Jochen Vorfelder

Journalist, Motorcycle Blogger, Twitter&Throttle Jockey, Hamburg

1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

Autogramm Honda CB500F: Eilfasten - SPIEGEL ONLINE

Der erste Eindruck:
Ich bin leicht verwirrt. Bin ich hier auf der falschen Präsentation? Oder hat der Spediteur einen Fehler gemacht? Nein, das ist tatsächlich Hondas neues Billigmotorrad - die CB500F kostet nur 5.490 Euro und hat sturzbiedere 471 Kubik. Doch die Designer haben brillante Arbeit geleistet. Aus der Distanz kann man Hondas Budget-Bike durchaus mit hauseigenen Muskelprotzen wie der Hornet oder der CB1000R verwechseln. Die Operation "Hochstapler" ist gelungen.


Das sagt der Hersteller:
"Als wir das Fahrzeug konzipiert haben, standen zwei Denkrichtungen Pate: ein bodenständiger Begleiter, mit dem man von Montag bis Freitag problemlos ins Büro fährt. Und ein kleiner Sportler, der am Wochenende auf der Landstraße richtig Laune machen sollte," sagt Oliver Franz, Pressemann bei Honda Deutschland, bei der CB500F-Vorstellung in Barcelona.


Rausgekommen ist die CB500-Baureihe. Die CB500F ist die unverkleidete Naked-Bike-Version; daneben bietet Honda die verkleidete CBR500R und ab Juni auch die auf "Adventure" getrimmte CB500X an. Alle drei Motorräder basieren auf dem gleichen Fahrwerk, teilen sich den Motor und werden mit den identischen Felgen und Reifen ausgeliefert.


Diese Baukastenstrategie, die Honda auch schon bei der erfolgreichen NC700er-Baureihe fährt, hat einen entscheidenden Vorteil: Die Entwicklungskosten für die einzelnen Modellderivate tendieren gegen Null und sind die Basis für Kampfpreise am Markt. Mit denen will Honda mehrere Zielgruppen begeistern: "Zunächst natürlich Motorradeinsteiger, daher die Beschränkung auf 48 PS, die perfekt zur neuen Führerscheinklasse A2 passt," sagt Oliver Franz, "aber auch die Aufsteiger aus den 125er- und 250er-Klassen wollen wir natürlich mitnehmen."


Das ist uns aufgefallen:
Im Stadtverkehr schwimmt die CB500F wie zu erwarten gemächlich mit, und wir quetschen uns auf dem schmal bauenden Twin mit Bravour durch die Staureihen. Die kleine Honda hat eine niedrige Sitzhöhe von 790 mm und eine leicht nach vorne geneigte Sitzposition; das passt zu Einsteigern, die zunächst volle Kontrolle über die Maschine suchen.


Auf den verwinkelten Landstraßen in den Bergen hinter Barcelona zeigt die CB500F dann ihr versprochenes Wochenendgesicht. Die Maschine läuft auch bei welligem Asphalt präzise geradeaus; in den Kurven ist sie kaum an ihre Grenzen zu bringen und liegt absolut ruhig. Die Bremsen sind einfach, aber funktional. Zwei Wave-Bremsscheiben und ABS bieten genügend Entschleunigungskraft und Sicherheitsreserven, obwohl auf das bewährte Honda Combined ABS, bei dem die Anlagen an Vorder- und Hinterrad intelligent gekoppelt werden, verzichtet wurde.


Der Motor entwickelt seine 48 PS allerdings erst bei 8.500 Umdrehungen pro Minute; auch das maximale Drehmoment von 43 Nm wird erst bei 7.000 Touren abgerufen. Das bedeutet, dass man das kleine Naked Bike permanent unter Druck halten muss, um nicht unterhalb von 4.500 Umdrehungen in ein Leistungsloch zu fallen. Für Aufsteiger etwa aus der 250er-Klasse ist das keine Neuigkeit; schaltfaule Fahrer aus dem Big-Bike-Lager, die bei 3.000 Touren gerne schon in den Sechsten schalten, haben damit ihre Probleme.


Doch hat man das Drehkonzept akzeptiert und quirlt den Motor bis in fünfstellige Sphären richtig durch, schieben auch 48 PS richtig sportlich voran und machen aus dem Pendler-Transporter einen ambitionierten Eckenfeger. Das Handling der CB500F ist dabei optimal neutral: Das Fahrwerk besteht zentral aus einem Brückenrahmen aus 35-mm-Stahlrohr; der Motor trägt mit. Die Telegabel mit 41-mm-Standrohren und die einfache, aber stabile Kastenschwinge halten die 192 Kilogramm (vollgetankt) zuverlässig auf Kurs.


Das muss man wissen:
Für 5.490 Euro kann man keine Wunderdinge erwarten. Die in Thailand gefertigten Maschinen sind Honda-sauber verarbeitet. Aber aus Kostengründen gibt es einige nackte Ecken und Kanten, viel Plastik sowie unverständliche Billigteile: Die Blinker stammen aus den achtziger Jahren, der Kettenspanner besteht aus zwei simplen Schrauben und den schmächtigen Fußbremshebel mag man mit einem ordentlichen Stiefel kaum treten. Es gibt serienmäßig beheizte Handgriffe, doch es bleibt wohl für immer ein Mysterium, wie man den Schalter mit Handschuh bedienen soll.


Das werden wir nicht vergessen:
Dass wir die CB500F in der Fastenzeit vor dem Osterfest gefahren sind. Diese Wochen sind dem körperlichen und spirituellen Entschlacken gewidmet - und die CB500F ist die perfekte Umsetzung dieser heilsamen Entsagung: Schluss mit der hemmungslosen PS-Völlerei und den elektronischen Götzendiensten wie Traktionskontrolle. Es wurde Zeit zum Abspecken und zur Besinnung auf die eigentlichen Werte des Motorradfahrens.



Zum Original