Julia Becker

Freie Journalistin und Texterin, Südbaden

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Dramatische Szenen eines Unfalls: So realistisch proben Feuerwehr und DRK den Ernstfall (Visual Story)

Realitätsnah: Mit geschminkten Wunden und schauspielerischen Können sorgten die vier Komparsen, allesamt selbst Feuerwehrleute, für ein realistisches Szenario. | Bild: Julia Becker

Das Blaulicht zuckt über das zerbeulte Blech und die geborsten Autoscheiben, leise hört man das Rufen und Wimmern der Verletzten – aber was so hochdramatisch wirkt, ist nur Schauspielerei. Denn der Autounfall mit drei Fahrzeugen in der Öflinger Straße ist an Abend eine Übung für die Helfer von Feuerwehr und DRK. Zugführer Florian Kikillus zuerst am Unfallort: Drei Fahrzeuge sind schwer beschädigt, insgesamt vier Personen eingeklemmt und verletzt.


„Wir haben Ausrüstung für zwei verunglückte Fahrzeuge, es mussten also Prioritäten gesetzt werden. In einer realen Situation hätten wir Verstärkung aus Bad Säckingen und Öflingen gerufen,“ erklärt Kikillus. Und so muss eingeteilt werden, wer am schwersten verletzt ist und wo zuerst technische Hilfe gebraucht wird – auch im Ernstfall ist die Verstärkung aus dem Nachbarort nicht immer verfügbar. „Normalerweise üben wir Montags und Freitags objektbezogen und einmal im Monat größer“, erklärt Kommandeur Nico Bibbo. Für die Durchführung größerer Übungen kommt eine mehrköpfige Gruppe zusammen, welche sich ein komplette „Drehbuch“ überlegt und das passende Material besorgt.


Was sie an diesem Abend erwartet, wusste darum außerdem Organisatoren niemand so genau. Neben den drei Fahrzeugen mit vier Schwerverletzen haben sich Christian Meier, Marcell Mutter und Patrick Seeger eine besonderer Herausforderung überlegt: der aufgeregte Schäferhund Kanto ist mit seinem verletzten Herrchen Jürgen Krais eingeschlossen. Eine besonders schwierige Lage, so Kikillus, bei der man im Zweifelsfall die Polizei hinzurufen müsste. An diesem Abend gelingt es aber, den treuen Vierbeiner aus dem Wagen zu locken.


„Helfen sie mir, bitte helfen sie mir!“ Regina Meinert umklammert die Hand des Feuerwehrmanns. Als Feuerwehrfrau weiß sie, wie sich Unfallopfer verhalten. Extra Instruktionen zu den Verletzungen gab es von Notfallsanitäter Aaron Huber. So hat Chiara Bibbo, neben Meinert im Auto eingeklemmt, eine Milzverletzung: Hier scheint es dem Unfallopfer erst noch relativ gut zu gehen, doch die innere Blutung ist lebensgefährlich und lässt das Opfer bald bewusstlos werden. Mittlerweile haben sich die acht Helfer vom DRK auf die drei Wagen verteilt: „Wir mussten etwas improvisieren. Normalerweise hätten wir deutlich nach alarmiert“, so Frank Mattes, Vorsitzender des Wehrer Ortsvereins.


Bei einer Übung genauso wie im Realeinsatz müssen die Aufgaben verteilt werden: Die technischen Hilfsmittel wie Spreizer und Schere müssen vorbereitet werden, über das Notstromaggregat werden Scheinwerfer betrieben. Gleichzeitig gilt es den Überblick zu behalten. So notiert Führungsassistent Frank Schneider, wer wo arbeitet und was wann gemacht wurde.


Der Spreizer wird mit Druckluft betrieben, trotzdem braucht es viel Kraft um mit dem schweren Gerät zu hantieren. Die Handhabung sei nicht einfach, erklärt Bibbo. An allen Wagen kommen Schere und Spreizer zum Einsatz, hier wurde mit einem Bagger ordentlich Vorarbeit geleistet. Tatsächlich seien Verkehrsunfälle rückläufig, so Bibbo: „Wenn es Unfälle gibt, sind diese dann aber sehr schwer.“


Ob ein Auto so gründlich geöffnet wird, ist auch von der Schwere der Verletzungen abhängig. Im einer lebensbedrohlichen Situation werde ein Unfallopfer auch durchs Fenster gezogen, und eine zusätzlich Schürfwunde in Kauf genommen. Die lebensgefährliche Verletzung von Chiara Bibbo hätte in einem echten Unfall wohl zu einem schnelleren Vorgehen und den Einsatz eines Rettungshubschraubers geführt. Zu Übungszwecken wurden an diesem Abend aber die Hilfsgeräte gründlich eingesetzt.

Auch Lena Zimmermann wurde aus ihrem Unfallwagen gerettet.


Dank der von Patricia Lutz sehr realistisch geschminkten Verletzungen inklusive offenem Bruch konnten auch die DRK-Helfer einen guten Einblick in den Ernstfall bekommen. „Wir haben Mitglieder, die noch keine Realeinsätze hatten“, erklärte Frank Mattes. Eine sehr realitätsnahe Übung sei darum ein wichtiger Teil der Ausbildung. Insgesamt war der Leiter der DRK-Ortsgruppe zufrieden mit seinen Kollegen – auch wenn am Anfang die Aufregung spürbar gewesen sei.


Wie eine Sardinenbüchse wurde das dritte Fahrzeug aufgeklappt. Vorher wurden die Scheiben erst mit Sprühkleber behandelt und dann eingeschlagen: So gebe es weniger Splitter. Die Windschutzscheibe wurde früher durchgesägt und das ganze Dach abgehoben. Um die Unfallopfer im Wagen besser zu schützen klappe man heute aber das Dach nach vorne weg, erklärt Bibbo. Auch im Realeinsatz werden die Unfallopfer dabei mit Gehörschutz, Plexiglasscheiben und Tüchern geschützt.


Die Wirbelsäulenverletzung von Jürgen Krais war nicht kritisch, und so konnte etwas mehr Zeit investiert werden. Die Böcke unter dem Fahrzeug stabilisieren beim Einsatz der Rettungsschere und schützen so auch das Unfallopfer. Vier Feuerwehrleute sind auch ausgebildete Sanitäter und können so das DRK im Ernstfall unterstützen, erklärt Bibbo. „Die Zusammenarbeit hat perfekt geklappt“, freut sich Mattes. Perfekt lief der Abend auch für Schäferhund Kanto: Unbeschadet konnte der Vierbeiner wieder mit seinem Herrchen vereint werden.


Nach fast drei Stunden Einsatz wurde aufgeräumt. Auch nach einer Übung ist hier noch nicht Feierabend: Im Gerätehaus muss die Ausrüstung geprüft und wieder einsatzbereit gemacht werden.

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