ZEIT: Herr Grasser, Sie haben vor elf Jahren das blaue Twitter-Logo erschaffen, das , der neue Eigentümer des Unternehmens, nun durch ein X ersetzt hat. Wie haben Sie vom Tod Ihres Vogels erfahren?
Martin Grasser: Ich habe es bei gesehen, wie alle anderen auch. Ich saß gerade am Frühstückstisch und habe Kaffee getrunken. Im ersten Moment war ich unsicher, ob Elon es ernst meint oder nur einen Scherz macht. Da war es schwer zu fassen. Aber ich war auch gespannt darauf, was als Nächstes kommt.
ZEIT: Waren Sie nicht wütend oder traurig?
Martin Grasser
Martin Grasser ist 46 Jahre alt, lebt und arbeitet in den USA in der San Francisco Bay Area. Seit 2016 betreibt der Grafikdesigner und Künstler mit "Studio Mococo" seine eigene Designagentur.
Grasser: Nein. Aber ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich das Logo nicht vermissen werde. Ich fand es immer großartig, es bei der Fußballweltmeisterschaft, bei den NBA-Finals oder auf einer Tüte Chips zu sehen. Das ist ein tolles Gefühl.
ZEIT: Wären Sie gerne vorher informiert oder gefragt worden?
Grasser: Es ist Twitters Vogel, so stand es im Vertrag. Ich musste alle Rechte abtreten. Das gehört zu meiner Arbeit. Der Vogel war dann aber elf Jahre lang auf einer Website, auf der die ganze Welt diskutiert hat. So bekam er eine Bedeutung, die er nie bekommen hätte, wäre er nur ein gut gezeichneter Vogel auf meinem Computer geblieben.
ZEIT: Wie waren die vergangenen Tage für Sie?
Grasser: Ich habe vom Frühstückstisch einen Tweet zum Aus des Logos abgesetzt, den 24 Stunden später mehrere Millionen Menschen gesehen haben. Das hätte ich nicht erwartet. Ich fand Mails von der New York Times, von der BBC und von Ihnen in meinem Postfach.
ZEIT: Sie haben den blauen Vogel nicht erfunden, sondern 2012 das neue und aktuellste Design für ihn entwickelt. Wie kam es dazu?
Grasser: Ich hatte mich nie explizit um den Job beworben. Ich wusste nicht mal, dass die Stelle existiert. Mein Name stand wohl auf der Liste eines Headhunters oder so.
ZEIT: Sie wussten nicht, dass es um das Design für das neue Twitter-Logo gehen würde?
Grasser: Während des Bewerbungsprozesses? Nein, ich bekam einen Anruf, in dem ich gefragt wurde, ob ich an einem neuen Job interessiert sei. Man könne mir allerdings weder sagen, für welche Firma ich arbeiten würde, noch was ich tun würde und wer der Kunde meines neuen Arbeitgebers sei. Ich habe "Ja" gesagt. Man will ja dann unbedingt wissen, worum es geht.
ZEIT: Waren Sie damals schon ein bekannter Designer?
Grasser: (lacht) Nein, ich war gerade mal zwei Jahre aus der Kunstschule raus. Hinterher erzählten sie mir, dass sie wohl auf eine Arbeit von mir aufmerksam geworden waren, für die ich aus dem Punkt eines i ein Logo gebaut hatte. Es war die Einfachheit der Idee, die ihnen gefiel. Mein Vorstellungsgespräch ging fünfeinhalb Stunden. Als ich danach erfuhr, dass es um Twitter ging, war ich wie weggeblasen.
ZEIT: Hatten Sie keine Angst, dass Sie an der Größe der Aufgabe scheitern könnten?
Grasser: Ich erinnere mich, dass ich dachte: Verändere nicht deinen Gesichtsausdruck, verändere nicht deinen Gesichtsausdruck. Denn ich hatte definitiv einen Heilige-Scheiße-Moment. Ich fragte mich: Wissen diese Leute, dass ich für die Arbeit gar nicht qualifiziert bin?! Tatsächlich habe ich an dem Logo aber dann gar nicht allein gearbeitet. Das Jobinterview war nicht direkt bei Twitter, sondern bei einer Designagentur. Und mein leitender Kreativdirektor Todd Waterbury dort hat wirklich an mich und meine Arbeit geglaubt. Mit dabei war außerdem Angy Che, eine Freundin aus der Kunstschule. Sie half mir beim Zeichnen.
ZEIT: Wie lief der Designprozess ab?
Grasser: Die erste Version war superhässlich. Eine sehr schlechte Zeichnung eines Vogels. In den ersten zwei Monaten entwickelten wir die Grundidee. Einen Vogel aus sich überlagernden Kreisen. Danach haben wir noch etwa zwei weitere Monate gebraucht, um die Form richtig hinzubekommen. Am Ende ging es um Details: der Schnabel etwas größer? der Kopf etwas kleiner? die Flügel weiter auseinander? Es war klar, dass der Vogel nach oben schauen muss. So strahlt er Optimismus aus.
ZEIT: Warum haben Sie den Vogel aus überlappenden Kreisen gezeichnet?
Grasser: Mir gefiel die Idee, dass das Logo die Neutralität und die Einfachheit einer Computerzeichnung hat. Wir haben mit Bleistiftskizzen angefangen. So konnten wir sehen, wie die Formen zusammenwirken. Die runde Form am Bauch des Vogels gefiel uns besonders. Als wir das dann in den Computer übertragen haben, habe ich die Kreise benutzt, um einige der Vögel zu konstruieren. Meine Meinung war, dass ein Twitter-Logo nicht so aussehen sollte, als habe es ein Mensch händisch gezeichnet.
ZEIT: In den ersten Jahren hat sich das Twitter-Logo mehrfach verändert. Ihres blieb mehr als zehn Jahre. Woran lag das?
Grasser: Wir haben das Logo ganz aus Kreisen gemacht. Es war auf seine einfachste Form reduziert, und ich glaube, das hat es so erfolgreich gemacht. Ich dachte immer, es sei ein Logo für die Ewigkeit, und ich denke, es hätte für immer Bestand haben können.
ZEIT: Wie viel hat Twitter damals für das Logo bezahlt?
Grasser: Ich habe keine Ahnung. Ich war angestellter Designer und bekam das Gehalt eines leitenden Designers.
ZEIT: Gab es eine einmalige Zahlung für das Logo oder musste Twitter jährliche Lizenzgebühren überweisen?
Gasser: Keine Firma würde jemals eine jährliche Lizenzgebühr für ein Logo unterschreiben. Wenn man bedenkt, wie oft das Twitter-Logo schon reproduziert wurde.