Jonas Gerding

freier Journalist, Kinshasa

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Artikel

REDD+ im Kongo-Becken: Wer keine Bäume fällt, wird belohnt

In der DR Kongo wollen internationale Geber testen, wie der Regenwald gemeinsam mit der Bevölkerung geschützt werden könnte: Geld fließt dann, wenn nicht gerodet wird. Doch der "REDD+"-Ansatz ist umstritten.


Das Dorf, in dem Olivier Mirindi vom Motorrad steigt, kennt man in der Gegend im Westkongo unter der Kilometerzahl, die auf dem schmalen Weg dorthin durch den Regenwald zurückgelegt werden muss: 13. Das Logo der Firma "Somicongo Forest Conservation" prangt auf einem handgemalten weißen Schild am Straßenrand, darunter stehen Namen von Pflanzen, die hier gesetzt werden sollen: Bananen, Akazien und Kakao.


Olivier Mirindi ist der Leiter des Projekts. Er will die Menschen hier vom Nutzen seiner Pflanzen überzeugen. Hunderte Setzlinge hat die Firma Somicongo im schattigen Teil des Demonstrationsgartens aufgereiht, die darauf warten, gepflanzt zu werden. Das Ziel: Ein Anbau mit nur kleinflächigen Rodungen oder auf bereits gefällten Flächen, die den tiefen Regenwald nicht gefährden.


140 Gigatonnen CO2 gespeichert

Mirindis Vorhaben ist eingebettet in ein kontrovers diskutiertes Rahmenwerk der Vereinten Nationen zum Schutz von Wäldern als Kohlenstoffspeicher: REDD+. Über 350 Projekte wurden seit 2007 in 50 Ländern angestoßen. In dem sich auf sechs Länder erstreckenden Kongo-Becken, dem zweitgrößten Regenwaldgebiet nach dem Amazonas, wird vor allem ein Verbundprojekt in der kongolesischen Provinz Mai-Ndombe unterstützt. Mirindi will mit den Kleinplantagen zeigen, dass sich die von kongolesischen Wäldern gespeicherten 140 Gigatonnen Kohlenstoffdioxid auf innovative Weise schützen lassen.


Schon gerodete Flächen sollen teils mit Akazien und Kakao bepflanzt werden

Olivier Mirindis Pflanzung im Regenwald ist ein Pilotprojekt, das er später ausdehnen und in großem Stil mit internationalen Geldern umsetzen möchte. Das Areal, auf dem einst industriell Bäume für den Holzmarkt gefällt wurden, möchte er in einen Naturpark umwandeln. Anders als in vielen Naturschutzgebieten soll allerdings eine Bewirtschaftung erlaubt sein. In Partnerschaft mit den lokalen Gemeinden möchte Mirindi definieren, bis wohin der Wald von ihnen für den Lebensunterhalt genutzt werden kann - und wo Schutzzonen beginnen.


Das Besondere an allen REDD+-Projekten in der Provinz Mai-Ndombe: Die Auszahlungen sollen "ergebnisbasiert" abgewickelt werden. Dafür wird hochgerechnet, wie viel CO2 in den Wäldern gespeichert ist. Für den Anteil, der nun dank der vermiedenen Rodung durch die Projekte geschützt wird, sollen die Projektbetreiber in Zukunft bezahlt werden. Das kann über ein Programm der Weltbank abgerechnet werden - oder über private Anbieter von CO2-Kompensationen, die sich vor allem an Firmen aus den Industrienationen richten.


Der Beweis steht noch aus

Olivier Mirindi verspricht sich von Letzterem die größeren Einnahmen. Seit 100 Jahren würde hier Tropenholz geerntet, ohne dass bei den Menschen in der Region viel von den Gewinnen angekommen wäre. "Ich persönlich glaube daher, dass es an der Zeit ist, die Dinge zu ändern. Mit dem Naturschutz kann man Geld verdienen, Entwicklung zu den lokalen Gemeinschaften und den indigenen Völkern bringen", sagt der Unternehmer.

Projektleiter Olivier Mirindi hat große Pläne. Dabei soll auch die Bevölkerung mit eingebunden werden


Er sieht darin eine Win-Win-Situation: Auf der einen Seite ein Weg für internationale Konzerne, ihre CO2-Bilanz zu verbessern, auf der anderen die Möglichkeit für die Regenwaldbevölkerung, daraus ein Geschäft zu machen. Emissionszertifikate über zwei Millionen Tonnen CO2 möchte Mirindi so jährlich auf den Markt bringen.


Ob ihm das gelingen wird, muss sich allerdings erst noch zeigen. Denn: Um Qualitätssiegel für den privaten CO2-Markt zu bekommen, wird noch genauer geprüft, ob der Wald wirklich so flächendeckend durch Holzschlag bedroht ist, wie von Mirindis Waldschutzfirma Somicongo behauptet. Zudem wird er sich mit den Gemeinden in der Gegend noch im Detail darauf verständigen müssen, wo die Wälder genutzt werden dürfen, wo die Schutzzonen beginnen - und was sie als Gegenleistung an alternativen Erlösquellen und sozialen Projekten erhalten.


Potenzial für Konflikte

Bei anderen Projekten in Mai-Ndombe, die bereits weiter vorangeschritten sind, hat das in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen geführt. Darum geht es auch in der Studie "REDD-Minus", die von der kongolesischen Nichtregierungsorganisation "Actions pour la Promotion et Protection des Peuples et Espèces Menacés" (APEM) im Oktober in der Provinzhauptstadt Inongo vorgestellt wurde.


Bei den zwei untersuchten Projekten in der Region hätten die Betreiber die dortigen Gemeinden nicht ausreichend bei der Planung einbezogen, was zu Konflikten geführt habe, sagt APEM. Die versprochenen Gegenleistungen seien oft nicht oder unzureichend erbracht worden. Und so scheinen die Projekte nur wenig gegen das Problem der Baumfällungen ausrichten zu können, so das Fazit des Berichts.


Ein unfairer Deal?

Auch Gustave Bolowe blickt kritisch auf REDD+: "Das ist eine Art, sich über uns lustig zu machen", sagt der Sprecher der "Union pour le Développement des Minorités Ekonda", die sich für die Rechte marginalisierter Volksgruppen in der Demokratischen Republik Kongo einsetzt. Er fragt sich, wo die vielen Millionen an Fördergeldern gelandet sind, deren Auswirkungen er nicht sehe.


"Was haben wir davon? Die stark industrialisierten Länder machen ihrerseits keine REDD+-Projekte. Aber sie zwingen Menschen in armen Ländern, wo es noch ein wenig Wald gibt, dazu, ihren Wald zu schützen. Gleichzeitig setzen sie weiterhin Emissionen frei."


Auf der Fahrt mit Olivier Mirindi durch das Regenwald-Areal in Mai-Ndombe wird zudem deutlich, wie schwer es die Waldschützer von Somicongo noch haben werden, den Holzfällern wirklich etwas entgegenzusetzen. Bereits wenige hundert Meter außerhalb der Stadt Inongo qualmt es rechts und links des Weges. Zwischen verkohlter Erde sind die Baumstümpfe kürzlich gefällter Bäume zu sehen. Ein stechender Geruch steigt in die Nase, der von einem Hügel herüberweht, unter dem Holzkohle schmort. Für die Menschen der Region sichert das den Lebensunterhalt.


Mirindi wird möglichst vielen von ihnen wirkliche Alternativen bieten und gleichzeitig die allzu idealistischen Erwartungen potenzieller Geldgeber dämpfen müssen: "Die Gemeinden müssen ihre Toten begraben dürfen, wofür es Särge braucht. Sie müssen bauen, wofür sie sie Holz benötigen. Sie müssen Feuer machen." Die Entwaldung auf null zu bringen, sei daher unmöglich, so der Somicongo-Projektleiter.


Die Recherche wurde gefördert und unterstützt von Netzwerk Recherche. Zum Original