Eine Besonderheit des US-Wahlsystems: die Zwischenwahlen zwischen zwei Präsidentschaftswahlen können zu einer „lahmen Ente" im Weißen Haus führen.
Das Wahlsystem in den USA sieht vor, dass zwei Jahre nach einer Präsidentschaftswahl der Kongress am Dienstag nach dem ersten Montag im November neu gewählt wird. Bei den sogenannten midterm elections, auf Deutsch Zwischenwahlen, Halbzeitwahlen oder Kongresswahlen genannt, werden alle 435 Abgeordnete des Repräsentantenhauses und ein Drittel der 100 Senatorinnen und Senatoren neu gewählt. Das Präsidentenamt ist von der Zwischenwahl ausgenommen, denn der US-Präsident wird in einem Turnus von vier Jahren gewählt - wobei er oder sie maximal zwei Amtszeiten absolvieren darf.
Im Rahmen der Zwischenwahlen stehen auch mehrere Gouverneure - in Deutschland mit den Ministerpräsident:innen vergleichbar - zur (Neu-)Wahl, sowie zahlreiche Bürgermeister:innen und Parlamente in den einzelnen Bundesstaaten. Allerdings erlangen diese weniger mediale Aufmerksamkeit als die Wahlen der Kongressmitglieder auf Bundesebene.
Midterm-Wahlen: Traditionell gewinnt die Partei, die nicht den Präsidenten stelltDie Zwischenwahlen gelten als wichtiges Stimmungsbarometer und Bilanz der bisherigen Politik des Präsidenten. Nach zwei Jahren im Amt können die Wähler:innen zumeist sehr genau sagen, ob sie mit der bisherigen Politik ihres Staatsoberhauptes zufrieden sind oder nicht. Traditionell kann die Partei mehr Kongress-Mandate für sich gewinnen, die nicht den Präsidenten stellt. Die Wählerschaft der Oppositionspartei ist meistens motivierter, den Präsidenten abzustrafen und ihn am effizienten Weiterregieren zu hindern.
Denn für den Gesetzgebungsprozess auf Bundesebene in Washington D.C. ist es erforderlich, dass die Gesetzentwürfe in beiden Kammern des US-Kongresses verabschiedet werden, im Repräsentantenhaus und im Senat. Gesetzesinitiativen können aus einer der beiden Kammern kommen. Wenn auch die jeweils andere Kammer für das Gesetz gestimmt hat, wird es dem Präsidenten zur Unterschrift vorgelegt und somit ratifiziert.
In den USA können Bundesgesetze de facto nur verabschiedet werden, wenn die Partei des Präsidenten die erforderlichen Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses stellt. Im Repräsentantenhaus ist eine einfache Mehrheit erforderlich, im Senat für die allermeisten Gesetze eine Mehrheit von 60 Prozent, um den sogenannten Filibuster zu verhindern. Diese Sperrminoritätsklausel sieht vor, dass mindestens 60 der 100 Senator:innen vor der eigentlichen Abstimmung zu einem Gesetz dazu ihre Stimmen abgeben, ob das Gesetz überhaupt zur Abstimmung gelangt. Kommen die erforderlichen 60 Stimmen in der Vorabstimmung nicht zusammen, „stirbt" ein Gesetz im Senat.
Die Zwischenwahlen können dazu führen, dass der Präsident zur „lahmen Ente" wirdDa die Partei des Präsidenten erfahrungsgemäß in den Zwischenwahlen in einer oder beiden Kongresskammern ihre Mehrheit verliert, wird die Regierung mittels Bundesgesetzen praktisch unmöglich. Er wird dann als „lame duck", lahme Ente" bezeichnet. Denn wenn die Opposition beide oder auch nur eine der Kammern dominiert, werden keine Gesetze mehr verabschiedet. Es ist bei der derzeit gespaltenen politischen Stimmung in den USA äußerst unwahrscheinlich, dass Politiker:innen der Opposition mit der Mehrheitsfraktion ihrer Kammer abstimmen. Also sind Gesetzesvorhaben auf Bundesebene nach den Kongresswahlen zumeist von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Dem Präsidenten bleibt dann nur noch, mittels Dekreten, also Exekutivgesetzen, zu regieren. Zwar stehen ihm hierbei recht weitreichende Befugnisse zu, doch die executive orders, wie sie auf Englisch heißen, haben ihre Tücken. Zum einen könnte man die mangelnde parlamentarische Legitimation kritisieren - was auch stets von der jeweiligen Oppositionspartei getan wird. Zum anderen können Exekutiv-Anordnungen des Präsidenten von seinem Amtsnachfolger oder seiner Amtsnachfolgerin sofort rückgängig gemacht werden - was zumeist auch geschieht.
Wie auch bei den Präsidentschaftswahlen, werden die Zwischenwahlen von den Bundesstaaten nach ihren eigenen Wahlgesetzen abgehalten. In der Regel finden - wie auch bei den Präsidentschaftswahlen - Vorwahlen, die primaries, statt. Dabei wählen die Wähler:innen der Demokraten bzw. der Republikaner die Person, die für ihre Partei kandidiert. Zum Midterm-Wahltermin wird dann zwischen den Kandidierenden der beiden Parteien abgestimmt.
Grundsätzlich sind die Vorwahlen sehr aufschlussreich, da sie zeigen, welche Strömung innerhalb der Parteien sich in einem Wahlkreis (Repräsentantenhaus) oder einem Bundesstaat (Senat) durchsetzt. Tendieren die Demokraten eher zu einem Progressiven oder zu einer Establishment-Kandidatin à la Präsident Joe Biden - oder bei den Republikanern: hat eine liberal-Konservative die Nase vorn oder doch eher ein von Ex-Präsident Donald Trump unterstützter rechtsnationaler Hardliner?
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