Johanna Treblin

Reporterin | Journalistin, Berlin

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Geld weg, Vertrauen verloren

Bauarbeiter sollen höhere Löhne erhalten. Doch wer wird am Ende tatsächlich etwas davon haben? Foto: imago images/Arnulf Hettrich

Rund 890 000 Menschen arbeiten in der Baubranche. Sie sollen bald mehr Lohn erhalten, fordert die Industriegewerkschaft BAU - und droht mit Streik. Die Gewerkschaft verlangt unter anderem 5,3 Prozent mehr Lohn und eine Angleichung der Gehälter in Ost und West. "Nach insgesamt vier Verhandlungsrunden haben die Arbeitgeber am 22. September die letzte Chance, sich mit uns auf einen neuen Tarifvertrag am Verhandlungstisch zu einigen, sonst wird es mehr als ungemütlich", sagte am Freitag IG-BAU-Bundesvorsitzender Robert Feiger. Wenn auch die anschließende Schlichtung scheitere, "kommt der Arbeitskampf".

Schon heute steht fest: Viele Arbeiter auf dem Bau werden nichts von dem Tarifabschluss haben. Denn etliche Baubeschäftigte arbeiten ohnehin ohne gültigen Arbeitsvertrag, bekommen nur einen Teil ihres Lohns regulär ausgezahlt oder gelten als Selbstständige. Andere arbeiten bei Subunternehmen, die nur für ein einziges Bauprojekt gegründet werden, keinen richtigen Firmensitz haben - und Insolvenz anmelden oder verschwinden, bevor sie die Löhne für ihre Beschäftigten auszahlen.

Oft sind es Wanderarbeiter*innen aus Osteuropa, die so über den Tisch gezogen werden. Teils fehlen ihnen die Sprachkenntnisse, teils steht in den deutschen Verträgen etwas anderes als in den Papieren, die sie in ihrer Landessprache ausgehändigt bekommen. Einige kennen ihre Rechte nicht gut genug, andere kennen sie, sind auf die Jobs aber angewiesen.

Ein besonders prominenter Betrugsfall waren die rumänischen Arbeiter auf der Baustelle der Mall of Berlin im Jahr 2014. Sie wurden bei der Fertigstellung des gigantischen Einkaufszentrums am Potsdamer Platz um ihren Lohn geprellt. Dazu ist nun ein Buch erschienen. Die Herausgeber*innen von "Mall of Shame - Kampf um Würde um Lohn", Hendrik Lackus und Olga Schell, haben als Mitglieder der Basisgewerkschaft FAU die Arbeiter bei ihrem Protest und ihren darauffolgenden Gerichtsprozessen begleitet.

Die Mall of Berlin ist ein Projekt der HGHI Leipziger Platz GmbH und Co. KG, hinter der der Investor Harald Huth steht. Hunderte Menschen waren auf der Baustelle am Potsdamer Platz beschäftigt, die das Bauunternehmen Fettchenhauer beaufsichtigte. Nach einigen Monaten bekamen einige von ihnen - darunter viele Männer aus Rumänien - plötzlich keinen Lohn mehr. Sie protestierten, zunächst alleine, dann mit Unterstützung der FAU. Sieben zogen schließlich vor Gericht. Doch ihr Geld erhielten sie nie: Ein Subunternehmen, bei dem sie beschäftigt waren, ging pleite. Die Chefs des anderen waren nicht mehr auffindbar. Auch der Generalunternehmer Fettchenhauer meldete Insolvenz an. Und so klagten zwei der Arbeiter schließlich gegen den Investor. Das Bundesarbeitsgericht wies im Oktober 2019 ihre Klage ab. Die Begründung ist etwas kompliziert: Ein Generalunternehmer könne für ausbleibende Löhne von Subunternehmen haftbar gemacht werden, ein Investor nicht. Denn der Investor sei in der Regel "branchenfremd", müsse also nicht einschätzen können, ob die Subunternehmen ihre Arbeit tatsächlich ordentlich machen können. Dafür sei der Generalunternehmer zuständig. Dass Huth eine Shoppingmall nach der anderen bauen lässt und damit eine gewisse Erfahrung haben sollte, tat für die Richter nichts zur Sache.

Lackus und Schell fahren im Frühjahr vor dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts nach England. Dort treffen sie Elvis Iancu und Bogdan Droma, die 2014 die Proteste gegen die Firma von Harald Huth angeführt hatten. Außerdem sprechen sie mit Gioni Droma, Bogdans Bruder, und Cubylyass Dumitru, ihrem Cousin.

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