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Da braut sich was zusammen | DUMMY 69 Vergangenheit

In Berlin wurde die Mohrenstraße umbenannt. Jetzt ist die Mohrenbrauerei in Österreich dran. Oder doch nicht?

Von Johann Voigt

Der „Mohr" blickt teilnahmslos an der Laptopkamera vorbei. Er wirkt wie eine nicht sehr nett gemeinte Karikatur aus einer anderen Zeit: schwarz, volle Lippen, Kraushaar, treudoofer Blick. Der „Mohr" ist ein Bierlogo. Stephan hält sein Mohrenbräu-Kellerbier in der Hand und prostet mir im Zoom-Meeting zu. Es ist sein Lieblingsbier. Er trägt außerdem einen Pullover mit dem Logo der Vorarlberger Mohrenbrauerei. Im Hintergrund hängt bei ihm eine Fahne der Antifaschistischen Aktion. „Ich bezeichne mich als Antirassisten und als Antifaschisten", sagt Stephan, der selbst aus Vorarlberg stammt, aber mittlerweile in Wien lebt. Ein Antifaschist mit einem Bier in der Hand, das für andere den Gipfel des Rassimus darstellt. Es geht in dieser Debatte um Deutungshoheit, Diskriminierung und Tradition. Darf sich ein Bier Mohrenbräu nennen und als Logo die karikaturhafte Silhouette einer schwarzen Person verwenden? Das sei ganz klar rassistisch, sagen die einen. Das war schon immer so und gehört einfach dazu, sagen die anderen. „Ob sich das Logo morgen, in fünf oder zehn Jahren ändert, ist mir persönlich egal", sagt Stephan und wird dann konkreter. „Wenn man solche Diskussionen anstößt, die nicht ungerechtfertigt sind, sollte man sich nicht an einer Brauerei abarbeiten. Man sollte nicht nur Symptome von Rassismus bekämpfen, sondern die Wurzel: den Kapitalismus." Bis der Kapitalismus weltweit abgeschafft wird, wollen andere nicht warten. 3.221 Menschen haben die Petition „Mohrenbrauerei Dornbirn: Logo jetzt ändern!" unterzeichnet. Viermal so viele allerdings die Gegenpetition „Rettet das Mohrenbräu-Logo". Natürlich verteidigt die rechte FPÖ das Logo, wovon sich die Brauerei aber flugs distanzierte. Und natürlich gab es in den sozialen Medien einen Shitstorm, woraufhin die Mohrenbrauerei schmollte und ihre Accounts nicht mehr bespielte, obwohl schon neue alternative Logoentwürfe existierten. Viel Aufregung also, doch geändert hat sich bislang nichts. Das Bier gibt es seit 1784. Damals braute es der Wirt Josef Mohr in seinem Gasthaus „Zum Mohren" in Dornbirn im Vorarlberger Land. Für das Logo verwendete er das Familienwappen, das dem heutigen Mohrenbräu-Logo ähnelt. Das ist die besagte Tradition, auf der die Brauerei und die „Rettet das Mohrenbräu-Logo"-Unterzeichner pochen. Name und Logo der Brauerei sieht man in Dornbirn überall. Man ist mit über fünfzig Prozent Marktführer im Bundesland Vorarlberg. Es gibt das Bier in den meisten Kneipen, an Tankstellen und in den Supermärkten. Das Logo ziert Sonnenschirme, Bierbänke, Gläser, Trikots und Werbebanden von Sportvereinen und natürlich die „Mohren Biererlebniswelt" mitten im Dornbirner Stadtzentrum. „Für einige Menschen ist unser Bier fast wie eine Religion. Es hat sich sogar jemand das Logo auf den Bauch tätowieren lassen", sagt Thomas Pachole. Er ist seit knapp zwei Jahren Geschäftsführer der Mohrenbrauerei, gerade aus dem Urlaub zurück, aber schon wieder gestresst. Das liegt nicht nur an der Debatte, sondern vor allem an den Umsatzeinbußen durch den erneuten Lockdown. Die Aufregung um das Logo hat dem Umsatz eher nicht geschadet. Wie es so ist, trinken es einige jetzt noch lieber. Auch Shirts mit dem Mohrenlogo seien ohne Ende verkauft worden. Dennoch belastet der Kulturkampf ums Bier den Brauereichef und die Mitarbeiter. Auf der einen Seite drohen eingefleischte Mohren-Fans damit, das Bier nicht mehr zu trinken, wenn sich am Logo oder am Namen etwas ändere - auf der anderen Seite bekommt Pachole Mails, in denen er als „Nazi Dreckschwein" beschimpft wurde. Als die Diskussion online eskalierte, habe ihn seine Frau gefragt, ob die Familie überhaupt noch sicher sei. „Wir stecken so viel Geld in unseren Mohr en, damit er positiv dasteht. Das ist für mich schlichtweg kein Rassismus", sagt Pachole. „Rassistisch ist es für mich, wenn ich das Logo negativ auflade." Die Antidiskriminierungsbeauftragte von Vorarlberg, Vahide Aydın von den Grünen, ist da ganz anderer Meinung. Die Deutungshoheit über das Logo liege eben nicht bei der Brauerei. Was vor 250 Jahren mal okay war, sei es heute nicht automatisch. „Sobald eine von Rassismus betroffene Person das Logo als rassistisch bezeichnet, darf das nicht bagatellisiert werden. Menschen fühlen sich durch das Logo gekränkt und werden gehänselt. So wird Alltagsrassismus legitimiert." Neulich bekam Pachole sogar ein neues Logo auf den Tisch. Entworfen hatte es der Grafiker Vincent Hehle, der ebenfalls aus Vorarlberg stammt, heute aber in Wien lebt. Das neue Logo zeigte statt des Mohrenkopfs die Schattenrisse eines Birnbaums, der auch das Stadtwappen von Dornbirn ziert. Nachdem Hehle das Logo gepostet hatte, wurde auch er kritisiert und beleidigt. Fünf bis acht Millionen Euro würde die Änderung des Logos laut Brauereichef Pachole kosten. Die Etiketten zu ändern gehe schnell, teuer werde es bei Bierkästen und Biergläsern. Kritiker halten das Argument für eine Hinhaltetaktik, schließlich hatte das Unternehmen schon 2007 den Mohrenkopf auf den Etiketten verändert - damals für eine Lieferung von zwei Millionen Flaschen nach Schweden, wo ein Bier mit dem rassistischen Logo nicht verkäuflich gewesen wäre. Für die politisch korrekten Skandinavier wurde aus dem schwarzen Mohren ein grauer Kopf mit weniger wulstigen Lippen und Stupsnase. Die weitaus meisten Hektoliter Mohrenbräu fließen zwar in Vorarlberg, aber auch in Wien gibt es ein paar Kneipen, die es servieren. Von Ablehnung ist hier nichts zu spüren. In der „Blue Box" läuft Musik der schwarzen Rapper Gang Starr, Plattenspieler werden verkabelt. Der letzte Abend vor dem Lockdown wird gerade vorbereitet, und noch trinken wenige Menschen in der geschichtsträchtigen Bar im 7. Wiener Gemeindebezirk, in der Falco einst sein Video zu „Rock Me Amadeus" drehte. Manuel steht an der Bar, jung, Mitte dreißig vielleicht. Auf Nachfrage holt er eine Flache mit Mohrenlogo aus dem Kühlschrank. Zwei bis drei Kästen gingen pro Woche bei ihm weg. Und die Diskussion ums Logo? Die fände er relativ lächerlich. Das „Blue Box" verstehe sich als linke Bar und auch als Raum für Diskurs, aber über das Logo eines Biers wolle man hier nicht diskutieren. Die Aufregung würde doch am Ende vor allem der Biermarke zugutekommen. Beschwert hätte sich auch noch keiner. Das „Mohrenpfiff" bleibt im Sortiment. Im „Cafe Girardi", einer Bar im 6. Bezirk, in der es auch ein Jahr nach dem Rauchverbot noch kräftig nach Nikotin stinkt, stehen die Kästen mit den leeren Mohrenbräu-Flaschen gut sichtbar am Eingang. Den grauhaarigen Wirt berührt die Diskussion um das Logo ebenfalls nicht. Beschwert habe sich auch bei ihm noch niemand - und außerdem: „Ich bin Antialkoholiker, ich interessiere mich nicht so für Bier", sagt er und grinst. Während den Wiener Wirten die Debatte also egal zu sein scheint, hofft Grafiker Hehle weiterhin auf ein Lebenszeichen der Brauerei und dass die Debatte nicht einfach ausgesessen wird. Immerhin hat man eine Umfrage mit 2.000 Beteiligten in Vorarlberg gestartet, um herauszufinden, ob Menschen den Mohren als rassistisch empfinden. Eine Expertenrunde, um über das Logo zu diskutieren, wurde wegen der Corona-Pandemie auf das Frühjahr 2021 verschoben. Bierboss Pachole kündigt im Gespräch vage einen Bruch mit der historischen Version des Mohrenkopfs an. Nach einem Birnbaum-Logo klingt das eher nicht. Auch den Namen zu ändern sei keine Option. Stephan, der linke Mohrenbräu-Trinker, empfiehlt, sich zusammenzusetzen, gemeinsam ein Mohrenbier zu trinken und behutsam zu diskutieren. Seinen Mohrenbräu-Pullover trägt er in linken Kreisen übrigens nicht. „Ich will niemanden damit nerven", sagt er, lacht und prostet ein letztes Mal mit seinem Kellerbier in Richtung Kamera.

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