Jonas Wagner

Journalist, Frankfurt am Main

1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

Frührente: Wie man früher in die Rente kommt

Irgendwann reichts! Viele Beschäftigte wollen oder müssen früher in den Ruhestand und nicht mehr so lange arbeiten, wie eigentlich vorgesehen. Doch das ist finanziell oft gar nicht so einfach, weil man für jeden Monat, den man früher geht, auf Geld verzichten muss. Experten erklären, wie man schon mit 50 Jahren aufhören kann zu arbeiten, welche Abzüge man hat, wenn man früher in Rente geht und ob es sich lohnt, privat dafür vorzusorgen.

Wann kann man frühestens in den Ruhestand?

Wer genug Geld gespart hat, kann natürlich jederzeit aufhören zu arbeiten. Menschen, die sich der Fire-Bewegung angeschlossen haben, versuchen das etwa gezielt und legen jeden Monat einen Teil ihres Gehalts aufs Konto oder investieren in Aktien oder Immobilien, um dann etwa mit 50 Jahren in gehen zu können. Doch die allermeisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen mindestens 67 Jahre alt sein, um in den regulären Ruhestand gehen zu können. Dies gilt für alle ab 1964 Geborenen. Für alle Älteren steigt das reguläre Rentenalter bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre. Doch die Rente geht auch früher mit der sogenannten vorgezogenen Altersrente. "Da liegt das frühestmögliche Rentenalter bei 63 Jahren", sagt Dirk Manthey, Experte der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund). Dafür muss man allerdings auf mindestens 35 Versicherungsjahre kommen. Und: Wer früher in Rente geht, bekommt weniger Geld.

Welche Rentenarten gibt es?

In Deutschland gilt das sogenannte Drei-Säulen-Modell. "Die wichtigste Säule ist die gesetzliche Rentenversicherung", sagt Manthey. Also die Rente, die alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer irgendwann erhalten und für die sie jeden Monat gemeinsam mit ihrem Arbeitgeber Beiträge an die Versicherung zahlen müssen. Die zweite Säule ist die betriebliche Altersversorgung. Hierzu zählen beispielsweise Direktversicherungen, Pensionskassen oder Pensionsfonds. "Ungefähr 50 Prozent aller Beschäftigten haben eine betriebliche Altersvorsorge, meistens durch einen Tarifvertrag", sagt Ingo Schäfer, Referatsleiter für Alterssicherungspolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Je nach Branche sind die Angestellten dazu verpflichtet, in die Betriebsrente einzuzahlen - oder sie beteiligen sich freiwillig daran. Außerdem gibt es die private Altersvorsorge, um die sich jeder selbst kümmern kann. "Dazu zählen auch die staatlich bezuschusste Riester-Rente und private Rentenversicherungen", sagt Manthey von der DRV Bund. Auch Eigentum, Vermögen oder Wertpapiere gehören zur privaten Altersvorsorge.

Wann sollte man anfangen, sich mit der Rente zu beschäftigen?

Am besten so früh wie möglich. Schon als junger Mensch kann es sinnvoll sein, sich über die Rente Gedanken zu machen, vor allem, wenn es darum geht, privat vorzusorgen. Wer sich darüber schon früh informiert und entscheidet, in welchem Job er wie lange arbeiten will und wie er mit Versicherungen oder dem Erwerb einer Immobilie vorsorgt, muss sich später weniger stressen. Manthey empfiehlt, sich spätestens ab Anfang 50 über die Rente Gedanken zu machen. "Weil man dann schon überschauen kann, wie das bisherige Erwerbsleben verlaufen ist. Auch hat man meist noch ausreichend Zeit, um seine Rentenplanung flexibel an anzugehen." Es sei wichtig, die Rente zu planen - sowohl finanziell als auch persönlich, sagt Rentenwissenschaftler Johannes Rausch vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht. "Man hat plötzlich sehr viel mehr Freizeit und mit der Arbeit fällt für viele ein Großteil des sozialen Umfeldes weg." Den Antrag selbst sollte man hingegen erst drei Monate vor dem geplanten Rentenbeginn stellen.

Wie viel gesetzliche Rente kann man erwarten?

Die gesetzliche Rente funktioniert nach dem Umlageverfahren. "Die Einnahmen eines Monats dienen im selben Monat der Finanzierung der Ausgaben", sagt Manthey. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen jeweils 9,3 Prozent des Bruttogehaltes in die Rente ein - zusammen also 18,6 Prozent. Die Rentenhöhe hängt dann davon ab, wie viele sogenannte Entgeltpunkte ein Arbeitnehmer in seinem Erwerbsleben gesammelt hat. Der Durchschnittsverdiener sammelt in jedem Jahr einen Entgeltpunkt, wer etwa das Eineinhalbfache des Durchschnitts verdient hat, bekommt 1,5 Punkte angerechnet. Die Entgeltpunkte spiegeln also das Einkommen wider, für das Beiträge gezahlt wurden. Diese Entgeltpunkte werden am Ende des Erwerbslebens in Euro umgerechnet.

"Aktuell entspricht ein Entgeltpunkt einem Wert von etwa 36 Euro in den alten Bundesländern und etwa 35,50 Euro in den neuen Bundesländern", sagt Manthey. Dieser Wert verändert sich allerdings: In der Regel gibt es zum 1. Juli eines Jahres eine Rentenanpassung, die sich an der Lohnentwicklung und Inflation orientiert. Sinken kann der Rentenwert übrigens nicht. Wie viel Rente einen später erwartet und wie viele Rentenpunkte man gesammelt hat, erfährt man in der Renteninformation, die die DRV einmal jährlich an jeden Angestellten versendet, der mindestens fünf Jahre Beitragszeiten erworben hat. Ab 55 Jahren erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer statt der jährlichen Renteninformation alle drei Jahre eine Rentenauskunft, die mehr Informationen enthält, etwa zu Altersrenten oder zur Hinterbliebenenrente.

Wie sicher ist die gesetzliche Rente?

Es gab mal einen Bundesarbeitsminister, Norbert Blüm (CDU), der mit Plakaten für die Rente warb und sagte: "Die Rente ist sicher". Das war im Jahr 1986, doch seitdem hat sich viel verändert. "Bei einem Umlageverfahren werden die derzeitigen Beitragszahlungen zur Finanzierung der derzeitigen Renten verwendet", erklärt Rentenforscher Johannes Rausch. Ein Rentner wird heute von rund zwei Angestellten finanziert. In den Sechzigerjahren waren es noch sechs Arbeitnehmer. Das dürfte sich weiter verschärfen, da in Deutschland seit 1973 mehr Menschen pro Jahr sterben, als geboren werden. Die Zahl derer, die in die Rentenversicherung einzahlen, sinkt also weiter, wenn nicht mehr Menschen nach Deutschland einwandern.

Deshalb werden Veränderungen des Rentensystems in Deutschland immer wieder diskutiert. Die Bundesregierung will die gesetzliche Rentenversicherung laut ihrem Koalitionsvertrag um eine teilweise Kapitaldeckung erweitern. Das heißt, dass die DRV mit zehn Milliarden Euro Steuergeld einen Kapitalstock anlegen soll, also in Aktien investieren soll. Viele Expertinnen und Experten gehen jedoch davon aus, dass darüber hinaus Veränderungen des Rentensystems notwendig werden. Vor Kurzem etwa forderte der Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, dass auch Beamte und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen sollen.

Wie verhindert man, dass man im Alter verarmt?

Im Jahr 2019 waren dem Statistischen Bundesamt zufolge 18 Prozent der Über-65-Jährigen von Armut betroffen. Das heißt, sie hatten ein kleineres Nettoeinkommen als 1.176 Euro im Monat. Rentnerinnen und Rentner sind überdurchschnittlich oft von Armut betroffen. Betroffene können dann die Grundrente beziehen. Diese ist ein Zuschuss, der zusätzlich zu einer niedrigen staatlichen Rente gezahlt wird. Dazu muss man allerdings 33 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben und erhält dann im Durchschnitt einen Zuschlag von 75 Euro im Monat. Die volle Grundrente bekommen Rentnerinnen und Rentner, die 35 Jahre eingezahlt haben. Die maximale mögliche Zuzahlung beträgt 418 Euro. Um zu verhindern, dass man im Alter auf diesen Zuschuss angewiesen ist, hilft es nur, möglichst lange Vollzeit zu arbeiten und viel einzuzahlen sowie Ersparnisse aufzubauen. Doch das ist für viele Menschen nicht möglich, sodass sie auf Unterstützung angewiesen sind.

Zum Original