Johanna Gollnhofer

Professorin für Marketing , St. Gallen

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Fluentes und doch nicht langweiliges Produktdesign

Nachhaltige Produkte kämpfen teilweise immer noch mit Absatzschwierigkeiten, obwohl KundInnen - über alle Altersklassen hinweg - Nachhaltigkeit für ihre Kaufentscheidungen als sehr wichtig bewerten. Kann ein attraktives Produktdesign diesen Widerspruch auflösen?

 

Aus der Forschung wissen wir, dass das Produktdesign einen entscheidenden Einfluss auf die tatsächliche Kaufentscheidung von KundInnen hat. Ein attraktives Produktdesign ruft positive Emotionen hervor und führt letztendlich zu höheren Verkaufszahlen.

 

Für KundInnen ist ein Produktdesign umso attraktiver, je einfacher, im Fachjargon «fluenter» (eng.: fluent) sie das Design im Kopf verarbeiten können. Diese «fluente» Verarbeitung wird, neben anderen Faktoren, dadurch bedingt, wie leicht KundInnen ein Produkt einer Produktkategorie zuordnen können:  Ist dieser Helm ein Fahrradhelm oder ein Ski-Helm? Ist dieses Produkt ein Fleischersatz?
Jedoch können KundInnen längst nicht jedes Produkt in eine Kategorie einordnen; dies kann selbst zum Misserfolg von Produkten führen. So konnten KundInnen Segway – damals ein neuartiges Gefährt - nicht wirklich der Fahrrad- oder der Rollstuhl-Kategorie zuordnen. Als Resultat fand Segway kaum Anklang bei KundInnen und hat nicht die Vision des Gründers, nämlich das Auto zu ersetzen, erfüllt.

 

Ein «fluentes» Produktdesign sollte dazu führen, dass mehr KundInnen tatsächlich nachhaltige Produkte wählen. Daher verpacken V-LOVE (von Migros) oder BEYOND MEAT ihr veganes, nachhaltiges Hackfleisch auch so, dass es an herkömmliches Fleisch erinnert. Zudem nehmen beide Marken im Design dezent die Farbe Grün auf, welche von KundInnen stark mit Nachhaltigkeit assoziiert wird. KundInnen können somit diese Produkte leicht und «fluent» der Kategorie Fleischersatz zuordnen.

 

Ein Produktdesign kann jedoch auch zu «fluent» sein. Dies führt dann nicht zu höherer Attraktivität, sondern zu Langweile im Kopf der KundInnen. Das zu «fluente» Produktdesign lässt das Produkt als zu typisch erscheinen, es geht in der Masse von Wettbewerbsprodukten unter. Dyson hat diesen Mechanismus verstanden. In einem doch recht «öden» Markt, dem Staubsaugermarkt, sticht Dyson mit seinem fast schon futuristischen Design für Staubsauger aus der Masse heraus. Die funktionelle Verbesserung (z.B. höhere Saugleistung) kann hier wohl eher als angenehmes Nebenprodukt verstanden werden.  Durch ein komplexes und innovatives Design macht Dyson den KundInnen Lust auf einen neuen, hochpreisigen Staubsauger.

Auch nachhaltige Marken nutzen diesen Kunstgriff: Planted spielt für seine Fleischersatzprodukte mit lila, grün, rot und gelb. Die teilweise grellen Farbkombinationen erregen die Aufmerksamkeit von KundInnen. Karma (von coop) setzt für seine nachhaltigen Produkte auf ein farben- und formenreiches Produktdesign, welches fast schon verspielt erscheint.

 

Ein rein «fluentes» Produktdesign war insbesondere von Nöten, als die Produktkategorie um nachhaltige Produkte noch im Entstehen war. KundInnen haben somit erstmal visuell gelernt, wie ein nachhaltiges Produkt aussieht. Im Laufe der Zeit, werden wir jedoch vermehrt nachhaltige Marken sehen, welche sich von dem traditionellen, «fluenten» Design lösen und auffällige Designelemente bieten. Dies mit dem Ziel aus der Masse herauszustechen. Zu aufregend und a-typisch sollte es dennoch nicht werden, sonst droht diesen Produkten das Schicksal von Segway.


(veröffentlich in persönlich (https://www.persoenlich.com/) im Mai 2022)