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Mirko Hesse - Der Rechte Rand - Ausgabe 150 - Nazi-Spitzel

https://www.der-rechte-rand.de/wp-content/uploads/drr_150.pdf

Als Multiaktivist in der RechtsRock-Szene machte sich Mirko Hesse Ende der 1990er Jahre einen Namen. Trotz Enttarnung als V-Mann und mehrjähriger Haft kämpft er weiter für die »National Befreite Zone«.

Als im Jahr 2002 bekannt wird, dass an der Produktion der volksverhetzenden »Landser«-CD »Ran an den Feind« mindestens zwei V-Leute des Verfassungsschutzes mitgearbeitet haben, ist die Verunsicherung in der rechten Vertriebsszene groß. Mirko Hesse aus Sebnitz in der Sächsischen Schweiz hat für das »Bundesamt für Verfassungsschutz« (BfV) gespitzelt. Führende Köpfe der Vertriebsszene wenden sich von ihm ab, die örtlichen KameradInnen stehen jedoch weiter hinter ihm. Hesse weist die Vorwürfe von sich. Im neonazistischen »Thiazi«-Forum beteuert er 2009 nochmals, die Behauptungen gegen ihn seien allesamt falsch. »Front-Records«-Betreiber Thomas Persdorf entgegnet ihm, er habe »so viele Leute beschissen«, dass eine Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr in Frage komme. Auch das Fanzine »Der Weisse Wolf« stellt Hesse öffentlich an den Pranger. Dabei hat sich Hesse schon zu Beginn der 1990er Jahre nicht nur in der bundesweiten RechtsRock-Szene einen Namen gemacht. In Jugendjahren schließt er sich der »Nationalen Offensive« an, ein Jahr lang ist er bei der DVU, ehe er sich der »Freiheitlich Nationalen Partei« (FNP, später Freiheitliche Partei Deutschlands, FPD) anschließt. 1993 gründet er die »Hammerskins« Sachsen (SHS oder HSS) und reist zu Treffen häufig in die USA. 1996 findet die Polizei bei ihm Bombenbauanleitungen und Propagandaschriften der Organisation »Combat 18«. In dieser Zeit wird Hesse auch vom BfV angeworben, wo er unter dem Namen »Strontium« geführt wird. Die Gründung der SHS verkündet Hesse in seinem Fanzine »Hass Attacke«, das schnell zum Sprachrohr der deutschen »Hammerskins« avanciert. 1997 meldet er mit »H.A. Records« ein Gewerbe an, das zukünftig dazu dienen soll, neonazistische Musik zu produzieren und zu vertreiben. Mit Existenzgründungshilfe der EU und des Landes Sachsen in Höhe von 13.000 DM bekommt Hesse eine solide Basis für sein Geschäft. Er produziert Bands aus ganz Europa, reist herum und lernt die mutmaßlichen NSU-UnterstützerInnen Thomas Starke, Jan Werner, Ralf Marschner, Jörg Winter und das Ehepaar Antje und Michael Probst kennen. Im Jahr 2000 kommt Werner auf Hesse zu und bittet ihn erst um den Entwurf eines Covers für die neue »Landser«-CD »Ran an den Feind«. Später wird er Co-Produzent und bezeichnet sich als hauptverantwortlich für die Beschaffung der CDs. Ein weiteres Projekt sind die »White Aryan Rebels«, deren CD »Noten des Hasses« er zusammen mit Toni Stadler, einem weiteren V-Mann, produziert. Es ist Hesses aktivste Zeit, in der er auch durch Gewalttaten auffällt. Am 11. Juli 2001 findet bei Hesse erneut eine Hausdurchsuchung statt. Neben mehreren Handwaffen, darunter drei Feuerwaffen mit Munition, finden die Fahnder tausende »Landser«-CDs und ein Schleifgerät. Hiermit hatte Hesse mehrere Wochen lang die Presswerkskennungen aus den Innenringen der Landser-CDs geschliffen. Hesse wird sofort festgenommen und später zu zwei Jahren Haft verurteilt. Weitere zwei Jahre kommen im Rahmen der Paragraph-129-Ermittlungen gegen die »Hammerskins« hinzu. Das Verfahren gegen die Gruppe wird zwar eingestellt, Hesse aber wegen Volksverhetzung, Verwendens von verfassungswidrigen Kennzeichen und Gewaltverherrlichung verurteilt. Nach zwei Jahren und acht Monaten kommt der dann 29-Jährige frei, dann wird es ruhig um ihn. Am 1. Mai 2008 wird klar, dass bei Hesse kein Sinneswandel eingesetzt hat. Zusammen mit sechs anderen Neonazis greift er im nahegelegenen Stolpen eine Gruppe alternativer Jugendlicher an. Obwohl die Täter bekannt sind, kommt es zu keiner Verurteilung. Das Amtsgericht Pirna verschleppt das Verfahren über vier Jahre. Es wird im Mai 2012 gegen geringe Geldauflagen eingestellt. Während dieser Zeit pflegt Hesse guten Kontakt zu tschechischen Neonazis und nimmt 2009 an einem Aufmarsch in Ústí nad Labem teil. Seit 2011 betreibt Hesse in Sebnitz eine Siebdruckerei mit angeschlossenem Versandhandel und Ladengeschäft. »Deutschlands 1. National Befreite Zone« steht auf einigen der angebotenen T-Shirts. Die Zeiten von »Hammerskins« und den »Skinheads Sächsische Schweiz« sind zwar vorüber, Hesses neonazistische Ideologie aber bleibt unverändert. Nachdem am 4. November 2011 der »Nationalsozialistische Untergrund« (NSU) auffliegt, muss Hesse am 6. Juni 2012 in der örtlichen Polizeiwache erscheinen. Aufgrund seines Umfeldes erhoffen sich die ErmittlerInnen wichtige Hinweise von ihm. Hesse gibt sich in der Vernehmung zwar geläutert, aber wortkarg. Er gibt nur die Dinge zu, die ihm aus früheren Gerichtsurteilen zweifelsfrei nachgewiesen werden konnten. Einen Kontakt zum NSU-Trio streitet er ab. Er betont sogar, er erwäge eine Klage gegen Medien, die ihn namentlich mit dem NSU zusammen erwähnen. Er gibt zu, mehrmals in Chemnitz auf rechten Konzerten gewesen zu sein. »Chemnitz Concerts 88« oder kurz »die 88er«, will er allerdings noch nie gehört haben. Dabei organisierte das Chemnitzer RechtsRock-Netzwerk in Chemnitz zahlreiche Konzertveranstaltungen während Hesses aktivster Zeit. Jan Werner und Thomas Starke waren hier aktiv. Hesse allerdings mutmaßt, »CC88« habe sich »jemand ausgedacht«. Auch die Fragen, ob er jemals in Jena oder Heilbronn war, verneint er. Auf seiner Facebook-Seite verkündet er allerdings öffentlich im Rahmen einer Umfrage, Jena und Heilbronn gehörten zu den 33 deutschen Großstädten, die er schon besucht habe. Angeklickt hat er dies mindestens ein halbes Jahr vor seiner Vernehmung. Zwickau stand nicht zur Auswahl. Die Stadt verlor 2003 ihren Großstadtstatus.