Der Deutsche Turner-Bund koordiniert die Aktionswoche in Deutschland, der Sportkreis Frankfurt hat die Federführung in der Metropolregion FrankfurtRheinMain und wird von einem großen Netzwerk an Partnern unterstützt, Vereine ebenso wie Unternehmen oder Schulen. Teil der Aktionswoche mit zahlreichen kostenfreien Mitmachangeboten wird auch wieder das „Frankfurter-FamilienSportFest" am 25. September sein.
Fragen an Roland Frischkorn, Vorsitzender Sportkreis Frankfurt
Bei der „Europäischen Woche des Sports" propagiert die EU seit Jahren das Motto „BeActive", als Aufruf an die Bevölkerung mehr bzw. überhaupt Sport zu treiben. Kern der Initiative ist, auf die Bedeutung des Themas Sport und Bewegung aufmerksam zu machen. Und es geht darum, Aufbruchstimmung und Zuversicht zu verbreiten und den - infolge der Corona-Pandemie noch einmal erhöhten - Bewegungsmangel in Deutschland in den Blick zu rücken. Wie gut ist dieses Vorhaben in Deiner Stadt und Deiner Region schon gelungen, was ist noch zu tun?
RF: Bisher bin ich sehr zufrieden mit den Aktivitäten, aber es gilt: Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser geht! Und deshalb arbeiten wir als Sportkreis daran, seitdem wir selbst Veranstalter sind, immer besser zu werden. Wir haben viele Angebote in den unterschiedlichsten Bereichen, in Sportstätten, aber auch im öffentlichen Raum. Letzteres ist dieses Jahr insbesondere am Main zu erleben, aber ich denke auch an Schulen, Kindergärten, Wohlfahrtsverbände, Kirchen, die Volkshochschule. Das alles müssen wir für die Zukunft noch stärker zusammenbringen. Was ich meine: Wir brauchen nicht nur das Motto „Teilhabe für alle" oder „Inklusion", wir brauchen die Zusammenarbeit aller Beteiligten in diesem Bereich.
Viele der Stichworte werden wir im Gespräch gleich noch vertiefen. Zunächst: Der Sport blickt zurück auf eine ausgesprochene schwierige Zeit, Stichwort Pandemie. Was macht aus Deiner Sicht die Sport- und Bewegungsszene der Metropolregion FrankfurtRheinMain aus?
RF: Wir haben von Anfang an, seit März 2020 und dem ersten Lockdown, in Alternativen gedacht. Wir haben sozusagen neue „Spielregeln" entwickelt, neue Konzepte, wie man dezentral Angebote schaffen kann, wenn große Events nicht wie gewohnt stattfinden können. Das war auch gut so, denn dies hat es ermöglicht, die „Europäische Woche des Sports" als erste Großveranstaltung des Jahres 2020 im Herbst auszurichten. Dafür bin ich den Turn- und Sportvereinen sehr dankbar und es macht mich auch stolz, dass uns das in einer so schwierigen Situation gelungen ist.
Welche Leuchtturmprojekte und Errungenschaften seit Beginn der Initiative "Europäische Woche des Sports" in FrankfurtRheinMain würdest Du herausstellen?
RF: Eine wichtige Idee, die aus der Aktionswoche heraus angeregt und dann realisiert wurde, ist die Kilometrierung am Mainufer. Das ist wunderbar gelungen, nämlich eine Strecke von zehn Kilometern um den Main auszuweisen. Dies wiederum hat eine Veranstaltung wie die „Frankfurter Runden" erst möglich gemacht, also ein neues Sportangebot zu kreieren. Aber auch jeder, der sich dem nicht anschließt, kann für sich die Kilometrierung nutzen und sein eigenes Laufpensum ablesen. Nennen möchte ich auch die „Fitnessbank" - diese Bank für verschiedene Übungen mit dem eigenen Körpergewicht wird immer mehr nachgefragt und aufgestellt. Dabei handelt es sich um eine Idee aus einer der ersten „Europäischen Wochen des Sports": Ein Student hat ein Start-up gegründet, um mit diesem Unternehmen die Fitnessbank immer weiterzuentwickeln. Die Bänke stehen nicht nur in Frankfurt, die Idee strahlt auch in die Region aus. Was ist noch eine Errungenschaft? Zu den Aktivitäten in diesem Jahr gehört auch der „Sommer am Main", wo die Zusammenarbeit von Kultur, Umweltprojekten und Sport ein tolles Ergebnis zur Folge hatte. Die neuerliche Sperrung des nördlichen Mainkais wurde genutzt, um zu zeigen, wie öffentliche Orte für Sport und Bewegung, aber auch für Kultur wieder besser und auch neu erschlossen werden können.
Du hast es schon angesprochen: Der Sportkreis ist seit dem vergangenen Jahr bei der „Europäischen Woche des Sports" federführend und damit Ideengeber - was habt ihr unternommen, um neue oder mehr Impulse zu setzen?
RF: Wir setzen konsequent das Konzept der dezentralen Angebote um und damit die Einbindung der Vereine in den Stadtteilen und im Wohnumfeld der Menschen. Dies ergänzen wir durch Highlights, also zentrale Angebote im Frankfurter Hafenpark und auch in der Fabriksporthalle am Sportkreis-Sitz in Fechenheim. Die dezentralen Aktionen sind deshalb so wichtig, weil wir damit die Menschen in ihrem Kiez erreichen und dort das Zusammenleben stärken.
Neu ist auch, diesmal die Partnersportkreise Main-Taunus, Hochtaunus, Offenbach und Groß-Gerau mit ins Boot zu holen - wie wichtig ist eine solche Zusammenarbeit?
RF: Ich verspreche mir davon noch mehr Werbung für den Sport in der Region. Es beschäftigt mich seit Jahren, dass das Rhein-Main-Gebiet eine der im Sport stärksten Regionen Deutschlands darstellt, dies aber nach außen so nicht deutlich gemacht wird. Es fehlt manchmal noch am Zusammenspiel. Ich freue mich sehr darüber, dass sich weitere Sportkreise anschließen. Damit setzen wir fort und intensivieren, was beim „Mainova-Sportportal", unserer digitalen Sportinformationsplattform, schon passiert, nämlich die Kooperation ganz vieler Sportkreise. Jetzt erreichen wir gerade ein neues Niveau.
Viele Angebote bei der Aktionswoche finden draußen statt, die Anbieter gehen praktisch zu den Menschen, es gibt eigentlich keine Barrieren teilzunehmen - wie wichtig ist diese Möglichkeit, umsonst und draußen aktiv zu werden, in Parks, im Stadtraum, am Main? Und das vielleicht nicht nur in dieser einen Woche, sondern ganzjährig?
RF: Das ist aus meiner Sicht generell sehr wichtig, denn Sport und Bewegung, ganz egal wo, speziell aber im öffentlichen Raum, schaffen ein neues Miteinander, ein neues Lebensgefühl. Wir haben dafür den Arbeitstitel „Stadt als Stadion", was deutlich machen soll: So wie am Mainkai müssen wir den öffentlichen Raum neu und anders erschließen, und insbesondere für Sport und Bewegung zurückgewinnen. In meiner Kindheit konnten wir auf der Straße spielen, andere Verkehrsteilnehmer haben darauf Rücksicht genommen. Es muss unser Ziel sein, wieder ein stärkeres Miteinander zu erreichen anstelle eines Gegeneinanders. Das passt im Übrigen gut zum europäischen Gedanken und zu den Erfordernissen dieser Zeit.
Vertiefen wir einen Moment lang den Aspekt „Sport in der Innenstadt", der ja nicht nur die Zeil umfasst - was sind Deine Gedanken und Erwartungen dazu? Und könnte beispielsweise auch der Einzelhandel davon profitieren, wenn anderes Leben herrscht innerhalb des Anlagenrings?
RF: Als Erstes möchte ich feststellen, dass der Main schon immer die größte Sportarena Frankfurts war. Dort fand und findet Rudern statt, Kanu, Segeln und einiges mehr. Bis in die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts konnte sogar geschwommen werden. Der Main ist zugleich ein Symbol, dass wir neu denken müssen: Wir können am Fluss ablesen, welche Umweltpolitik gemacht oder auch nicht gemacht worden ist. In den sechziger Jahren war der Main eine Kloake. Dank der Wassersport-Vereine hat sich da schon einiges getan. Aber schwimmen können wir im Man immer noch nicht. Es ist also ein mühsamer Weg. Und zur Frage des Einzelhandels in der Innenstadt: Sport spielt nach meiner Auffassung durchaus eine große Rolle, denn Sport ist ein wichtiger Standortfaktor, was generell gilt für Ansiedlungen von Industrie, Gewerbe und Einzelhandel in Frankfurt und in der Region. Sport spricht aber auch als Medium die Menschen emotional an und baut damit wichtige Brücken. Insbesondere haben frühere Veranstaltungen unter dem Titel „Sport auf der Zeil" oder „Sport in der City" belegt, dass dadurch ein Mehrwert für den Einzelhandel entstanden ist, dank längerer Verweildauer und einer Wohlfühlatmosphäre. Das müssen wir bei einer Neuorientierung für die Innenstadt berücksichtigen. Wir brauchen mehr Sport und Bewegung an der Hauptwache, an der Konstablerwache, auf der Zeil.
Das klingt spannend, aber auch nach viel Arbeit! Neue wirtschaftliche Herausforderungen kommen auf den Sport zu, durch die das Geld für notwendige Entwicklungen, etwa im Kinder- und Jugendsport oder bei der Integration und für ältere Menschen, noch knapper werden könnte. Was ist für Vereine und Verbände zu erwarten, welche Maßnahmen müssen schon bedacht werden? Und welche Aufgaben stehen - auch in Kooperation mit der Stadt Frankfurt und Sportdezernent Mike Josef sowie anderen teils jahrelangen Partnern aus Politik, Wirtschaft und Sport - für den Sportkreis im Fokus?
RF: Für uns steht natürlich die Finanzierung der Vereine, die in der Pandemie alle sehr stark belastet waren, im Blickpunkt. Es war die erste wirklich große Herausforderung für das Ehrenamt in den zurückliegenden Jahrzehnten. Ich muss sagen: Danke! Alle ehrenamtlich Tätigen haben das hervorragend gemeistert. Aber diese Situation hat auch gezeigt, wie wichtig Zusammenarbeit ist: der Vereine mit dem Sportkreis, des Sportkreises mit dem Landessportbund und natürlich mit der Stadt, der Verwaltung, aber auch mit der Landesregierung. Das heißt, erst das Miteinander ist die Grundlage für eine Partnerschaft. Ohne diese Gemeinsamkeit hätten wir es nicht geschafft. Ich ziehe eine Lehre daraus, dass wir uns nämlich fragen, wie wir die Synergien besser nutzen können? Ich habe anfangs gesagt, dass es viele Sportanbieter und Sportangebote gibt. Es gibt dabei auch Parallelangebote, die viel Kraft und Geld kosten. Wir müssen das besser bündeln und so gestalten, um einen neuen Mehrwert zu schaffen, für Anbieter wie für Nutzer. Das ist dann keine Streichung von Angeboten, aber eine wichtige Fokussierung.
Im vergangenen Jahr wurde die „Europäische Woche des Sports" genutzt, um auch dafür zu werben, Frankfurt durch vielfältige Ideen zur „sportfreundlichsten Stadt Europas" zu machen, nicht von heute auf morgen, aber perspektivisch - wir möchten nachfragen: Wo steht das Projekt aktuell?
RF: Ganz ehrlich: Die Mühlen der Verwaltung mahlen langsam. Wir als Sport müssen auch dort für mehr Bewegung sorgen, damit die Mühlen stetig und schneller laufen.
Eine diplomatische Antwort, die Botschaft ist aber angekommen. Roland, bitte vervollständige zum Abschluss diesen Satz: Die „Europäische Woche des Sports" ist für mich ...
RF: ... Herausforderung und Chance zugleich, den gesellschaftlichen Stellenwert des Sports herauszustellen, die Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt, für Gesundheit und Bildung. Sport ist mehr als Wettkampf! Und wenn ich noch einen größeren europäischen Bogen schlagen darf: Sport baut Brücken auch für Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen aus ihrer Heimat flüchten müssen und zu uns kommen. „Sport integriert Hessen" heißt jetzt neu das Programm, in dem wir seit vielen Jahren daran arbeiten, durch Vereine und den Sportkreis für Geflüchtete Angebote zu machen, auch in den Unterkünften. Wir werben für die Möglichkeiten zur Integration in den Vereinen. Und egal zu welchen Zeiten Flüchtlingsbewegungen Frankfurt erreicht haben, ob 2015 oder jetzt durch den Krieg in der Ukraine, immer gibt es eine große Solidarität der Vereine im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Es gibt einen Sonderfond, den der Frankfurter Sportdezernent zur Verfügung gestellt hat, etwa für Bewegungsangebote in Gemeinschaftsunterkünften. Es gibt die Freistellung von Mitgliedsbeiträgen. Alle ziehen an einem Strang. Sport ist auch eine Demokratiebewegung. In Sportstätten, in Vereinen lernt man immer auch solidarische und demokratische Prinzipien.