garten erst im Januar 2019 erworben hat, kann sie nicht schon wieder verkaufen - zumindest, wenn sie nicht gewaltige Summen an die Bank bezahlen will. Also lebt das Paar weiterhin in Aichtal - und wünscht sich „einfach nur Ruhe und dass jeder sein Leben leben kann". So formuliert es Tanja Morgenthaler.


Pro Jahr muss ein Hund weg

Derzeit scheint es aber nicht so, als würde diese Ruhe bald einkehren. Denn vor Kurzem bekam das Paar wieder Post vom Landratsamt: Bis Ende des Jahres 2025 sollen die beiden Frauen die Anzahl ihrer Hunde auf drei Stück reduzieren, bis dahin soll pro Jahr ein Hund wegkommen. Das müssen sie belegen.

„Wenn mir jemand erzählen würde, dass in einer Wohnung sieben Hunde leben, würde ich auch erst einmal stutzen“, gibt Tanja Morgenthaler zu. Aber bei ihr und ihrer Frau gäbe es ja einen Grund dafür: Im März 2019 ist zunächst nur die 33-Jährige mit vier Hunden in ihre frisch gekaufte Wohnung gezogen. Groß Gedanken hatte sie sich darüber im Vorhinein nicht gemacht, in ihrer vorigen Wohnung in Neckartenzlingen hatte sie auch die vier Hunde, „da gab es nie Probleme“.

Die Hunde seien wie Kinder für sie

Die fingen auch erst dann an, als einige Monate später ihre Partnerin – und inzwischen Ehefrau – Jenny Morgenthaler zu ihr zog. Die 24-Jährige brachte ihre drei Hunde in die Wohnung mit. Die beiden Frauen lieben Hunde, sie haben sich auch in einer Hundeschule kennengelernt. Und für sie war klar, dass sie keinen abgeben würden, wenn sie zusammenziehen, „die Hunde sind wie Kinder für uns“, sagt Jenny Morgenthaler.

Doch nicht alle teilen diese Begeisterung. Mindestens ein Nachbar hat sich beim Landratsamt Esslingen über die hohe Anzahl der Tiere beklagt sowie darüber, dass man sie bellen höre und sie auch nachts draußen im Garten seien.

Die Tiere werden nicht im Freien gehalten

Vor einem Jahr kam der erste Brief aus Esslingen: Dem Landratsamt sei mitgeteilt worden, dass „Sie auf dem Gebiet sieben Hunde halten. Das wäre nach geltender Rechtsprechung im allgemeinen Wohngebiet nicht als ortstypisch anzusehen und daher unzulässig“. Nachdem die Morgenthalers erläutert hatten, woher die sieben Hunde kommen, erklärte die Behörde, dass maximal drei Hunde in einem „allgemeinen Wohngebiet“ zulässig seien, sofern diese überwiegend drinnen und nicht draußen gehalten würden.

Das Paar nahm sich einen Anwalt. Dieser erklärte gegenüber dem Landratsamt, dass in dem Wohngebiet nicht nur mehrere Hunde, sondern auch Hühner sowie diverse Katzen leben. Zudem seien die Frauen weit überdurchschnittlich qualifiziert, was die Haltung von Hunden angehe. Jenny Morgenthaler ist tiermedizinische Fachangestellte, Hundetrainerin und Hundefriseurin. Dazu kommt, dass mehrere der Tiere Personensuchhunde sind. Und sie würden nicht im Freien gehalten werden, weshalb die Nachbarn nicht „unzumutbar“ von ihnen belästigt würden.

Es sei unerheblich, wie viele sich beschweren

Daraufhin entschied das Landratsamt, dass die Zahl der Hunde bis Ende 2025 stufenweise reduziert werden soll – also dass nicht vier sofort wegmüssen, sondern jedes Jahr einer. „Losgelöst von der rechtlichen Entscheidung ist dem Landratsamt bewusst, dass die Situation für die betroffenen Tierhalterinnen emotional belastend ist“, sagt die Pressesprecherin Andrea Wangner. Die Entscheidung des Landratsamts sei deshalb wohlwollender, als es die Rechtsprechung vorsehe.

Allerdings müsse sich die Entscheidung an den Verordnungen zur Tierhaltung in „allgemeinen Wohngebieten“ orientieren. Und bei einer Anzahl von sieben Hunden sei es objektiv „auf keinen Fall so möglich, dass die Lebensäußerungen den Nachbarn verborgen bleiben“, erläutert Andrea Wangner. Dabei sei es unerheblich, wie viele Beschwerden eingingen, jede werde geprüft.

Lieber ziehen sie auf die Straße

Für die Morgenthalers ist die Entscheidung dramatisch. Sie hatten gehofft, dass sie sich nach dem natürlichen Tod der Hunde keine weitere anschaffen dürften – nicht aber, dass sie zu einem bestimmten Termin welche loswerden müssten. Denn zwar sind mehrere Hunde bereits recht betagt – etwa 13, zehn und zwei von ihnen älter als acht Jahre alt –, doch sie können nicht garantieren, dass jedes Jahr einer sterbe. Und bevor sie einen abgeben, ziehen sie auf die Straße, sagen die Frauen.

Allerdings bezweifeln sie, dass es tatsächlich um die Hunde geht. Denn in der Vergangenheit gab es zumindest mit einem Nachbarn auch schon Streit wegen eines Zauns, eines Parkplatzes oder eines Gartenhäuschens. „Auch wenn wir nur noch drei Hunde haben, wird das so weitergehen“, sagt Tanja Morgenthaler. Sie spricht sogar von „Mobbing“. Ihre Vermutung ist es, dass sich so mancher nicht an den Tieren störe, sondern sich schwer damit tue, dass sie als Frau alleine eine Wohnung gekauft habe – und dann kein Mann, sondern eben eine Frau zu ihr gezogen ist.

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