Julia Elisabeth Hackober

Mode- und Kulturjournalistin / Features Editor bei ICONIST.de, Berlin

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Fünf Regeln, um der Gerüchteküche zu entkommen

Dieser Artikel ist ein Blogpost von JULIAHACKOBER.COM


Wenn man, so wie ich, aus der Kleinstadt kommt, dann glaubt man sein ganzes Leben fest daran, dass man nur ganz weit weg in eine große Stadt ziehen muss, um dem Gerede der Leute zu entkommen. Ist natürlich totaler Quatsch.

Wir alle lieben Geschichten über Leute, die sich so crazy anhören, dass man nie ganz sicher ist, ob da was Wahres dran ist oder nicht. Und aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass sich Journalisten, deren Metier es ja nun mal ist, Geschichten zu suchen und zu finden, nur allzu gern in die Gerüchteküche begeben; zumal in der Modebranche ständig die absurdesten Dinge passieren („Wisst Ihr schon, dass die Chefredakteurin von Magazin XY ganze Artikel gegen Waren verkauft hat, die sie dann auf Ebay vertickt hat?!" - „NEEEEIIINN, hör auf!").

Je mehr man beim allgemeinen Gequatsche mitmischt, desto mehr erfährt man natürlich. Desto stärker läuft man aber auch Gefahr, selbst in den Mittelpunkt der Gespräche zu rücken. Das Blöde: Im einen Moment sind es harmlose Anekdoten, die auf dem Raucherbalkon bekakelt werden. Manchmal sind es aber auch haltlose Anschuldigungen, die verbreitet werden. In jeden Fall ist es angenehmer, über andere zu sprechen, als den Eindruck zu haben, dass über einen selbst gesprochen wird. Außer natürlich, man möchte berühmt werden, dann ist es immer gut, wenn über einen geredet wird.

Für alle anderen habe ich hier fünf Regeln zusammengestellt, mit denen man das Zusammenleben mit Gerüchte-Liebhabern möglichst unbeschadet übersteht. 1. Hört auf zu rauchen!

Wer nicht raucht, kommt gar nicht erst in Verlegenheit, in Schmök-Päuschen mit dem neuesten Büro-Klatsch-und-Tratsch konfrontiert zu werden. Außerdem ist es gesünder. Jawollja sagt Olja.

2. Immer schön übers Wetter sprechen

Euch erzählt mal wieder jemand eine Geschichte von der Freundin einer Freundin, deren Freund heimlich in Finnland verheiratet war und außerdem einen Latin Lover hatte, „doch, die kennst Du auch, von der Bad-Taste-Party damals im zweiten Semester, da hatte die doch was mit Max!" In solchen Fällen hilft nur, über die aktuelle Wetterlage zu fachsimpeln. Das ist so langweilig, dass dem oder der Erzählenden sofort die Lust vergeht, weitere Storys auszubreiten. Ohne Publikum keine Show.

3. Gerüchteverbreitungverhalten per App protokollieren

Man kann heutzutage ja einfach alles per App tracken: Kalorien, absolvierte Sporteinheiten, ausgegebenes Geld. Warum nicht auch Gerüchte, die man eigentlich nicht verbreiten wollte, sich dann aber doch nicht zurückhalten konnte? Ich habe mal gegoogelt, es gibt eine App namens Resolutionary, in die kann man gute Vorsätze eintragen und abhaken, wenn man sich daran gehalten hat. Guter Vorsatz=keine Geschichten mehr weitererzählen! Außer, man kriegt für's Weitererzählen einen Buchvertrag.

4. Instagram als Ersatzbefriedigung

Wer einstmals gern Geschichtchen erzählt hat und vielleicht auch mal das ein oder andere Detail hinzugesponnen hat, der wird die Neugier am Leben anderer nie ganz verlieren. Die sozialen Medien bieten da ein willkommenes Ventil. Modebloggerinnen und Instagram-Stars teilen genügend Material, um daraus ganze Persönlichkeitsprofile zusammenzuspinnen.

5. Eine Leidensgeschichte kultivieren

Gibt es jemanden, der sich als Teenager montagmorgens nicht mal schrecklich gefühlt hat, weil zu viel Cola-Weizen bei der Stufenparty zu Küssen mit ein, zwei, nein, gleich drei Jungs am gleichen Abend führten und ES. JETZT. ALLE. WISSEN? Eben. Derlei Erfahrungen kann man sehr gut dramatisieren („Ich musste die Schule wechseln! Hab ich nie ganz verwunden, die Sache!") und als erwachsener Mensch bei Gelegenheit immer mal wieder anbringen.

Denn mit dramatischer persönlicher Geschichte wird man am ehesten vom Gerüchtedampf verschont, dafür funktionieren die „Ey, die hat es echt nicht leicht gehabt"-Reflexe in unserer Gesellschaft zum Glück zu gut. Deshalb erzählen auch so viele Models von Mobbing-Erfahrungen in der Teenager-Zeit („Ich war sehr, sehr groß und sehr, sehr dünn und wurde deshalb gehänselt"). Das ist zumindest meine Theorie. Wer es zu was gebracht hat im Leben, der muss eine Leidenserfahrung vorweisen können, sonst wird ihm einfach gar nichts gegönnt.


So, ich hoffe, Ihr habt Spaß beim Ausprobieren - berichtet mir gerne von Euren Erfahrungen mit einem gerüchtefreien Leben! Was außer gemeinen Gerüchten Freundschaften noch zerstören kann, darüber habe ich HIER geschrieben. Zum Original