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Was Bio für die Landwirte bedeutet

Der Stuttgarter Bauer Klaus Brodbeck hat vor zwei Jahren auf ökologische Landwirtschaft umgestellt.

Die Menschen verlangen immer mehr nach Bio. Für die Landwirte bedeutet das einen größeren Aufwand und einen geringeren Ertrag. Gemeinsam wollen sie mehr direkt an Restaurants, Kantinen und Läden verkaufen. Die Ernennung zur Bio-Musterregion könnte dabei helfen.

Reich werde er als Biobauer nicht, sagt Klaus Brodbeck. Der Möhringer Landwirt hat vor zwei Jahren auf ökologische Anbauweise umgestellt, seit 2018 ist er Bioland-zertifizierter Bauer. Ob sich dieser Schritt auch finanziell gelohnt hat, kann er erst in zwei oder drei Jahren sagen, mutmaßt der 56-Jährige. „Einerseits wird für Bioprodukte mehr bezahlt, andererseits hat man als Bauer einen größeren Aufwand und einen geringeren Ertrag - zumindest beim Getreide."

Seit der Umstellung auf rein biologische Landwirtschaft darf Klaus Brodbeck nur noch mechanisch Unkraut bekämpfen, also ohne Pestizide. Bei Gemüse hat er das schon früher so gehandhabt, beim Getreideanbau bisher nicht. „Das ist schon aufwendiger", sagt er. Außerdem ist als Düngemittel nur noch Kompost erlaubt; auch dies macht ihm mehr Arbeit. Und das Dokumentieren ist umfangreicher geworden: Um ein Bio-zertifizierter Betrieb zu werden und zu bleiben, muss Klaus Brodbeck ständig nachweisen, was er tut, und wird unangekündigt kontrolliert.

Weil der Aufwand größer ist, hat Klaus Brodbeck seit der Umstellung auf Bio in seinem Hofladen an der Lohäckerstraße in Möhringen die Preise leicht angehoben - anheben müssen, wie er sagt. Nicht alle Stammkunden waren davon begeistert. Aber es sind neue Kunden dazugekommen, die explizit Bioprodukte kaufen wollen. „Die Nachfrage nach Bio steigt", sagt Klaus Brodbeck. „Anfang der 80er Jahre gab es schon einmal so eine Phase, und in den vergangenen vier bis fünf Jahren erleben wir erneut eine." Immer mehr Menschen würden wissen wollen, wie und wo ihre Lebensmittel produziert werden. Die regionale Bioproduktion sei da nicht mehr hinterhergekommen, weshalb ein großer Teil aus dem Ausland abgedeckt wurde. Diese Entwicklung habe mehrere heimische Bauern bewogen, in den Biosektor zu wechseln - auch ihn.

Für die Bauern hat sich dadurch auch die Vermarktung verändert: Klaus Brodbeck verkauft sein Getreide nun an einen Bio-Großhandel, der dies weiter unter Biobäckereien vertreibt. Das Gemüse bietet er fast nur im Hofladen an; Direktvermarktung nennt sich das. „Hin und wieder geht auch mal was an einen Laden oder ein Restaurant - aber das sind Ausnahmen."

Biobauern sollen mehr an Großkunden verkaufen

Dass Biobauern künftig mehr an ansässige Restaurants, Läden und Kantinen verkaufen sollen, ist eine Idee hinter der Ernennung der sogenannten Bio-Musterregionen. Seit Kurzem gehört die Landeshauptstadt gemeinsam mit dem Kreis Ludwigsburg zu den fünf Bio-Musterregionen in Baden-Württemberg. Dahinter steckt ein Projekt der Landesregierung, das die Landwirtschaft fördern will. In Stuttgart gibt es acht Bio-Betriebe, davon vier auf den Fildern.

„Jede Region entscheidet selbst, wo sie Unterstützung braucht", erläutert Brodbeck, der auch Kreisvorsitzender des Stuttgarter Bauernverbands ist. Im Allgäu gehe es zum Beispiel vor allem um Milch. Im Raum Stuttgart und Ludwigsburg stünden die hohe Nachfrage und die Vermarktung im Zentrum - aus dem einfachen Grund, weil dort aufgrund der vielen Einwohner die höchste Nachfrage nach Bioprodukten besteht. „Bei uns ist die große Frage: Wie schafft man es, die Verbindung zwischen Kunde und Erzeuger zu stärken?", sagt Brodbeck. Eine Idee ist es, dass mehrere Biobauern aus der Region ihre Waren bündeln und gemeinsam an Restaurants und Großverbraucher verkaufen. „Im Biobereich sind die meisten Betriebe klein, ein Hof kann alleine kaum eine Kantine beliefern", erklärt Brodbeck. Mit dem direkten Verkauf an ansässige Großverbraucher soll auch der wachsenden Nachfrage nach regionalen Produkten begegnet werden.

Der Sillenbucher Demeter-Bauer Klaus Wais hätte an einer solchen Zusammenarbeit mit anderen Biolandwirten ebenfalls Interesse: In der Vergangenheit haben er und auch schon seine Eltern zum Beispiel die Mensa der Waldorfschule Uhlandshöhe im Stuttgarter Osten beliefert. Doch die Kooperation endete irgendwann, weil der Hof nicht das leisten konnte, was die Schule verlangte - etwa die kontinuierliche Lieferung geschälter Kartoffeln. „Das schaffen wir personell nicht", sagt Wais. Jetzt verkauft er nur noch gelegentlich an Mensen, Betriebe oder Lokale - was er bedauert. Denn die gesellschaftliche Entwicklung, dass vor allem berufstätige Menschen viele Mahlzeiten außer Haus verzehren und nur noch am Wochenende frisch kochen, merkt Wais auch beim Verkauf am Hof: Die Kunden brauchen weniger frisches Gemüse als früher.

Der 62-Jährige hat 1988 den Hof am Eichenhain von seinen Eltern übernommen. Damals gab es noch 42 Vollerwerbsbauernhöfe im Bezirk Sillenbuch, heute ist Klaus Wais der einzige Verbliebene. Als er die 38 Hektar Fläche übernahm, hat er sofort auf Demeter-Richtlinien umgestellt, seit 1990 ist er als Demeter-Hof anerkannt. „Wir waren damals Pioniere. Ich wollte etwas Neues ausprobieren", sagt er. Außerdem habe ihn ein Biohof in der Schweiz, den er in den späten 80er Jahren besucht habe, fasziniert.

Als Demeter-Bauer achtet Klaus Wais auf einen möglichst geschlossenen Kreislauf. Die zwölf Mutterkühe sowie deren Nachzucht hält er auch, um eigenen Dünger für seine Felder zu produzieren. Und auf diesen Feldern wird wiederum das Futter für die Tiere angebaut. Mit 18 Monaten kommen seine Kühe zu einem Bio-Metzger, der sie schlachtet. Portioniert und verkauft wird das Fleisch dann wieder direkt am Hof, jedoch nur auf Bestellung.

Außerdem verkauft Klaus Wais das ganze Jahr über Obst und Gemüse, Brot, Eier und einige Milchprodukte. Das Gemüse kommt fast nur aus eigenem Anbau, andere Produkte kaufen sie von anderen Demeter-Betrieben zu, das Brot kommt zum Beispiel von der Eselsmühle, an die er wiederum Getreide liefert. „Die Kunden sollen sich darauf verlassen können, dass sie bei uns immer ein gewisses Sortiment bekommen." Dies sei nötig, weil die Kunden - vorrangig junge Familien, ältere Ehepaare sowie einige Studenten - „extrem anspruchsvoll" seien, wie er sagt. Auch weil immer mehr Supermärkte Bioprodukte anbieten und die Anzahl der Naturkostläden wächst, müsse er ein besonderes Angebot machen. „Schrumpelige Äpfel und das, was man sich früher unter Bio vorgestellt hat, das geht schon lange nicht mehr."

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