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Darum brauchen Retter freie Bahn

Fast perfekt: Diese Autofahrer haben korrekt eine Rettungsgasse gebildet. Allerdings sollte niemand auf der Fahrbahn stehen.

Ignorante Autofahrer machen Rettern keinen Platz, andere schlängeln sich im Windschatten von Einsatzfahrzeugen dreist durch den Stau. Es sind solche Szenarien, die sich vermutlich täglich auf deutschen Straßen abspielen. In Bossen kam es am Dienstag zu einem Rettungsdienst-Unfall, weil ein Autofahrer einem Notarzt die Vorfahrt nahm. Im Gegenverkehr des Einsatzfahrzeugs hielt ein Wagen korrekterweise rechts an. Der folgende Fahrer scherte aber zum Überholen aus. Der Notarzt musste so stark bremsen, dass der folgende Rettungswagen in das Fahrzeug des Kollegen krachte. Ob pure Ignoranz oder Unaufmerksamkeit Grund für solche Fahrweisen ist, sei hinterher schwer festzustellen, sagt Denny Mieles, Leiter des Rettungsdienstes im Landkreis Teltow-Fläming.

Meist sind Autofahrer schlichtweg überfordert, wenn sie Blaulicht sehen und Martinshorn hören. Die Straße ist möglicherweise eng, eine rote Ampel oder stockender Verkehr versperrt den Weg. Viele Menschen wissen nicht, wie sie in solchen Situationen richtig reagieren, sagt Mieles. „Wenn man ein Martinshorn hört, muss man sich erst mal orientieren, wo es herkommt. Viele Bürger sind bereits mit dieser Situation überfordert." Manche würden Blaulicht und Martinshorn aber anscheinend auch einfach nicht registrieren.

Grundsätzlich ist jedem Einsatzfahrzeug mit Sondersignalen entsprechend der Straßenverkehrsordnung sofort freie Bahn zu verschaffen. Innerorts bedeutet das: Autofahrer müssen möglichst rechts fahren, anhalten oder langsam weiterfahren und die Einsatzfahrzeuge überholen lassen. „Autofahrer sollten aber nicht blind anhalten, wenn sie so den Weg versperren", sagt Mieles. Oberstes Gebot sei es, freie Bahn zu machen. Im Zweifel sollten die Fahrer lieber weiterfahren und eine günstigere Stelle finden, um Platz zu machen. Besonders dafür geeignet sind Bushaltebuchten oder Straßeneinmündungen.

In Städten sind Ampeln oftmals ein Problem für die Retter. Viele Autofahrer blockieren den Weg, weil sie vor roten Ampeln stehen. Aber auch dort sind sie verpflichtet, freie Bahn zu schaffen. Nähert sich von hinten ein Fahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn, müssen Autofahrer über eine rote Ampel fahren und sich vorsichtig in den Kreuzungsbereich vortasten, um den Rettern die Weiterfahrt zu ermöglichen.

Außerorts müssen Autofahrer Rettungs- und Polizeifahrzeuge ebenfalls überholen lassen. Dazu fahren sie am besten möglichst rechts und halten idealerweise auch an. Dabei komme es immer wieder zu einem problematischen Phänomen, sagt Mieles. „Wenn ein Wagen rechts anhält, dann halten entgegenkommende Verkehrsteilnehmer oft auf genau der gleichen Höhe an. Die Einsatzfahrzeuge müssen dann stark abbremsen, um langsam zwischen den beiden Fahrzeugen durchzufahren". Besser sei es, versetzt anzuhalten - in jedem Fall so, dass freie Bahn geschaffen werde, sagt Denny Mieles.

Auf zwei- oder mehrspurigen Richtungsfahrbahnen, etwa auf Bundesstraßen oder Autobahnen, soll man eine sogenannte Rettungsgasse bilden. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Johanniter Unfallhilfe hat im vergangenen Jahr ergeben, dass nur jeder dritte Führerscheinbesitzer weiß, wie man das macht.

Bereits bei stockendem Verkehr und Stau soll man eine derartige Gasse für Polizei- und Rettungsfahrzeuge bilden, ganz gleich, ob ein Unfall passiert ist oder nicht. Es muss dann zwischen dem äußerst linken und den weiteren rechten Fahrstreifen Raum für Einsatzfahrzeuge gelassen werden. Alle Autofahrer auf der linken Spur fahren nach links. Alle anderen Autofahrer auf den rechts daneben liegenden Spuren fahren nach rechts. Diese Regelung gilt gleichermaßen für zwei-, drei- oder vierspurige Richtungsfahrbahnen. Diese Regel ist darin begründet, dass auf den linken Fahrspuren meistens agile Fahrzeuge unterwegs sind, während rechts hauptsächlich schwer aus dem Weg zu schaffende Lkw fahren. Doch der Schwerlastverkehr bereite den Feuerwehrleuten oft Probleme, sagt Thomas Lemmler von der Feuerwehr Königs Wusterhausen. Wenn sich der Verkehr auf der Autobahn staut, führe das regelmäßig zu unübersichtlichen Situationen. „Alle sind dann nur daran interessiert, so schnell wie möglich aus dem Stau zu kommen."

Deshalb muss schon bei stockendem Verkehr eine Gasse gebildet werden. Denny Mieles ist selbst jahrelang Rettungswagen gefahren und hält sich an diese Vorgabe. „Aber ich sehe selten jemanden, der sich mir anschließt", sagt er.

Gelegentlich beobachten die Rettungskräfte auch, dass Gassen nach dem ersten Einsatzfahrzeug wieder geschlossen werden. Für nachfolgende Retter muss dann immer wieder aufs Neue eine Gasse gebildet werden. Das koste wertvolle Zeit. Denn wenn Retter im Anmarsch sind, entscheiden oftmals Sekunden über Leben und Tod. „Im schlimmsten Fall kann eine Verzögerung einen Patienten das Leben kosten", sagt Mieles.

Thomas Lemmler hätte eine Idee, wie sich Autofahrer möglicherweise erziehen ließen. Er würde Banner an Autobahnbrücken hängen, auf denen die Wichtigkeit von Rettungsgassen angemahnt wird. „Wir würden die Autofahrer gerne aufklären", sagt er. Doch diese Chance bleibt den Feuerwehrleuten verwehrt. Das Land verbietet Werbung an Autobahnbrücken - und deutet die Banner auch als solche.

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