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Zwischen Erwartungsdruck und Titelsehnsucht

Bild: imago/camera 4

Sie war spektakulär, die vergangene Saison von Alba Berlin. In Liga und Pokal ging es bis ins Finale. Der Wermutstropfen: Zweimal triumphierte Bayern München. Die Sehnsucht nach Titeln ist also groß - doch die Verantwortlichen mahnen. Von Johannes Mohren

So lief die vergangene Saison:

Es war eine spektakuläre Alba-Spielzeit. Aber auch eine, in der die Krönung verwehrt blieb. Dabei fehlte wahrlich nicht viel. Den Spielverderber aus Berliner Sicht gab gleich zwei Mal Bayern München. Und zwei Mal war es dramatisch. Im Pokal führte Alba im Finale gegen Bayern München vor Beginn des letzten Viertels bereits mit zehn Punkten, hatte den Sieg unmittelbar vor Augen - und verlor am Ende doch. In der Liga ging es in einer packenden Finalserie bis in Spiel fünf. Da unterlagen die Albatrosse. Schlussendlich war es deutlich: 106:85. 

Komplimente für Albas junges Team gab es dennoch in großer Zahl. Die Albatrosse waren wohl die Überraschung der Saison. Nicht nur, weil - trotz der Finalniederlagen - das Ergebnis stimmte. Auch die Leistung beeindruckte. Alba spielte schönen Basketball - darin waren sich eigentlich alle einig. "Wir haben davon gelebt, dass es Aito und seinem Team gelungen ist, die Spieler zu entwickeln - und vor allem auch, die Geschlossenheit herzustellen", sagt Alba-Manager Marco Baldi. Und: "Wir waren ein Top-Team im wahrsten Sinne des Wortes."

Wer kommt, wer geht?

Die gute Nachricht für Alba ist: Die Fluktuation hält sich in Grenzen. Das sah in den Vorjahren meist anders aus. Die Transferbilanz in Zahlen: vier Abgänge, vier Neue. Das vielleicht Wichtigste: Der Kern der Mannschaft um MVP Luke Sikma, Niels Giffey, Joshiko Saibou, Peyton Siva oder Dennis Clifford konnte gehalten werden. Es besteht also die Hoffnung, dass die Einspielphase nicht allzu lange dauert. Der Haken: Noch sind viele verletzt. Clifford sogar längerfristig - für ihn soll übergangsweise noch ein Ersatz-Center verpflichtet werden. Saibou steht zumindest für das Auftaktspiel gegen Jena auf der Kippe.

Insgesamt wurde der reine Spieleretat aufgestockt: Zwanzig Prozent mehr stehen den Berlinern in dieser Saison für ihr Team zur Verfügung. Dafür kam auch neue Qualität. Die Neuzugänge eint: Es wurden talentierte Spieler verpflichtet, die sich noch weiterentwickeln können und sollen, aber ihre Können auch schon nachgewiesen haben. Johannes Thiemann ist der neue Center - als Nachfolger von Bogdan Radosavljevic. "Die erste Zeit hat super viel gemacht", sagt der deutsche Nationalspieler, der aus Ludwigsburg in die Hauptstadt kam: "Der Teamspirit ist da."

Die weiteren Neuen: Kenneth Ogbe, Dreier-Spezialist und A2-Nationalspieler, der zuvor an der Utah Valley University spielte. Martin Hermannsson, isländischer Nationalspieler, ist Kandidat für beide Guard-Positionen. Und der Litauer Rokas Giedraitis soll auf dem Flügel glänzen. Ihnen stehen - neben Radosavljevic - die Abgänge von Akeem Vargas (Frankfurt), Marius Grigonis (Kaunas) und Spencer Butterfield (Pallacanestro Reggiana) gegenüber. Insgesamt umfasst der Kader nun 17 Spieler, sechs haben eine Doppellizenz und dürfen auch für Albas Partner Lok Bernau in der Dritten Liga antreten.

Der Trainer:

"Er ist ein Genie", sagte NBA-Star Kristaps Porzingis, als er im Juli bei Alba vorbeischaute - und über seinen früheren Trainer Aito Garcia Reneses sprach. Und der Power Forward der New York Knights fügte hinzu: "Alba kann sich glücklich schätzen, ihn als Coach zu haben." Er sprach damit etwas aus, das sie bei den Berliner selbst am besten wissen. Der spanische Trainer ist entscheidender Baustein für den Erfolg. Er hat bei Alba die Einheit geformt. Gleichzeitig, so betont Baldi, habe er jeden Einzelnen besser gemacht.

Der 71-Jährige und das jüngste BBL-Team. Es passt. Wie man Titel gewinnt? Er weiß es. 45 Jahre lang hatte er zuvor in der spanischen Liga gecoacht - die Zahl der Triumphe seiner Teams sind beachtlich. Mit der spanischen Nationalmannschaft gewann er 2008 Olympia-Silber. Bei Alba bremst er die Erwartungen vor der neuen Saison. Ganz bewusst. Der Titel als Ziel? "Wenn wir das fordern, wird es schwierig. Das erste, was wir machen müssen, ist den Gegner zu respektieren. Und nicht zu viel darüber nachdenken, wo wir am Ende landen."

Erwartungen an die kommende Saison:

Bei Manager Marco Baldi rennt er damit offene Türen ein. Ihm macht vor dem Start eines Sorgen: die Erwartungshaltung. Von außen - aber auch intern. Sie ist mit der vergangenen Saison erheblich gewachsen. Baldi ist es, der den Mahner gibt. Das Credo: Wer denke, es gehe automatisch so weiter, mache einen großen Fehler. "Ich persönlich glaube, dass wir vor einer sehr schwierigen Saison stehen", sagt er. Die Konkurrenz in Bamberg schätzt man bei Alba stark ein und das angekündigter Sparmaßnahmen zum Trotz. Und - natürlich (!) - die Bayern, die Mannschaft, gegen die man in der Vorsaison einen Quasi-Zweikampf führte.

Doch bei allem Mahnen sagt Baldi auch: "Die Vorzeichen vor der neuen Saison sind sehr gut."  Dank der Kontinuität. Und dank gezielter Neueinkäufe. Klar ist: Der Wunsch, Titel zu gewinnen, lässt sich in der Hauptstadt kaum verhehlen. "Die Sehnsucht ist natürlich riesengroß", sagt etwa der Aufsichtsratsvorsitzende Axel Schweitzer. Es wird ein Balanceakt für Alba in der Saison 2018/19. Zwischen dem Druck der Erwartungen, der lähmen kann. Und der beflügelnden Hoffnung nach dem großen Wurf.
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