Der Kopf raucht, die Gedanken drehen sich im Kreis? Sie brauchen eine Pause! Wenn es nach dem amerikanischen Psychologen David Strayer geht, sollten Sie diese am besten in der Natur verbringen. Strayer ist sich sicher: Die Natur ist nicht nur gut für das Wohlbefinden, sondern auch fürs Denken.
In einer Studie hat Strayer gezeigt, dass eine Auszeit vom Stadtleben die mentalen Fähigkeiten wiederherstellen kann. Gemeinsam mit seinen Kollegen Ruth Ann Atchley und Paul Atchley veröffentlichte er die Ergebnisse vor Kurzem im Fachjournal Plos one. Demnach erzielen Menschen bei einem Kreativitätstest um 50 Prozent bessere Ergebnisse, wenn sie zuvor mehrere Tage in der Wildnis verbracht haben. Elektronische Geräte, etwa Mobiltelefone und Computer, waren dort verboten. Strayer schließt daraus: Auch wer ständig am Bildschirm klebt, kann die Folgen durch einen Waldspaziergang korrigieren.
An der Studie beteiligten sich 30 Männer und 26 Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei 28 Jahren. Sie wanderten vier bis sechs Tage durch die Wildnis der amerikanischen Bundesstaaten Alaska, Colorado, Maine oder Washington.
Alle Teilnehmer absolvierten einen zehnteiligen Kreativitätstest. 24 lösten die Aufgaben, bevor sie am ersten Tag aufbrachen, noch unter dem Einfluss ihres normalen Alltags. Die anderen widmeten sich dem Test am Morgen des vierten Tags in der Wildnis.
Die Ergebnisse: Wer vier Tage abseits der Zivilisation unterwegs war, löste sechs der zehn kreativen Herausforderungen richtig. Vor Beginn der Wanderung waren es nur vier von zehn Aufgaben. Die Fähigkeit, Probleme zu lösen, verbesserte sich also um 50 Prozent.
Eine mögliche Erklärung bietet nach Ansicht der Forscher die Attention Restoration Theory von Rachel und Stephen Kaplan. Sie besagt, dass es Energie kostet, die Aufmerksamkeit zielgerichtet auf bestimmte Reize zu richten - und andere, störende auszublenden. Leider sei die moderne Welt voller Ablenkungen: Sirenen heulen, wenn ein Krankenwagen vorbeifährt. Alarmanlagen kreischen aus parkenden Autos herüber. Telefone klingeln. Fernseher plärren. Trotz dieser Aufmerksamkeitskidnapper seine Aufgaben zu erledigen sei mental anstrengend.
Im Grünen werde dagegen weniger willentliche Aufmerksamkeit benötigt. Denn natürliche Landschaften beanspruchen nach Kaplan und Kaplan die Aufmerksamkeit auf mühelose, leichte Weise. Man muss sich nicht anstrengen, um vorbeiziehenden Wolken hinterherzuschauen. Nach einer Auszeit habe man dann wieder neue Energie, um sich zielgerichtet auf bestimmte Reize zu konzentrieren.
Noch unklar ist nach Ansicht von David Strayer und seinen Kollegen jedoch, ob die positiven Effekte durch die Natur allein bedingt werden - oder durch den zusätzlichen Verzicht auf technische Geräte. Anders gesagt: Wie erholsam es ist, mit dem Mobiltelefon am Ohr durch den Wald zu laufen, müssen weitere Studien zeigen.
Johannes Künzel
Quelle: Ruth Ann Atchley, David Strayer, Paul Atchley: Creativity in the wild: Improving creative reasoning through immersion in natural settings. Plos one, 7/12: doi:10.1371/journal.pone.0051474. Der Volltext ist online zugänglich, www.plosone.org.