Joe Principe und Zach Blair von der US-Punkband Rise Against über die Hoffnung, dass Donald Trump doch über kurz oder lang vom zornigen Volk gestürzt wird.
Mister Blair, Mister Principe - Donald Trump ist seit einem Jahr Präsident der USA. Er wird geliebt und gehasst. Letzteres eher von alternativen Künstlern wie Ihnen. Wie würden Sie den Zustand der amerikanischen Seele beschreiben? Zach Blair: Nach acht Jahren Obama dachte ich, wir wären auf dem richtigen Weg. Ich dachte, ich kann für alle Amerikaner sprechen. Und dann kam diese Wahl und hat meine Hoffnungen und Träume zerschmettert, für irgendjemand anderen als für mich sprechen zu können. Ich kann diese Frage wirklich nicht beantworten, ich bin ganz ehrlich zu Ihnen. Wir sind jetzt in der Trump-Ära, alles ist möglich. Joe Principe: Aber es macht die Menschen entschiedener, die nicht mit Trump einverstanden sind. Blair: Das stimmt. Und eines steht fest: Bei der nächsten Wahl werden die Leute, die aus Bequemlichkeit nicht gewählt haben, den Mund aufmachen. Das ist eine gute Sache.
Joe Principe, Sie leben in Chicago. Ich bin diesen Sommer sechs Wochen durch die USA gereist und hatte den Eindruck, die Stadt ist viel entspannter als etwa die Küstenmetropolen New York und Los Angeles. Wie erleben Sie Chicago? Principe: Ich bin dort geboren, aufgewachsen und ich lebe immer noch dort. New York ist mir zu verrückt, und in Los Angeles versuchen alle immer, irgendjemanden zu beeindrucken. Ich mag die verschiedenen Jahreszeiten, Winter, Sommer - auch wenn ich mich das kalte Wetter im Februar zu nerven anfängt. Ich liebe die Kultur und die Architektur Chicagos, die Musikhistorie und -szene mit dem Blues. Sogar House-Musik hat hier begonnen, und großartige Punkrock-Bands kamen aus Chicago.
Chicago ist eine Hochburg der Demokraten und wird seit den 1930er Jahren von demokratischen Bürgermeistern regiert. In Europa gelten die Ost- und Westküste der USA als liberal, wohingegen die zentralen Staaten als eher konservativ gelten. Principe: Chicago ist eine sehr liberale, weltoffene Stadt. Es ist witzig, weil Chicago ein bisschen wie eine Insel im Staat Illinois ist. Südlich von Chicago ist es sehr rechts und etwas rassistisch. Ich wuchs in einem sehr toleranten Umfeld auf, meine Mutter hat alle meine Freunde akzeptiert, egal, welche Hautfarbe sie hatten. Deswegen war es auch komisch, als wir „Wolves" in Nashville aufgenommen haben. Es war fast wie ein Kulturschock. Diese ausgeprägt rechte Umgebung, das war sehr ungewohnt für mich. Natürlich hast du Ausnahmen hier und da, Staaten wie Iowa und Nebraska - aber eigentlich scheint der ganze mittlere Westen republikanisch dominiert.
Rise Against ist eine politische Band, Sie haben Präsident Trumps Pläne zum Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze kritisiert. Aber ist die Angst vor einem Atomkrieg tatsächlich so präsent im Alltag? Principe: Ich glaube, das ist präsenter als es je zuvor, zumindest was mein Leben angeht. Ich habe Freunde, die auf Hawaii leben. Das Verteidigungsministerium hat allen Hawaiianern E-Mails geschickt, was im Falle eines nuklearen Angriffs von Nordkorea auf Hawaii zu tun ist. Das ist irre, dafür können wir uns definitiv bei Trump bedanken. Es ist fast so, als hätte er den Menschen das Gefühl gegeben, zumindest in einigen Gegenden, es sei in Ordnung, offen rassistisch zu sein. Das ist sowas von lächerlich.
Aber er verweist darauf, die Dinge anzupacken und endlich wieder was zu bewegen ... Principe: Er verändert das Land. Aber zum Schlechteren, das steht fest.
Ist das auch die politische Botschaft Ihres aktuellen Albums „Wolves"? Principe: Für mich geht es auf „Wolves" darum, sich zusammenzutun, für sich selbst einzutreten und keine Angst zu haben, seine Meinung zu äußern. Davon handelt der Titelsong. Auch wenn nicht das ganze Album politisch ist, finde ich, dass alles was wir tun können ist, den Mund aufzumachen. Denn das ist es doch, was Veränderung bringt, oder nicht? Wenn du laut genug schreist, wirst du gehört.
Apropos gehört werden - Sie veröffentlichen Ihre Musik seit Jahren auf Major-Labels. Wie passt das zur Punk-Attitüde, zu politischen, kritischen Inhalten? Ist das noch glaubwürdig? Principe: Natürlich sagt jede Band, wenn sie bei einem Major-Label unterschreibt, sie mache das, um mehr Hörer zu erreichen. Für uns war das allerdings wirklich der Grund - und es hat funktioniert. Wir haben nicht auf das große Geld geschaut. Es ging darum, so viele Menschen wie möglich zu erreichen und unsere Kreativität zu erhalten. Blair: Es hat auch nie jemand mit uns diskutiert, was wir machen können und was nicht. Principe: Und wenn es so wäre, würden wir ihn sofort aus dem Studio schmeißen!
Ihre Musik wurde auf den letzten Alben immer melodischer - wie passt das zur wachsenden Wut auf die US-Politik? Principe: Jede Veröffentlichung ist von einer bestimmten Zeit geprägt. Immer das, was wir in diesem Moment gefühlt haben. Manchmal schreibst du aggressivere Songs, manchmal melodischere. Im Endeffekt ist es doch so: Nichts ist vorgefasst. Es ist lediglich das, was wir zu dieser Zeit gefühlt haben.
Interview: Jonas Wagner