Hallo. Cool, dass du anderer abonniert hast. Über diesen Newsletter möchte ich meine Berichterstattung ergänzen, Fotos von meinen Reportagen veröffentlichen, und Eindrücken und Gedanken Luft machen, die zu sperrig, wild oder eigenartig sind, um sie einer Redaktion schmackhaft zu machen. Außerdem verlinke ich an dieser Stelle meine Artikel der letzten Woche, sowie den wöchentlichen Podcast "Horizont USA'', den ich seit kurzem zusammen mit Max Böhnel für das ND mache. Wie das ganze in ein paar Wochen aussieht, bestimmt nicht nur mein Bock, sondern auch euer Feedback, also lasst mich wissen, was ihr lesen wollt, was euch nervt, was euch fehlt.
Ich hab die letzte Woche im Permbecken verbracht, einem riesigen Gebiet dass sich vom Zentrum von Texas bis in den Nachbarstaat New Mexico zieht. Das Permbecken ist das größte Öl- und Gasvorkommen der USA, und eines der produktivsten Regionen der Welt. Das Öl, das hier gepumpt wird, hat aus dem armen Bauernstaat Texas einen der reichsten der USA gemacht, im zweiten Weltkrieg hat das Öl aus dieser Einöde die Panzer, Schiffe und Fahrzeuge des amerikanischen Militärs befüllt
Eigentlich war ich im Permbecken, um einem Geruch nachzugehen. Bei jeder Fahrt durch die Region dringt ein schwefelartiger Gestank ins Auto, der genauso riecht, wie wenn ich den Gasherd nicht ausmache. Dahinter verbirgt sich natürliches Gas, das als Nebeneffekt bei der Ölförderung produziert wird. In vielen Fällen führen Lecks an Tanks, Pipelines und Bohrstellen dazu, dass das Gas in die Atmosphäre dringt. Vielerorts wird das Gas aber auch verbrannt oder einfach so aus den Bohrstellen gelüftet. Die großen Stichflammen, die man öfters auf Fotos von Ölbohrungen und Raffinerien sieht, gehen in den meisten Fällen darauf zurück, dass hier "unnützes" Gas verbrannt wird. Da die Förderung von Öl weitaus profitabler ist als die von Erdgas, wird letzteres eben nur da auch gesammelt und gefördert, wo es rentabel ist.
Der unlustige Witz dahinter ist natürlich, dass im Permbecken das gleiche Erdgas verbrannt wird, das Deutschland aus Russland bezieht, und von dem es sich ja nun endlich lossagen will. Die Logik des Marktes macht es für Produzent:innen im Permbecken in vielen Fällen einfach unrentabel, den Rohstoff zu verkaufen, also wird er in die Atmosphäre geballert.
Ich habe mit einer Reihe von Personen gesprochen, die im Permbecken von der Förderung von Öl und Gas leben. Die meisten von ihnen zweifeln am Klimawandel und glauben, dass es sich hier um einen Vorwand handelt, mit dem ihnen die Existenzgrundlage entzogen werden soll. Andere äußern Bedenken, dass nachhaltige Energien in absehbarer Zeit die fossilen Brennstoffe ersetzen könnten. Alle hatten ziemlich knackige Konter gegen meine ökologischen Bedenken: du bist doch auch mit dem Auto hierher gefahren, wusstest du, dass deine Kleidung auch aus Öl gemacht wird, weißt du, woraus Plastik besteht?
Ja, ja, ich weiß.
Die Gegend um Städte wie Midland und Odessa, Texas ist fraglos eine der hässlichsten Landschaften, die ich jemals besucht habe. Die hochtechnologisierte Ölförderung in West Texas braucht eine Vielzahl von kleineren Zulieferer-Industrien, die alle auf ihre eigene Art laut, dreckig und abstoßend sind. Im Stadtbild kommt gefühlt eine Frau auf 10 Männer, eine Kandidatin für das Bürgermeisterinnen Amt in Midland hat mir erzählt, dass sie eine zeitlang die einzige weibliche Person war, die in der Stadt ein öffentliches Amt bekleidet hat. Aber die Leute sind stolz auf ihre Arbeit, auf den Wohlstand, den sie der kargen Landschaft abpressen, das Leben, das sie hier für sich und ihre Familien aufbauen. Sie sind mir gegenüber defensiv, als würde ich versuchen, ihnen das abzusprechen.
Mehr aus meiner Zeit im Permian kommt über die kommenden Wochen in diversen Medien, natürlich wird hier auch alles verlinkt. Hier noch ein paar Fotos.
Der USA Korrespondent Max Böhnel und ich haben für das ND einen Podcast unter dem Namen "Horizont USA" gestartet. Letzte Woche ist die erste Folge rausgekommen, ihr könnt ihn über alle gängigen Plattformen abonnieren oder hier finden. Am Freitag haben wir über die Gouverneurswahlen in Texas gesprochen und Max hat von seinem Besuch auf einer Trump Veranstaltung in Pennsylvania erzählt, diese Woche berichtet er über Rechtsextreme und linke Selbstverteidigung an der Ostküste, und ich erzähl noch mehr aus dem Permbecken.
Für Telepolis habe ich über dieselben Wahlen in Texas geschrieben, dabei messe ich dem außerordentlich profil-losen Demokraten Beto O'Rourke nur mäßige Chancen für das oberste Amt im Bundesstaat bei. Den Artikel findet ihr hier
Das wars für die erste Ausgabe von anderer. Wie geht's dir jetzt? Schreib mir ruhig und sag, was du denkst. Du erreichst mich bei jstreeck@proton.me, oder lass uns auf Twitter streiten: @JohannesStreeck